Oberlandesgericht Rostock, Beschluss vom 19.05.2020 - 3 W 36/19 (Lieferung 2021)

Aktenzeichen 3 W 36/19 Entscheidung Beschluss Datum 19.05.2020
Gericht Oberlandesgericht Rostock Veröffentlichungen Lieferung 2021

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Die Flurbereinigungsbehörde ist zur Einlegung zur Einlegung einer Beschwerde gegen die Ablehnung ihres Antrags nach § 79 FlurbG auf Berichtigung des Grundbuchs berechtigt. (Redaktioneller Leitsatz)
2. Im freiwilligen Landtausch (§ 103 a FlurbG) ist ein Geldausgleich im Einzelfall nur neben dem Tausch erlaubt, soweit hierdurch ein Mehr- oder Minderausgleich geregelt werden soll. (Redaktioneller Leitsatz)
3. Das Grundbuchamt hat auch die Gesetzmäßigkeit jeder Eintragung und Löschung zu prüfen und alle im Einzelfall einschlägigen gesetzlichen Vorschriften materiell - und verfahrensrechtlicher, privat- und öffentlich-rechtlicher Art zu beachten. (Redaktioneller Leitsatz)
4. Hat das Grundbuchamt begründete Zweifel am wirksamen Vorliegen der materiellen Voraussetzungen, d.h. an einer eintretenden Grundbuchunrichtigkeit, dann ist die begehrte Grundbucheintragung nicht zu vollziehen. Das gilt auch für Ersuchen von Behörden gemäß § 38 GBO. (Redaktioneller Leitsatz)
5. Unrichtigkeit des Grundbuchs bei rechtsändernden Eintragungen liegt jedoch nur dann vor, wenn es an den sachenrechtlichen Voraussetzungen für den Eintritt der Rechtsänderung fehlt. Im Flurbereinigungsverfahren ist dies nur der Fall, wenn der Verwaltungsakt der Behörde, der dem Ersuchen des weiteren Beteiligten vorausging, nichtig ist (§ 44 VwVfG) (Redaktioneller Leitsatz).

Aus den Gründen

I.
Im Rahmen der Errichtung des Gewerbegebietes K. führte der weitere Beteiligte mit betroffenen Grundstückseigentümern sogenannte "Freiwillige Landtauschverfahren" gemäß § 103 a durch. Auch hinsichtlich des obigen Grundstückes wurde unter dem 06.12.2018 die Ausführung des Tauschplanes angeordnet und als Zeitpunkt des Eintritts des neuen Rechtszustandes und damit der rechtlichen Wirkung des Tauschplans der 01.01.2019 festgesetzt.


Mit Schreiben vom 30.01.2019 hat der weitere Beteiligte unter Hinweis auf § 79 FlurbG u.a. um die Berichtigung des obigen Grundbuchs ersucht. Das Ersuchen hat der weitere Beteiligte mit einem freiwilligen Landtausch im Zusammenhang mit dem Gewerbegebiet K. begründet. Die rechtlichen Wirkungen des Tauschplans seien eingetreten, die Ausführungsanordnung sei bestandskräftig.


Mit Zwischenverfügung vom 18.02.2019 hat das Amtsgericht W. - Grundbuchamt - dem weiteren Beteiligten mitgeteilt, dass nach Auffassung des Grundbuchamtes hier kein Landtausch im Sinne der Rechtsvorschrift vorliege, da ein erheblicher Geldausgleich ohne Landtausch erfolgt sei. Die Gemeinde H. beziehe Land, ohne ihrerseits Land abzugeben. Ein Tausch Land gegen Geld sei im Rahmen der Durchführung von Verfahren des freiwilligen Landtausches indes unzulässig. Es liege mithin ein nichtiger Vertrag vor, der ein Vergehen gem. § 379 AO darstelle, welches gem. § 134 BGB einem gesetzlichen Verbot entspreche. Das Grundbuch würde auf Grund der begehrten Eintragung unrichtig werden.


