Flurbereinigungsgericht Münster, Urteil vom 04.08.1971 - IX G 32/68
Aktenzeichen | IX G 32/68 | Entscheidung | Urteil | Datum | 04.08.1971 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Münster | Veröffentlichungen | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Flächen, die nach dem Flächennutzungsplan für Wohnzwecke oder für öffentliche Anlagen Verwendung finden sollen, können einem Flurbereinigungsverfahren unterworfen werden. |
2. | Die Einschränkung der freien Grundstücksnutzung durch § 34 Abs. 1 FlurbG hält sich im Rahmen der Sozialbindung und tastet das Grundrecht des Eigentums in seinem Wesensgehalt nicht an. |
3. | Der leitende technische Beamte und der ausführende technische Beamte sind befugt, einem Teilnehmer eine bestimmte Landabfindung zuzusagen. |
4. | Für die Frage der Wertgleichheit der Abfindung ist die Möglichkeit schädlicher Immissionseinwirkungen ohne Bedeutung. |
Aus den Gründen
Ob die zur Erfüllung des Abfindungsanspruches der Klägerin zwischen ihr und den Vertretern des örtlich zuständigen Flurbereinigungsamtes erzielte "Einigung" vom 7. März 1966 eine Zusage der Flurbereinigungsbehörde zur Wiederausweisung der alten Parzellen Nr. 93 und 95 innerhalb ihrer alten Grenzen darstellt, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Zwar ist die Behörde auch im Flurbereinigungsverfahren im Falle einer von ihr erteilten Zusage zu deren Erfüllung verpflichtet, wenn dieses dem Grundsatz des Vertrauensschutzes entspricht. Eine Zusage ist aber unverbindlich, wenn sie gegen ein gesetzliches Gebot verstößt, sonst rechtswidrig ist, oder der erklärende Beamte zu ihrer Erteilung nach seiner Stellung innerhalb der Behörde nicht befugt war (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Mai 1961, RdL 1961, S. 274).
Für das erkennende Gericht bestehen keine Bedenken, die bei der Verhandlung vom 7. März 1966 für die Flurbereinigungsbehörde aufgetretenen Beamten, nämlich den Regierungsvermessungsdirektor Sch. als dem damals leitenden technischen Beamten des örtlich zuständigen Flurbereinigungsamtes und den Oberregierungsvermessungsrat G. als ausführenden technischen Beamten der Flurbereinigung G., als befugt anzusehen, einem Flurbereinigungsteilnehmer eine hinreichend bestimmte Landabfindung zuzusagen. Einer solchen Zusage steht auch trotz des in ständiger Rechtsprechung entwickelten Rechtsgrundsatzes, daß kein Flurbereinigungsteilnehmer einen Anspruch darauf erheben kann, an einer bestimmten Stelle abgefunden zu werden oder bestimmte Grundstücke zugeteilt zu erhalten, kein gesetzliches Verbot entgegen. Die Aufstellung des Flurbereinigungsplans steht generell im freien Planungsermessen der Flurbereinigungsbehörde, das jedoch berücksichtigen muß, daß die Abfindung des einen Beteiligten nur einen Teil der zweckmäßigen Neugestaltung des gesamten Flurbereinigungsgebietes darstellt, die durch Zusagen weder erschwert noch unmöglich gemacht werden darf. Im Rahmen dieses Ermessensspielraumes ist die Zusage einer bestimmten Landabfindung dann zulässig, wenn durch sie der einem dritten Verfahrensteilnehmer zustehende Anspruch auf eine dem Gesetz entsprechende Landabfindung nicht beeinträchtigt wird. Führt eine Zusage dagegen zur Benachteiligung eines anderen Beteiligten, ist sie rechtswidrig und daher unverbindlich.
Der Neugestaltungsauftrag aus § 37 Abs. 1 FlurbG bezieht sich somit auch auf dieses Teilgebiet. Durch ihn wird die Flurbereinigungsbehörde verpflichtet, dieses Teilgebiet unter Abwägung der gegenseitigen Interessen der Beteiligten und dem Wohl der Allgemeinheit entsprechend i.S. der Ziele eines Flurbereinigungsverfahrens neu zu ordnen. Nach § 37 Abs. 1 Satz 3 FlurbG wird eine solche Neuordnung durch bestehende Baugebietspläne, Bebauungspläne und ähnliche Planungen nicht gehindert. Es können daher Flächen einem Flurbereinigungsverfahren unterworfen und einer dem Flurbereinigungsgesetz entsprechenden Neugestaltung zugeführt werden, die nach einem Flächennutzungsplan für Wohnzwecke oder für öffentliche Anlagen Verwendung finden sollen. Es liegt dabei im Rahmen des Neugestaltungsauftrages, wenn in einem Flurbereinigungsverfahren Maßnahmen getroffen werden, die eine ordnungsgemäße bauliche Entwicklung einer Gemeinde erleichtern (vgl. BVerwG, Beschluß vom 28. Dezember 1960, RdL 1961, S. 80). Aus diesem Grunde kann es für die Zulässigkeit der Veränderung der Einlagegrundstücke Nr. 93 und 95 dahingestellt bleiben, ob im Zeitpunkt der Neugestaltung des Flurbereinigungsgebietes für diese Grundstücke nur die Möglichkeit einer landwirtschaftlichen oder gärtnerischen Nutzung bestanden hat oder ob sie in diesem Zeitpunkt der Möglichkeit einer Baulandentwicklung unterlagen. In jedem Falle ist bei bestehender Möglichkeit zur Baulandentwicklung eine im Flurbereinigungsverfahren nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten erfolgte Neugestaltung dieser Grundstücke einer solchen baulichen Entwicklung förderlich, (vgl. Urteil des erkennenden Flurbereinigungsgerichts vom 21. November 1968, OVGE Bd. 24, S. 285), auch wenn es zu der weiteren Erschließung und Neugestaltung noch der Durchführung eines späteren Umlegungsverfahrens nach den Bestimmungen des Bundesbaugesetzes vom 23. Juni 1960, BGBl. I 341, (BBauG) bedarf, weil die nach der Anspruchslage im Flurbereinigungsverfahren erfolgte Zusammenfassung der einzelnen Grundstückslagen nicht auszureichen braucht, um die für einen Bebauungsplan erforderliche engmaschige Erschließung herbeizuführen.
