Flurbereinigungsgericht Münster, Urteil vom 08.05.1995 - 9 D 212/91.G = RdL 1995 S. 264 ff.
Aktenzeichen | 9 D 212/91.G | Entscheidung | Urteil | Datum | 08.05.1995 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Münster | Veröffentlichungen | = RdL 1995 S. 264 ff. | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Bei einer erheblichen Verkleinerung eines Flurbereinigungsgebietes nach § 8 Abs. 2 FlurbG hat die neue Gebietsabgrenzung ausschließlich nach Maßgabe des § 7 Abs. 1 Satz 2 FlurbG zu erfolgen. § 9 Abs. 1 FlurbG findet insoweit keine Anwendung. |
Aus den Gründen
Die Entscheidung nach § 8 Abs. 2 FlurbG ergeht sowohl bezüglich der Anordnung der Änderung als auch hinsichtlich der neuen Begrenzung des Flurbereinigungsgebietes nach pflichtgemäßem Ermessen der Behörde. Die gerichtliche Nachprüfung beschränkt sich demgemäß nach § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG i. V. m. § 114 VwGO nur auf die Frage, ob die entscheidungserheblichen Gesichtspunkte rechtlich und tatsächlich zutreffend erkannt und angemessen berücksichtigt worden sind oder ob die getroffene Entscheidung etwa auf Erwägungen beruht, die mit der gesetzlichen Regelung nicht in Einklang stehen oder die von der Rechtsordnung mißbilligt werden (vgl. BVerwG, Urteile vom 11.08.1983 - BVerwG 5 C 30.82 -, RdL 1983, 306, vom 22.03.1979 - BVerwG 7 C 33.78 -, DVBl. 1979, 877). Es kann dahinstehen, ob die Entscheidung, eine erhebliche Änderung des Gebietes vorzunehmen, in diesem Sinne ermessensgerecht ist. Insbesondere braucht nicht entschieden zu werden, ob insoweit auch die Voraussetzungen des § 9 FlurbG, der eine völlig andere Konstellation - die endgültige Einstellung des gesamten Verfahrens - im Auge hat, als Grundlage für die Entscheidung abgestellt werden darf und ob diese Vorausetzungen vorliegend tatsächlich gegeben sind. Jedenfalls ist die getroffene Gebietsabgrenzung fehlerhaft.
Von welchen Erwägungen sich die Behörde dabei hat leiten zu lassen, ergibt sich aus § 7 FlurbG, wonach das Flurbereinigungsgebiet so zu begrenzen ist, daß der Zweck der Flurbereinigung, wie er sich aus dem konkreten Flurbereinigungsbeschluß nach § 1 FlurbG ergibt, möglichst vollkommen erreicht wird (vgl. BVerwG, Beschluß vom 25.11.1988 - BVerwG 5 B 164.88 -, RzF - 32 - zu § 4 FlurbG; OVG Koblenz, Urteil vom 07.06.1979 - 9 C 14/78 -, RdL 1979, 264). Dabei ist unschädlich, daß § 7 FlurbG nicht ausdrücklich in § 8 Abs. 2 FlurbG erwähnt wird. Mit seiner Verweisung auf die § 4 bis § 6 FlurbG regelt die Vorschrift nur das Verfahren. Die materiellen Anforderungen für die Durchführung eines Flurbereinigungsverfahrens und damit für die Abgrenzung des Flurbereinigungsgebietes richten sich hingegen auch bei einer erheblichen Änderung gemäß § 8 Abs. 2 FlurbG nach den allgemeinen Vorschriften, insbesondere § 1 und § 7 FlurbG.
Entgegen der Auffassung des Beklagten kommt eine ergänzende entsprechende Anwendung des § 9 FlurbG nicht in Betracht. § 7 FlurbG läßt keine Regelungslücke erkennen, die durch § 9 FlurbG ausgefüllt werden müßte bzw. könnte. Denn die Norm, die nur die Einstellung eines Flurbereinigungsverfahrens regelt, kann denknotwendigerweise keine Vorgaben über eine neue Begrenzung eines Flurbereinigungsgebietes eines weiterzuführenden Verfahrens enthalten. Gegen eine entsprechende Anwendung des § 9 FlurbG spricht auch schon die bestehende Zuständigkeitsregelung nach § 2 Abs. 3 Satz 2 FlurbG i. V. m. § 1 Abs. 3 AGFlurbG NW. Denn über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 9 FlurbG hat ausschließlich die obere Flurbereinigungsbehörde zu entscheiden und nicht die Flurbereinigungsbehörde. Im übrigen bestünde bei einer entsprechenden Anwendung des § 9 FlurbG bei einer Verkleinerung des Gebietes die Gefahr, daß die hier maßgebliche Vorschrift des § 7 FlurbG umgangen oder gar mißachtet würde. Denn während die Gebietsabgrenzung nach § 7 FlurbG sich an dem größtmöglichen Erfolg der Flurbereinigung zu orientieren hat, kann die obere Flurbereinigungsbehörde nach § 9 FlurbG die Einstellung des Verfahrens anordnen, wenn ihr die Flurbereinigung infolge nachträglich eingetretener Umstände nicht zweckmäßig erscheint.
Ausgehend von den oben genannten Grundsätzen ist eine Gebietsabgrenzung als rechtswidrig anzusehen, die erkennbar nicht auf eine Abwägung aller für einen größtmöglichen Erfolg der Flurbereinigung im gesamten Planungsraum und für den einzelnen Beteiligten bedeutsamen Gesichtspunkte zurückgeht und sich als ungeeignet erweist, den Flurbereinigungserfolg zu fördern (vgl. BVerwG, Beschluß vom 26.10.1966 - BVerwG IV B 291.65 -, RdL 1967, 217).
Die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses hat zur Folge, daß das Flurbereinigungsverfahren im bisherigen Umfang fortzusetzen ist und gegenüber allen Beteiligten im Sinne des § 10 FlurbG ohne Rücksicht auf deren Beteiligung in diesem gerichtlichen Verfahren wirkt (vgl. BVerwG, Urteil vom 11.08.1983, a.a.O.).