Der weitere Beteiligte hat in seiner Stellungnahme vom 26.02.2019 hierzu vorgetragen, dass es sich vorliegend um einen komplexen freiwilligen Landtausch nach §§ 103 a ff. FlurbG handele. Materielle Rechtsgrundlage sei die Ausführungsanordnung vom 06.12.2018. Diese und der Tauschplan selbst seien unanfechtbar. Infolge der Ausführungsanordnung sei der im Tauschplan vorgesehene neue Rechtszustand an die Stelle des bisherigen getreten. Das Grundbuch sei deshalb unrichtig. Gem. § 79 Abs. 1 FlurbG seien die öffentlichen Bücher auf Ersuchen der Flurbereinigungsbehörde nach dem Flurbereinigungsplan zu berichtigen. Die Anordnung zur Durchführung des freiwilligen Landtausches sei nicht nichtig. Die Voraussetzungen zur Anordnung hätten vielmehr vorgelegen. Die Durchführung des freiwilligen Landtausches sei auch zulässig gewesen. Die Ausweisung des Gewerbegebietes in H. gehe zu Lasten der dort weichenden Landwirtschaftsbetriebe, denen im Ergebnis des Landtausches in anderer Lage landwirtschaftliche Nutzflächen des Landes zugewiesen würden. Ein Fall der Steuergefährdung gem. § 379 AO sei nicht zu erkennen. Bereits die Tatbestände der Vorschrift würden vorliegend nicht greifen.


Das Amtsgericht - Grundbuchamt - hat den Antrag des weiteren Beteiligten mit Beschluss vom 04.03.2019 zurückgewiesen. Vorliegend liege ein unzulässiger Landtausch vor. Die Gemeinde H. habe kein Land in das Verfahren eingebracht und solle u. a. von den Eigentümern D. und F. jeweils Flurstücke gegen Zahlung eines hohen Geldbetrages erhalten. Durch eine Eintragung würde das Grundbuch, da dem ein gesetzliches Verbot entgegenstehe, unrichtig werden.


Hiergegen hat der weitere Beteiligte Beschwerde eingelegt. Die Flurbereinigungsbehörde sei befugt, dass Grundbuchamt um die begehrte Eintragung zu ersuchen. Gemäß § 79 FlurbG seien öffentliche Bücher auf Ersuchen nach dem Flurbereinigungsplan zu berichtigen, nachdem der neue Rechtszustand eingetreten sei. Das Grundbuchamt habe nicht zu prüfen, ob die flurbereinigungsrechtlichen Voraussetzungen des Ersuchens vorliegen.


Das Amtsgericht - Grundbuchamt - hat der Beschwerde im Wesentlichen nicht abgeholfen und diese dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.


II.


1.
Die Beschwerde ist nach § 71 Abs. 1 GBO zulässig, insbesondere ist der weitere Beteiligte zur Einlegung des Rechtsmittels berechtigt (vgl. Wingerter / Mayr, Flurbereinigungsgesetz, 10. Aufl., § 79, Rn. 12 m. w. N.). Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.


Zutreffend verweist das Amtsgericht - Grundbuchamt - allerdings darauf, dass zum einen ein Tausch Land gegen Geld unzulässig ist. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut des Gesetzes, in dem es um Fälle des freiwilligen Landtausches geht (vgl. Wingerter / Mayr, Flurbereinigungsgesetz, 10. Aufl., § 103 b, Rn. 5; Einführungserlass zur Handreichung für die Anordnung und Durchführung von Verfahren des freiwilligen Landtausches nach FlurbG und LwAnpG des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt M - V vom 18.07.2017, 1 - 3 /3). Ein Geldausgleich ist im Einzelfall nur neben dem Tausch erlaubt, soweit hierdurch ein Mehr- oder Minderausgleich geregelt werden soll. Ein solcher Fall liegt hier indes eigentlich nicht vor, da die Gemeinde H. selbst Land erhält, ohne eigenes Land einzubringen.


Zu Recht weist das Amtsgericht auch darauf hin, dass der freiwillige Landtausch nach § 103 a FlurbG der Verbesserung der Agrarstruktur dienen muss, woran Bedenken bestehen können, wenn Hintergrund - wie hier - eigentlich ein Infrastruktur- und Bauvorhaben ist (vgl. Wingerter / Mayr, Flurbereinigungsgesetz, 10. Aufl., § 103 a, Rn. 2).


Entgegen der Auffassung des weiteren Beteiligten hat das Grundbuchamt auch die Gesetzmäßigkeit jeder Eintragung und Löschung zu prüfen und alle im Einzelfall einschlägigen gesetzlichen Vorschriften materiell - und verfahrensrechtlicher, privat- und öffentlich-rechtlicher Art zu beachten (vgl. Meikel - Böttcher, GBO, 11. Aufl., § 19, Rn. 15). Hat das Grundbuchamt begründete Zweifel am wirksamen Vorliegen der materiellen Voraussetzungen, d.h. an einer eintretenden Grundbuchunrichtigkeit, dann ist die begehrte Grundbucheintragung nicht zu vollziehen (vgl. Meikel - Böttcher, GBO, 11. Aufl., § 19, Rn. 19; Demharter, GBO, 31. Aufl., § 18, Rn. 2 m. w. N.).


