Flurbereinigungsgericht Greifswald, Urteil vom 06.09.1998 - 9 K 2/98 = RdL 1999 S. 73= AgrarR 1999 S. 262

Aktenzeichen 9 K 2/98 Entscheidung Urteil Datum 06.09.1998
Gericht Flurbereinigungsgericht Greifswald Veröffentlichungen RdL 1999 S. 73 = AgrarR 1999 S. 262  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Im Verfahren nach § 64 LwAnpG ist der Kreis der Beteiligten in § 56 Abs. 2 LwAnpG abschließend aufgezählt.
2. Ansprüche nach dem Sachenrechtsbereinigungsgesetz sind in Verfahren nach dem 8. Abschnitt des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes nicht unbeachtlich; sie sind vielmehr mitsamt den sie flankierenden Detailregelungen bei der Ermessensausübung der Flurbereinigungsbehörde zu beachten und bilden in der Regel für die Entscheidungsfindung maßgebliche Abwägungskriterien. Wenn es zur Erreichung der Ziele nach § 3, § 53 Landwirtschaftsanpassungsgesetzes geboten ist, kann und muß gegebenenfalls die Bodenneuordnungsbehörde von den Vorgaben des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes abweichen.

Aus den Gründen

Das Verfahren, das zur Aufstellung des Bodenordnungsplanes geführt hat, verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin ist zum Bekanntgabetermin ordnungsgemäß geladen worden; damit wurde ihr, wie schon im Laufe des Aufstellungsverfahrens, ordnungsgemäß rechtliches Gehör gewährt. Rechtlich nicht unbedenklich hingegen ist die Einbeziehung der Beigeladenen zu 1 in das Bodenordnungsverfahren. Zu beteiligen sind nach § 64, § 56 Abs. 2 LwAnpG die Eigentümer der zum Verfahrensgebiet gehörenden Grundstücke sowie die Inhaber des selbständigen Gebäudeeigentums, das Gegenstand der Bodenordnung ist und die Inhaber von Rechten an Grundstücken bzw. selbständigem Gebäudeeigentum im Verfahrensgebiet. Die weiteren Nebenbeteiligten aus § 56 Abs. 2 LwAnpG sind in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Der Kreis der Beteiligten ist damit abschließend aufgezählt. Im Verfahren nach § 64 LwAnpG ist daher nicht der Inhaber von persönlichen Rechten, die zum Besitz oder zur Nutzung von Grundstücken im Verfahrensgebiet berechtigen oder die Benutzung solcher Grundstücke beschränken (§ 10 Nr. 2 Buchst. d FlurbG), zu beteiligen. Die Beteiligtenbestimmung des § 56 Abs. 2 LwAnpG ist im Vergleich zu § 10 FlurbG enger; ein zwingender Grund zu einer an § 10 FlurbG orientierten erweiternden Auslegung besteht nicht. Die Beigeladene zu 1 war im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Bodenordnungsplanes bzw. des Widerspruchsbescheides aber (bloße) schuldrechtlich Berechtigte an den Gebäuden; eine dingliche Berechtigung an den Gebäuden und damit am Grundstück hatte sie nicht. Auch die vom Beklagten behauptete im Bodenordnungsverfahren von der Beigeladenen zu 2 zugunsten der Beigeladenen zu 1 abgegebene Verzichtserklärung führt zu keiner anderen Beurteilung der Rechtslage. Denn diese - in den Behördenakten nicht dokumentierte - Verzichtserklärung bedarf zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform (§ 64, (§ 63 Abs. 2 LwAnpG i.V.m. § 52 Abs. 2 Satz 1 FlurbG). Die Bestimmung des § 52 FlurbG ist hier anwendbar, da sich aus ihr (§ 52 Abs. 3 Satz 2 FlurbG) ergibt, daß auch zugunsten eines Dritten auf Landabfindung verzichtet werden kann; der Dritte erwirbt damit die Ansprüche des Verzichtenden aus dem Flurbereinigungsrecht und ist nicht gezwungen, sich von vornherein auf eine Geldabfindung verweisen zu lassen (vgl. Hessischer VGH, RzF - 25 - zu § 54 Abs. 2 FlurbG). Eine schriftliche Verzichtserklärung der Beigeladenen zu 2 zugunsten der Beigeladenen zu 1 liegt dem Senat erst mit Datum vom 26. August 1998 vor. Die Beteiligung der Beigeladenen zu 1 am Bodenordnungsverfahren dürfte damit objektiv rechtswidrig sein; eine Rechtsverletzung der Klägerin ist im hier allein zu entscheidenden Einzelfall aber nicht ersichtlich.

Der streitbefangene Bodenordnungsplan ist hinsichtlich der Neuordnung der Eigentumsverhältnisse materiell rechtmäßig.

§ 64 LwAnpG regelt nicht unmittelbar die Maßstäbe, nach denen über die Neuordnung der Eigentumsverhältnisse zu entscheiden ist, läßt aber über die Verweisung auf § 63 Abs. 2 LwAnpG und die dortige Verweisung auf das Flurbereinigungsgesetz erkennen, daß die Grundsätze des Flurbereinigungsrechts, wie sie insbesondere in § 37 FlurbG und speziell für das Verfahren nach § 64 LwAnpG in § 3 und § 53 Abs. 1 LwAnpG zum Ausdruck kommen, anzuwenden sind. Maßstab der Neuordnung ist das Ziel, unter Beachtung der Interessen der Beteiligten die Voraussetzungen für die Wiederherstellung leistungs- und wettbewerbsfähiger Landwirtschaftsbetriebe und Zusammenlegung zersplitterten und unwirtschaftlich geformten Grundbesitzes nach neuzeitlichen betriebswirtschaftlichen Grundsätzen zu schaffen (BVerwG, Urteil vom 07.09.1997 - RdL 1998, S. 158 = Buchholz 424.02 § 64 LwAnpG Nr. 1). Dies gilt insbesondere dann, wenn - wie hier - ein landwirtschaftlicher Betrieb am Verfahren beteiligt ist und die Neuordnung der Eigentumsverhältnisse beantragt hat.

Diese - noch recht unbestimmten und ein weites planerischen Ermessen einräumenden - Maßstabsregelungen werden jedenfalls für das Zusammenführungsverfahren des § 64 LwAnpG dadurch konkretisiert, daß für die gleiche Problematik außerhalb des ländlichen Raumes das Sachenrechtsbereinigungsgesetz detaillierte Regelungen bereithält, an denen die Neuordnung der Eigentumsverhältnisse auszurichten ist. Diese Regelungen sind allerdings nicht unmittelbar anwendbar, da das Sachenrechtsbereinigungsgesetz im Anwendungsbereich des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes ausdrücklich keine Ansprüche gewährt (§ 28 SachenRBerG) und das Landwirtschaftsanpassungsgesetz verdrängenden Vorrang genießt. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurteil vom 04.07.1996 - VIZ 1996, S. 675 = RdL 1997, S. 298), RzF - 1 - zu § 58 Abs. 2 LwAnpG bedeutet dies aber nicht, daß Ansprüche nach den Sachenrechtsbereinigungsgesetz unbeachtlich sind; sie sind vielmehr mitsamt den sie flankierenden Detailregelungen bei der Ermessensentscheidung der Flurbereinigungsbehörde zu beachten und in der Regel für die Entscheidungsfindung maßgebliche Abwägungskriterien. Wenn es zur Erreichung der Ziele nach § 3, § 53 LwAnpG geboten ist, kann und muß gegebenenfalls die Bodenneuordnungsbehörde von den Vorgaben des Sachenrechtsbereinigungsgesetzes abweichen.