Flurbereinigungsgericht Greifswald, Urteil vom 13.09.2006 - 9 K 8/06 = RdL 2007 S. 106 ff. (Lieferung 2008)

Aktenzeichen 9 K 8/06 Entscheidung Urteil Datum 13.09.2006
Gericht Flurbereinigungsgericht Greifswald Veröffentlichungen RdL 2007 S. 106 ff.  Lieferung 2008

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Im Bodenordnungsverfahren sind für Beurteilung und Wirksamkeit einer Umwandlung einer LPG grundsätzlich die Eintragungen in den Registern maßgebend. Anhängige Zivilprozesse um die Wirksamkeit der Umwandlung rechtfertigen nicht ein Ruhenlassen des Bodenordnungs- oder Prozessverfahrens. Stellt sich die Unwirksamkeit der Umwandlung später heraus, ist der Bodenordnungsplan anzupassen.
2. Die Flurbereinigungsbehörde muss bei der Gestaltung der Landabfindung die in § 58 Absatz 1 Satz 2 LwAnpG genannten Umstände berücksichtigen: sie kann diese Entscheidung auf nachfolgendes Flurneuordnungsverfahren allenfalls dann verlagern, wenn absehbar ist, daß sich der offen gelassene Interessenkonflikt in dessen Rahmen sachgerecht lösen lässt.

Aus den Gründen

Der angefochtene Bodenordnungsplan vom 09.03.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 25.01.2006 geht zu Recht davon aus, dass in der Hand der Beigeladenen das Eigentum an Gebäude und Grund und Boden gem. § 64 LwAnpG zusammengeführt werden kann. Dies ergibt sich daraus, dass die Beigeladene im Genossenschaftsregister des Amtsgerichts Schwerin als "LPH K. GmbH" - am 28.11.1991 eingetragen worden ist und dabei unter dem 29.05.1995 in Spalte 6 des Registers vermerkt ist, dass die Gesellschaft durch Umwandlung und Teilung der LPG (P) K. entstanden ist; unter Buchstabe B in Spalte 7 wird ausgeführt: "LPG (P) K.; Genossenschaftsregister des Kreises L. Bd. IV, Reg.-Nr. 205. Nr. 1 in Sp. 6 von Amts wegen ergänzt."


Ausgangspunkt ist § 57 LwAnpG. Danach werden die Beteiligten nach den Eintragungen im Grundbuch ermittelt. Da hinsichtlich der streitbefangenen Sickersaftgrube ein Gebäudegrundbuch nicht angelegt worden ist, scheidet dieser Anknüpfungspunkt aus. Da zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig ist, dass mit der Errichtung der Anlage durch die LPG K. Gebäudeeigentum in ihrer Hand entstanden ist, hat die Flurbereinigungsbehörde die vorhandenen Registereinträge zu be¬achten. Dies ergibt sich aus Folgendem: Ausgangspunkt ist § 34 Abs. 1 LwAnpG. Danach hat die Eintragung der neuen Rechtsform in das Register folgende Wirkungen: (1.) Die LPG besteht in der in dem Umwandlungsbeschluss bestimmten Rechtsform weiter. (2.) Die Mitglieder der LPG sind nach Maßgabe des Umwandlungsbeschlusses an dem Unternehmen nach den für die neue Rechts¬form geltenden Vorschriften beteiligt. Rechte Dritter an den Mitgliedschaftsrechten der formwechselnden LPG bestehen an den an ihre Stelle tretenden Anteilen oder Mitgliedschaftsrechten des Unternehmens neuer Rechtsform weiter. Absatz 2 bestimmt, dass dann, wenn das Unternehmen neuer Rechtsform nicht in ein Register einzutragen ist, die in Absatz 1 bestimmten Wirkungen mit der Eintragung des Formwechsels in das Register der LPG eintreten. Die Eintragung hat zur Folge, dass die LPG in der neuen Rechtsform weiter besteht. Die konstitutive Wirkung der Eintragung, die von einer Heilung etwaiger Beschlussmängel zu unterscheiden ist, dient dem Verkehrsschutz und tritt unabhängig von der Art und der Schwere etwaiger Mängel des Umwandlungsaktes ein (BGH, B. v. 08.05.1998 - BLw 18/97 - BGHZ 138, 371, 375; Wenzel, AgrarR 2000, 349, 351).


