Flurbereinigungsgericht Greifswald, Urteil vom 08.12.1999 - 9 K 32.98
Aktenzeichen | 9 K 32.98 | Entscheidung | Urteil | Datum | 08.12.1999 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Greifswald | Veröffentlichungen | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Sinn und Zweck des § 70 Abs. 1 Sachenrechtsbereinigungsgesetzes (SachenRBerG) ist es, zu verhindern, dass die Änderung der ursprünglichen landwirtschaftlichen Produktion (zu der auch die nachgeordneten gewerblichen Tätigkeiten, die eine LPG für ihren laufenden Betrieb benötigte und mangels freier Gewerbetreibenden selbst erledigte) in eine gewerbliche Nutzung durch den Halbteilungsgrundsatz auf Kosten des weichenden Grundstückseigentümers subventioniert wird. Es kommt nicht darauf an, ob die Art der Nutzung die gleiche ist wie zu Zeiten der DDR; maßgeblich ist der Nutzungszweck, d.h. wem die Nutzung wirtschaftlich zugute kommt: Dient die Nutzung weiterhin der Unterstützung der landwirtschaftlichen Produktion, liegt keine Nutzungsänderung vor. Dient die jetzige Nutzung eigenständigen Zwecken, dann ist der Zweck ein anderer und es liegt eine Nutzungsänderung im Sinne des § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SachenRBerG vor. |
Aus den Gründen
a) Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass der Berechnung der Abfindungssumme die entsprechenden Regelungen des SachenRBerG über den Kaufpreis (§§ 68 ff. SachenRBerG) zugrundegelegt werden, wenn der Grundstückseigentümer sein Eigentum verliert (Urteil vom 04.07.1996 - 9 K 5.94; Urteil vom 16.04.1998 - 9 K 28.97; Urteil vom 30. März 1999 - 9 K 8.96). Dementsprechend gilt grundsätzlich der Halbteilungsgrundsatz des § 68 Abs. 1 SachenRBerG. Der Ausgangspunkt des Beklagten, den Grundstückswert nach dem Halbteilungsgrundsatz zu ermitteln, ist daher nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat aber zu Unrecht den Halbteilungsgrundsatz der gesamten Abfindungsberechnung zugrundegelegt und die Anwendbarkeit des § 70 SachenRBerG umfassend verneint. Demgegenüber ist für die neuen Flurstücke 80/3 und 80/6 der ungeteilte Bodenwert nach § 70 SachenRBerG einzusetzens. Dies ergibt sich aus folgender Überlegung:
b) Der volle Bodenwert ist einzusetzen, wenn die Nutzung des Grundstücks geändert wird (§ 70 Abs. 2 Satz 1 SachenRBerG). Der Tatbestand der Nutzungsänderung ist in § 70 Abs. 1 Satz 2 SachenRBerG näher beschrieben. Danach liegt eine Nutzungsänderung unter anderem vor, wenn ein Gebäude gewerblichen Zwecken dient und es auf einer dem gesetzlichen Nutzungsrecht der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften unterliegenden Fläche errichtet und am 30. Juni 1990 land- oder forstwirtschaftlich genutzt wurde. Unstreitig ist, dass die auf dem alten Flurstück 80 stehenden Gebäude von einer LPG im Rahmen ihres gesetzlichen Nutzungsrechtes errichtet wurden. Ebenso unstreitig ist, dass die Gebäude am Stichtag 30. Juni 1990 landwirtschaftlich, nämlich durch die damals noch bestehende LPG L., genutzt wurden. Diese landwirtschaftliche Nutzung hat die Rechtsnachfolgerin der LPG L. für die auf den Flurstücken 80/3 und 80/6 (neu) errichteten Gebäude in der Folgezeit aufgegeben.
aa) Das Gebäude auf dem Flurstück 80/3 wurde in die Nutzung einer Tischlerei übergeben, die nunmehr Wintergärten herstellt und montiert. Die Nutzung für die Tischlerei ist eine gewerbliche Nutzung. Eine solche liegt immer dann vor, wenn eine selbständige, auf Erzielung von Gewinn gerichtete fortgesetzte, nicht nur gelegentlich ausgeübte erlaubte Tätigkeit ausgeübt wird, die nicht Urproduktion oder eine künstlerische, schriftstellerische oder wissenschaftliche Tätigkeit ist oder als Dienst höherer Art einzustufen ist. Diese nunmehr gewerbliche Nutzung stellt eine Änderung gegenüber der landwirtschaftlichen Nutzung am 30.06.1990 dar.
Entgegen der Auffassung des Beklagten bezieht sich § 70 Abs. 1 SachenRBerG nicht auf die einer LPG zu DDR-Zeiten faktisch zugewiesene Rolle eines allgemeinen Dienstleistungsunternehmens für die Landbevölkerung, wenn es diese Funktion überhaupt gab. Sinn und Zweck des § 70 Abs. 1 SachenRBerG ist es, zu verhindern, dass die Änderung der ursprünglichen landwirtschaftlichen Produktion, zu der auch die nachgeordneten gewerblichen Tätigkeiten, die eine LPG für ihren laufenden Betrieb benötigte und mangels freier Gewerbetreibenden selbst erledigte, in eine gewerbliche Nutzung durch den Halbteilungsgrundsatz auf Kosten des weichenden Grundstückseigentümers subventioniert wird. Entscheidend kommt es für die Nutzungsänderung auf die Änderung des Nutzungszweckes an: Dient die Nutzung weiterhin der Unterstützung der landwirtschaftlichen Produktion, dann liegt keine Nutzungsänderung vor. Dient die jetzige Nutzung eigenständigen Zwecken, dann ist der Zweck der Nutzung ein anderer; handelt es sich um ein gewerbliche Nutzung, dann liegt eine Nutzungsänderung im Sinne des § 70 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SachenRBerG vor. Darauf, ob die Art der Nutzung die gleiche ist wie zu Zeiten der DDR, kommt es nicht an; maßgeblich ist der Nutzungszweck, d.h. wem die Nutzung wirtschaftlich zugute kommt.Anmerkung
Zur Nutzungsänderung siehe auch RzF - 20 - zu § 64 LwAnpG.