Die Klägerin kann auch damit nicht gehört werden, daß eine aus der Zusammenlegung der Gärtnereigrundstücke der Beigeladenen zu 2) zu erwartende Intensivierung der gärtnerischen Nutzung durch Einwirkung chemischer Bodenbegasungen nachteiligen und schädigenden Einfluß auf die Nutzung ihres angrenzenden Grundbesitzes nehmen werde. Es steht der Flurbereinigungsbehörde nicht zu, außerhalb eines im Flurbereinigungsverfahren gemäß § 37 FlurbG zu beachtenden, hier nicht gegebenen allgemeinen oder öffentlichen Interesses in die sich aus dem Grundeigentum ergebenden Befugnisse der Beigeladenen zu 2), ihr Grundstück nach Belieben zu nutzen, einzugreifen. Die befürchteten schädlichen Einwirkungen sind im Falle ihres Entstehens nicht auf die Gestaltung der den Beigeladenen zu 2) zugewiesenen Landabfindung zurückzuführen, sie finden vielmehr ggf. ihre Ursache in der Nutzungsausübung, deren Grenzen sich aus den bürgerlich-rechtlichen Bestimmungen über das Eigentum an Grundstücken ergeben. Auf die Wertgleichheit der Abfindung hat die Möglichkeit etwaiger schädlicher Immissionseinwirkungen aus dem benachbarten Gärtnereibetrieb jedenfalls keinen Einfluß.
Die mit der Veröffentlichung des Flurbereinigungsbeschlusses vom 14. April 1961 bekannt gegebene Einschränkung der freien Grundstücksnutzung, die u.a. die Errichtung von Einfriedigungen der Zustimmung der Flurbereinigungsbehörde unterwirft, findet im § 34 Abs. 1 Ziff. 2 FlurbG ihre gesetzliche Grundlage, hält sich im Rahmen der Sozialbindung, die dem Grundrecht des Eigentums von vornherein zugehörig ist, und tastet dieses in seinem Wesensgehalt nicht an, (vgl. Bayer.VerfGH, Beschluß vom 30. September 1959, Rechtsprechung zur Flurbereinigung, Flurbereinigungsdirektion München - RzF - 2 - zu § 34 Abs. 1 FlurbG). Die Bestimmung des § 34 FlurbG grenzt lediglich zeitweise während des Flurbereinigungsverfahrens den Inhalt des Eigentums im Interesse der Erreichung der Flurbereinigungsziele ab (vgl. Steuer, FlurbG, 2.Aufl., 1966 zu § 34, S. 203). Damit lösen zwar Nachteile, die durch die zeitweilige Einschränkung des Eigentums eines Teilnehmers an dem Flurbereinigungsverfahrens durch Versagung der flurbereinigungsbehördlichen Zustimmung zur Herstellung einer Einfriedigung entstehen, einen öffentlich-rechtlichen, gegen die Teilnehmergemeinschaft gerichteten Ausgleichsanspruch i.S. des § 51 FlurbG aus, da es sich um Nachteile vorübergehender Art handelt, die infolge der Durchführung der Flurbereinigung entstehen. Der die Flurbereinigung beherrschende Gemeinschaftsgedanke gebietet jedoch, daß die Teilnehmer alles Zumutbare unternehmen, um die der Teilnehmergemeinschaft und damit jedem einzelnen Teilnehmer aus der Erfüllung ihrer Aufgaben erwachsenden Belastungen möglichst einzuschränken. Dazu gehört die Verpflichtung eines Teilnehmers zu einer im Rahmen seiner Möglichkeiten stehenden sachgerechten und den Zielen der Flurbereinigung entsprechende Mitwirkung und zur Abwendung eigener durch die Flurbereinigung entstehender Nachteile (vgl. BVerwG, Beschluß vom 28. Oktober 1960, RdL 1961, S. 26, Beschluß vom 6. März 1961, RdL 1961, S. 137).