Nach der Rechtsprechung des BGH ist eine Umwandlung unwirksam, wenn der Umwandlungsvorgang keine Grundlage mehr im Landwirtschaftsanpassungsgesetz hatte. Dann befindet sich die fortbestehende Gesellschaft, da sie kraft Gesetzes mit Ablauf des 31.12.1991 aufgelöst ist (§ 69 Abs. 3 LwAnpG), unerkannt in Liquidation. Auch genießt die Eintragung der umgewandelten Gesellschaft keinen Bestandsschutz. Dies wird angenommen, wenn 1.) es an einem die Umwandlung tragenden Beschluss der Mitgliederversammlung überhaupt fehlt (Verstoß gegen elementare Grundsätze in der Willensbildung), 2.) den Mitgliedern der LPG die Möglichkeit zu einer (an sich kraft Gesetzes eintretenden) Beteiligung am Unternehmen neuer Rechtsform versagt wurde (Verstoß gegen den Grundsatz der Mitgliederkontinuität) oder 3.) die Umwandlung außerhalb der vom Landwirtschaftsanpassungsgesetz eröffneten Formen zur Strukturänderung ehemaliger LPG erfolgte (Verstoß gegen den numerus clausus; vgl. BGH, B. v. 17.05.1999 - II ZR 293/98 - BGHZ 142, 1 = NJW 1999, 2522; vgl. Czub, Gescheiterte Strukturänderungen ehemaliger LPG, VIZ 2003, 105). Ist eine Umwandlung unwirksam, weil der Umwandlungsvorgang keine Grundlage mehr im Landwirtschaftsanpassungsgesetz hatte, genießt die Eintragung der umgewandelten Gesellschaft keinen Bestandsschutz (BGH, B. v. 26.10.1999 - BLw 20/99 - 26.10.1999 - RdL 2000, 47 = AgrarR 2000, 234).


Ob ein solcher Fall vorliegt mit der Folge, dass einem Beteiligten im Bodenordnungsverfahren die Aktiv- oder Passivlegitimation fehlt, ist durch die zuständigen Behörden nur unter eingeschränkten Voraussetzungen zu prüfen.


Soweit es um die Eintragung als Gebäudeeigentümer geht, hat das BVerwG entschieden, dass die Antragsbefugnis gemäß § 57 LwAnpG auf der Grundlage der Eintragungen im Grundbuch zu ermitteln ist. Die Bodenordnungsbehörde darf bei der Frage der Antragsbefugnis auf die Eintragungen im Grundbuch bzw. im gemäß Art. 233 § 2 b Abs. 2 EGBGB angelegten Gebäudegrundbuch abstellen (vgl. BVerwG, U. v. 10.12.2003 - BVerwG 9 C 5.03 - RdL 2004, 157 <158> <= RzF - 48 - zu § 64 LwAnpG>; B. v. 16.08.2005 - BVerwG 10 B 43.05 - RdL 2005, 328). Dem liegt die Erwägung zugrunde, dass die Frage der Antragsbefugnis nicht mit materiellen Fragen der Eigentumslage belastet werden soll. Wenn Streit über die Eigentumslage und die Richtigkeit der Eintragungen entsteht, ist es Sache desjenigen, der diese bestreitet, eine Grundbuchberichtigung zu erreichen (BVerwG, U. v. 14.12.2005 -IOC 6/04 - RdL 2006, 132 = NJ 2006, 228 = DVBl 2006, 842). § 57 LwAnpG knüpft an die §§891 ff. BGB an, die den Eintragungen von Eigentumsrechten im Grundbuch öffentlichen Glauben verleihen und sie - vorbehaltlich der Offenkundigkeit des Gegenteils - mit der positiven Vermutung versehen, dass das eingetragene Recht besteht und dem Eingetragenen seit der Eintragung zusteht. Die Grundlage der Eintragung ist dabei ohne Bedeutung (vgl. BGH, U. v. 26.11.1999 - V ZR 34/99 - RdL 2000, 145). Die Beweisregel des § 891 Abs. 1 BGB kommt in allen Verfahrensarten zur Anwendung, also auch etwa im Verwaltungsprozess (vgl. VGH München, U. v. 26.07.1999 - 19 B 95.2321 - RdL 2000, 208 <209>). In einem vorangehenden Verwaltungsverfahren gilt der Untersuchungsgrundsatz insofern ebenso nur eingeschränkt. Dies stellt die Vorschrift des § 57 LwAnpG für die Ermittlung der Beteiligten am Bodenordnungsverfahren klar. Im Übrigen wird auch zu der Vorschrift des § 12 Satz 1 FlurbG, die in § 57 LwAnpG ihre Entsprechung findet, in Literatur und Rechtsprechung durchweg anerkannt, dass die Eintragung des Eigentums im Grundbuch jedenfalls so lange maßgebend ist, bis der Nachweis der Unrichtigkeit erbracht ist (vgl. OVG Frankfurt/Oder, U. v. 11.11.1999 - 8 D 21/98.G - RdL 2000, 216 <217> m.w.N.). Dieser Nachweis ist nicht erbracht, wenn zu Vorfragen des Eigentumserwerbs divergierende Entscheidungen der zuständigen Zivilgerichte ergangen sind. Es ist in derartigen Fällen nicht Aufgabe der Flurneuordnungsbehörde oder des nachfolgend angerufenen Flurbereinigungsgerichts, im Zusammenhang mit der Einleitung des Bodenordnungsverfahrens über die streitig gebliebenen Fragen zu entscheiden (vgl. OVG Frankfurt/Oder, U. v. 26.09.2002 - 8 D 30/99.G - RdL 2004, 326 <328>). Ein derartiger Streit könnte die von der Flurneuordnungsbehörde zu treffende Entscheidung erheblich verzögern und damit die Erfüllung des in § 64 LwAnpG enthaltenen Gestaltungsauftrags ohne Notwendigkeit ernsthaft behindern (BVerwG, B. v. 16.08.2005 - 10 B 43/05 - Buchholz 424.02 § 57 LwAnpG Nr 1 - zit. nach juris).


