Flurbereinigungsgericht Magdeburg, Urteil vom 15.03.2011 - 8 K 8/09 (Lieferung 2013)

Aktenzeichen 8 K 8/09 Entscheidung Urteil Datum 15.03.2011
Gericht Flurbereinigungsgericht Magdeburg Veröffentlichungen Lieferung 2013

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Bei der Annahme eines Landverzichts, die die Behörde aktenkundig zu machen hat, handelt es sich um einen Verwaltungsakt, der zur Entstehung eines Geldabfindungsanspruchs gemäß § 52 Abs. 1 FlurbG erforderlich ist.
2. Die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes ist nur dann anzunehmen, wenn die an eine ordnungsmäßige Verwaltung zu stellenden Anforderungen in so erheblichem Maße verletzt werden, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen.

Aus den Gründen

1. Rechtlicher Ausgangspunkt für die Frage nach der Nichtigkeit des streitgegenständlichen Bescheides ist, da keiner der in § 44 Abs. 2 und 3 VwVfG besonders geregelten Fälle vorliegt, § 44 Abs. 1 VwVfG. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Besonders schwerwiegend im Sinne des § 44 Abs. 1 VwVfG sind dabei nur solche Rechtsfehler, die deshalb mit der Rechtsordnung unter keinen Umständen vereinbar sein können, weil sie tragenden Verfassungsprinzipien oder den der Rechtsordnung immanenten Wertvorstellungen widersprechen. Der schwerwiegende Fehler muss darüber hinaus für einen verständigen Bürger offensichtlich sein. Die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes ist daher nur dann anzunehmen, wenn die an eine ordnungsmäßige Verwaltung zu stellenden Anforderungen in so erheblichem Maße verletzt werden, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen. Dagegen ist die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes nicht schon deswegen anzunehmen, weil er einer gesetzlichen Grundlage entbehrt oder die in Frage kommenden Rechtsvorschriften unrichtig angewendet worden sind (vgl. BVerwG, Beschl. v. 11.05.2000 - BVerwG 11 B 26.00 -, zit. nach juris; Kopp/Ramsauer, VwVfG, 11. Aufl., § 44 RdNrn. 8 ff.).


Gemessen an diesen Maßstäben ist vorliegend ein besonders schwerwiegender und zudem offensichtlicher Fehler im Sinne von § 44 Abs. 1 VwVfG zu verneinen; insbesondere hat der Beklagte bei der Annahme der Landverzichtserklärung nicht offensichtlich außerhalb jeder Rechtsgrundlage gehandelt. Bei der Annahme eines Landverzichts, die die Behörde aktenkundig zu machen hat, handelt es sich um einen Verwaltungsakt, der zur Entstehung eines Geldabfindungsanspruchs gemäß § 52 Abs. 1 FlurbG erforderlich ist (vgl. BFH, Urt. v. 22.02.1974 - III R 34/73 -, zit. nach juris; Schwantag/Wingerter, FlurbG, 8. Aufl., § 52 RdNr. 5). Nach dieser Vorschrift kann ein Teilnehmer mit seiner Zustimmung statt in Land ganz oder teilweise in Geld abgefunden werden. Diese Zustimmung bedarf nach § 52 Abs. 2 Satz 1 FlurbG zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form. Nach § 52 Abs. 2 Satz 2 FlurbG kann sie nicht mehr widerrufen werden, wenn sie der Flurbereinigungsbehörde zugegangen oder in einer Verhandlungsniederschrift (§§ 129 bis § 131 FlurbG) aufgenommen worden ist. Das von den Beteiligten durchgeführte Landverzichtsverfahren erfolgte ebenfalls auf der Grundlage dieser rechtlichen Vorgaben, so dass von einer fehlenden gesetzlichen Grundlage nicht die Rede sein kann.


Allein die möglicherweise unrichtige Anwendung dieser Vorschriften, insbesondere der von dem Beklagten geltend gemachte Rechtsverstoß bei der Berechnung der Geldabfindung gemäß § 54 FlurbG, berechtigt indes nicht dazu, die in diesem Verfahren abgegebene Annahmeerklärung für nichtig zu erklären (BVerwG, Urt. v. 16.12.2010 - BVerwG 3 C 44.09 -; EuGH, Urt. v. 19.09.2006 - Rs. i-24 Germany und Arcor -, beide zit. nach juris). Auch kann nicht außer Betracht bleiben, dass die Beteiligten noch im Verwaltungsverfahren davon ausgegangen sind, dass Grundlage der Aufhebungsentscheidung des Beklagten und des Landesverwaltungsamts der Umstand gewesen ist, dass der Fluss Ilse auf einem Teil des Flurstücks 39/1 verlaufe und die betreffende Teilfläche von 1,5509 ha daher ein Gewässer erster Ordnung darstelle, das entsprechend den gesetzlichen Regelungen des § 71 Abs. 1 WG LSA im Eigentum des Landes stehe. Unabhängig davon, dass diese rechtliche Bewertung möglicherweise aufgrund der Regelung in § 71 Abs. 3 WG LSA einer eingehenden Prüfung bedurft hätte und schon deswegen die Annahme eines schwerwiegenden Fehlers fraglich gewesen sein dürfte, ist erst im Klageverfahren deutlich geworden, dass vorliegend nicht Wasser-, sondern Deichflächen und deren landwirtschaftliche Nutzung im Streit stehen. Damit ist aber den Erwägungen des Landesverwaltungsamts im Widerspruchsbescheid vom 24. Juni 2009 die tatsächliche Grundlage für die Nichtigkeitsfeststellung entzogen, so dass jedenfalls mit Blick auf die lange Zeit ungeklärten tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse von einer offensichtlichen Fehlerhaftigkeit der Annahme der Landverzichtserklärung nicht ausgegangen werden kann.