Das gilt auch für Ersuchen von Behörden gemäß § 38 GBO. Weiß das Grundbuchamt, dass es an den gesetzlichen Voraussetzungen fehlt, ist das Ersuchen einer Behörde zurückzuweisen, weil das Grundbuchamt nicht daran mitwirken darf, das Grundbuch unrichtig zu machen (vgl. Meikel- Krause, GBO, 11. Aufl., § 38, Rn. 15).Unrichtigkeit des Grundbuchs bei rechtsändernden Eintragungen liegt jedoch nur dann vor, wenn es an den sachenrechtlichen Voraussetzungen für den Eintritt der Rechtsänderung fehlt. Im Flurbereinigungsverfahren ist dies nur der Fall, wenn der Verwaltungsakt der Behörde, der dem Ersuchen des weiteren Beteiligten vorausging, nichtig ist (§ 44 VwVfG). Ein Verwaltungsakt (hier Tauschplan) ist nach § 44 Abs. 1 VwVfG M-V nichtig, wenn er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Nach der Rechtsprechung stellt sich die Rechtsfolge der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts als eine besondere Ausnahme von dem Grundsatz dar, dass ein Akt staatlicher Gewalt die Vermutung seiner Gültigkeit in sich trägt. Der dem Verwaltungsakt anhaftende Fehler muss diesen schlechterdings unerträglich, d. mit tragenden Verfassungsprinzipien oder der Rechtsordnung immanenten wesentlichen Wertvorstellungen unvereinbar erscheinen lassen. Der schwerwiegende Fehler muss darüber hinaus für einen verständigen Bürger offensichtlich sein. Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes ist daher nur dann anzunehmen, wenn die an eine ordnungsmäßige Verwaltung zu stellenden Anforderungen in so erheblichem Maße verletzt werden, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen (vgl. OVG Mecklenburg - Vorpommern, Urteil v. 11.02.2009 - 9 K 12/06-, zit. n. juris, Rn. 36 m. w. N. <= RzF - 17 - zu § 110 FlurbG>).


Dies vermag der Senat vorliegend nicht zu erkennen. Letztlich ist insoweit ein Landtausch erfolgt, als dem obigen Eigentümer zwar nicht von der Gemeinde H. Land zugewiesen worden ist, jedoch hat der obige Eigentümer landwirtschaftliche Nutzflächen vom Land bzw. von der Landgesellschaft erhalten. Sein Landwirtschaftsbetrieb hat hierdurch keine Einbußen erfahren, was im Falle eines notariellen Kaufvertrages so nicht der Fall gewesen wäre, da der obige Eigentümer dann nur Geld erhalten hätte. Zumindest insoweit hat das Verfahren damit auch der Sicherung des landwirtschaftlichen Betriebes des obigen Eigentümers als solchem und damit der Agrarstruktur gedient. Hierdurch ist nämlich verhindert worden, dass Landfläche reduziert und den arbeitskraftintensiven landwirtschaftlichen Betrieben entzogen worden ist (vgl. Einführungserlass zur Handreichung für die Anordnung und Durchführung von Verfahren des freiwilligen Landtausches nach FlurbG und LwAnpG des Ministeriums für Landwirtschaft und Umwelt M - V vom 18.07.2017, 1 - 3/3). Der Senat geht dabei davon aus, dass - wenn nicht im Wege des freiwilligen Landtausches - die Verfügungen der Betroffenen über ihre Grundstücke auch sonst erfolgt wären. Dass dem vorliegenden Landtausch der erkennbare Versuch zu Grunde lag, Grunderwerbssteuer, sowie Notar- und Grundbuchkosten zu umgehen, liegt für den Senat nicht auf der Hand. Das Gesamtkonzept des freiwilligen Landtausches diente vielmehr offenbar allein der Vereinfachung des Verfahrens, wobei sämtliche Beteiligte mit dem Verfahren einverstanden gewesen zu sein scheinen, denn Rechtsmittel sind von Beteiligten nicht eingelegt worden. Zwar teilt der Senat die Auffassung des Grundbuchamtes, dass Bedenken bestehen, inwieweit vorliegend die Voraussetzungen eines freiwilligen Landtausches nach § 103 a von dem weiteren Beteiligten tatsächlich in Gänze rechtsfehlerfrei beachtet worden sind (s.o.); allein die unrichtige Anwendung der in Frage kommenden Rechtsvorschriften stellt für sich genommen indes keine Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes dar (vgl. OVG Sachsen - Anhalt, Urteil v. 15.03.2011 - 8 K 8/09 -, zit. n. juris, Rn. 24 m. w. N. <= RzF - 17 - zu § 52 Abs. 1 FlurbG>).


2.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.