Bzgl. einer geforderten Einschränkung der Antragsbefugnis wegen geringer Restnutzungsdauer landwirtschaftlicher Gebäude und Anlagen (§ 31 SachenRBerG) hat das BVerwG darauf hingewiesen, dass dies ein häufiger Streitpunkt zwischen dem Grundeigentümer und dem Gebäudeeigentümer ist. Der "in § 64 LwAnpG enthaltene Gestaltungsauftrag" (so BVerwG, U. v. 09.07.1997 - 11 C 2.97 - BVerwGE 105, 128 <134> <= RzF - 1 - zu § 56 Abs. 1 LwAnpG>) verlangt aber von den zuständigen Behörden, dass sie im Interesse einer Strukturverbesserung des ländlichen Raums in den neuen Bundesländern die Aufspaltung zwischen Gebäude- und Grundeigentum zügig überwinden. Wenn sie den Streit über die Restnutzungsdauer austragen müssten, bevor sie einen Anordnungsbeschluss erlassen dürften, würde die Erfüllung dieses Gestaltungsauftrags ohne Notwendigkeit ernsthaft behindert (BVerwG, B. v. 10.12.2003 - 9 C 5/03 - Buchholz 424.02 § 64 LwAnpG Nr 10 - zit. nach juris <= RzF - 48 - zu § 64 LwAnpG>).


Diese Grundsätze sind auf die Eintragung nach § 34 Abs. 1 LwAnpG zu übertragen. Die Eintragung im Handelsregister (Genossenschaftsregister) hat grundsätzlich konstitutive Wirkung. Sie entfaltet gemäß § 15 Abs. 2 HGB einen Schutz des guten Glaubens des Rechtsverkehrs. Die Ausnahmen, die in der Rechtsprechung entwickelt worden sind, in denen eine fehlgeschlagene Umwandlung auch nicht durch die konstitutive Wirkung des § 34 Abs. 1 LwAnpG bestandsgeschützt sind, sind nicht unmittelbar erkennbar. Dies bedeutet, dass von der Wirksamkeit der Umwandlung im Bodenordnungsverfahren solange auszugehen ist, bis der Nachweis der Unwirksamkeit geführt ist. Dieser Nachweis wird nicht dadurch erbracht, dass einer der Beteiligten - aus seiner Sicht offensichtliche - Hinweise für die Unwirksamkeit der Umwandlung gibt. Jedenfalls dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - Zivilstreitverfahren anhängig sind, in denen diese Frage inzident oder, wie in dem vorliegenden Verfahren beim Amtsgericht Schwerin - AZ: GenR 409 - in der Sache selbst zur Entscheidung steht, ist es nicht Aufgabe der Flurneuordnungsbehörde oder des Flurbereinigungsgerichts, die hier streitig gebliebenen Fragen zu entscheiden. Auch hier gilt, dass in diesem Fall die zu treffende Entscheidung erheblich verzögert und der Neuordnungsauftrag nach § 64 LwAnpG ernsthaft behindert würde. Auch das von dem Kläger angeregte Ruhenlassen des Verfahrens bis zu einer - rechtskräftigen - Entscheidung des zivilrechtlichen Verfahrens scheidet daher aus. Dies ist in einem Fall wie dem vorliegenden auch deswegen hinzunehmen, weil dann, wenn sich die Unwirksamkeit der Umwandlung ergeben sollte, die LPG K. i.L. fortbestehen würde. In diesem Fall wäre die Flurneuordnungsbehörde gehalten, den Plan gemäß § 63 Abs. 2 LwAnpG i.V.m. § 64 FlurbG anzupassen (vgl. auch OVG Frankfurt/O., U. v. 26.09.2002 - 8 D 30.99.G -RdL 2004, 326).


Der angefochtene Bodenordnungsplan im engeren Sinne erweist sich aber deswegen als ermessensfehlerhaft, weil bei der Bestimmung des Abfindungsgrundstücks für den Kläger die Vorgabe des § 58 Abs. 1 Satz 2 LwAnpG nicht hinreichend beachtet worden ist. Danach muss die Landabfindung in der Nutzungsart, Beschaffenheit, Bodengüte und Lage seinen alten Grundstücken entsprechen. In welchem Umfang und mit welchem Gewicht dieser Belang in die Abweichung mit einzubeziehen ist, bedarf im vorliegenden Fall keiner näheren Festlegung. Die Vertreter der Beklagten haben nämlich in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ausgeführt, dass bei der Bestimmung der Lage des Abfindungsgrundstückes im vorliegenden Fall dieser Belang in die Abwägung nicht einbezogen worden ist. Zur Begründung hat die Beklagte ausgeführt, für das Gesamtgebiet werde parallel ein Flurneuordnungsverfahren durchgeführt. In dessen Rahmen soll das dem Kläger in diesem Bodenordnungsverfahren zugewiesene Flurstück nach Möglichkeit getauscht werden mit der Folge, dass es näher zu seiner Nebenerwerbslandwirtschaftsstelle liegt. In diesem Zusammenhang hat das Amt für Landwirtschaft Parchim unter dem 16.08.2005 mitgeteilt, es könne nicht garantieren, dass eine Tauschfläche für die Sickergrube an seine Eigentumsfläche herangelegt werde, denn hierfür müsse ein anderer Eigentümer an dieser Stelle weichen. Es könne aber verbindlich zugesichert werden, alles zu versuchen, "denn sonst wäre ja der Sinn eines Bodenordnungsverfahrens in Frage gestellt". Eine solche Problemverlagerung ist im Bodenordnungsverfahren nicht zulässig. Allerdings hat ein Beteiligter im Bodenordnungsverfahren keinen Anspruch darauf, in bestimmter Lage abgefunden zu werden. Die Flurbereinigungsbehörde hat insoweit ein Planungsermessen. Dabei muss sie aber bei der Gestaltung der Landabfindung die betriebswirtschaftlichen Verhältnisse der Beteiligten gegeneinander abwägen und die in § 58 Abs. 1 Satz 2 LwAnpG genannten Umstände berücksichtigen (vgl. BVerwG, B. v. 24.02.1967 - IV B 63.66 - =RzF - 21 - zu § 44 Abs. 2 FlurbG). Dies setzt aber voraus, dass die betroffenen Belange der Beteiligten ermittelt werden und in die Abwägung eingestellt werden. Es bedarf daher der nachvollziehbaren Darlegung, dass unter Berücksichtigung der Zielsetzung des Bodenordnungsverfahrens nach § 3 LwAnpG eine Gestaltung der Abfindung nicht näher getreten werden soll, die für den betroffenen Beteiligten eine weitergehende Erfüllung der in § 58 Abs. 1 Satz 2 LwAnpG genannten Kriterien ermöglicht. Dabei kann auch dahinstehen, ob die Flurneuordnungsbehörde - wie die Beklagte vorträgt - die Entscheidung auf ein weiteres Flurneuordnungsverfahren verlagern darf. Selbst wenn man eine solche Problemverschiebung auf ein anderes Verfahren im Rahmen des Bodenordnungsverfahrens für möglich hielte, so setzt dies doch voraus, dass bereits im gegenwärtigen Planungsstadium absehbar ist, dass sich der offen gelassene Interessenkonflikt auch im Rahmen des nachfolgenden Verfahrens sachgerecht lösen lässt (vgl. BVerwG, U. v. 17.02.1984 - 4 B 191.83 -, BVerwGE 69, 30 <34 f>). Auch hierfür finden sich keine Darlegungen. Das zitierte Schreiben des Amtes für Landwirtschaft Wittenburg gibt hierfür jedenfalls keine Anhaltspunkte.