Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 01.03.2001 - 13 A 00.3230

Aktenzeichen 13 A 00.3230 Entscheidung Urteil Datum 01.03.2001
Gericht Flurbereinigungsgericht München Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Die Voraussetzungen der Planänderung nach § 64 FlurbG sind alternativ zu prüfen.
2. Die unterlassene Anmeldung eines Rechts nach § 14 Abs. 1 FlurbG vor der Aufstellung des Flurbereinigungsplans hat zur Folge, dass der Betreffende nicht als Nebenbeteiligter am Verfahren beteiligt wird und der Flurbereinigungsplan ohne Rücksicht auf sein Recht aufgestellt werden kann.

Aus den Gründen

Nachdem im Anschluss an die Besitzeinweisung zwischen dem Kläger und dem Beigeladenen P. keine Einigkeit über die Pachtverhältnisse an den neuen Flurstücken erreicht werden konnte, beantragte der Beigeladene P. mit Schreiben vom ... bei der beigeladenen Teilnehmergemeinschaft, den Pachtvertrag aufzulösen und eine Entschädigung auszusprechen, was diese mit Schreiben vom ... ablehnte.

Die von der beigeladenen Teilnehmergemeinschaft mit den Beteiligten mit dem Ziel einer einvernehmlichen Lösung geführten Verhandlungen blieben erfolglos.

Nach Erlass der vorzeitigen Ausführungsanordnung vom 15. Dezember 1995 (Rechtsübergang am 1. April 1996) ergänzte die Direktion für Ländliche Entwicklung ... den Flurbereinigungsplan nach § 64 des Flurbereinigungsgesetzes - FlurbG - wie folgt:

1.
An die Stelle der vom Besitzstand 17 (K.) an den Besitzstand 8 (P.) verpachteten Altflurstücke ... tritt als neue Pachtfläche das Abfindungsflurstück ... des Besitzstandes 17. Die Lagepläne der DLE ... sind Bestandteile dieser Verfügung.
2.
Der dem Pächter P. dadurch entstandene Nachteil, dass er in den Jahren 1994 mit 1997 von den Pachtflächen keinen vertragsgemäßen Gebrauch machen konnte, wird durch eine Geldzahlung der Teilnehmergemeinschaft an den Pächter in Höhe von insgesamt 15 511 DM ausgeglichen.
3.
Die Ausgleichszahlung nach Nr. 2 in Höhe von 15 511 DM hat der Besitzstand Nr. 17 der Teilnehmergemeinschaft zu erstatten.

Mit dem Stichtag der - vorzeitigen - Ausführungsanordnung kann die Flurbereinigungsbehörde den Flurbereinigungsplan nur ändern oder ergänzen, wenn öffentliche Interessen oder wichtige, nicht vorherzusehende wirtschaftliche Bedürfnisse der Beteiligten es erfordern oder wenn ihr eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung bekannt wird; die Tatbestandsvoraussetzungen sind hierbei alternativ zu prüfen. Die allein auf die erste Alternative gestützte Entscheidung hält indes der gerichtlichen Nachprüfung nicht stand.

Die Voraussetzungen des § 64 FlurbG sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eng auszulegen. Die dritte Alternative der Tatbestandsvoraussetzungen, nämlich das Bekanntwerden einer rechtskräftigen, die Plangestaltung berührenden gerichtlichen Entscheidung, zeigt, "wie intensiv das Korrekturerfordernis sein muss, um einem gerichtlichen Verpflichtungsausspruch gleich gesetzt zu werden" (BVerwGE 49, 176/183). Entsprechend darf nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts bei den beiden erstgenannten Alternativen eine Änderung oder Ergänzung des Flurbereinigungsplans nur in Erwägung gezogen werden, wenn die in § 64 FlurbG angeführten, als besonders wichtig anzusehenden Interessen eine solche Plankorrektur erfordern, sie also unumgänglich notwendig erscheinen lassen, "um die Neugestaltung so zu bewirken, wie es den gegeneinander abzuwägenden Interessen der Beteiligten entspricht und wie es das Wohl der Allgemeinheit erfordert" (BVerwG a.a.O., 181 ff.; BVerwG vom 29.4.1976 RzF - 11 - zu § 60 Abs. 1 FlurbG; vom 26.3.1981 RdL 1981, 180; vom 24.5.1989 RdL 1989, 183 = Agrarrecht 1990, 231; vom 10.11.1993 RdL 1994, 35). Hiervon ausgehend hat der Senat ein öffentliches Interesse immer dann bejaht, wenn der Bestand des Flurbereinigungsplanes wegen fehlender Übereinstimmung des Planungswillens mit den Flurbereinigungsausarbeitungen oder der Bestandteile des Flurbereinigungsplanes untereinander in Frage gestellt war (BayVGH vom 13.10.1977 RdL 1978, 181; vom 18.5.1995 - Nr. 13 A 94.3930), die Durchsetzung des Planungswillens eine Änderung oder Ergänzung des Flurbereinigungsplanes erforderte (BayVGH vom 27.11.1986 - Nr. 13 A 84 A.1300/13 A 85 A.2644), oder die Verteilung des sogenannten Masselandes (§ 54 Abs. 2 FlurbG) als Voraussetzung des Erlöschens der Teilnehmergemeinschaft mit der Schlussfeststellung notwendig war (BayVGH vom 9.7.1998 - Nr. 13 AS 98.867 - wenn auch nicht expressis verbis ausgeführt). Von einer derartigen Fehlerhaftigkeit (vgl. auch BayVGH vom 11.2.1988 Agrarrecht 1989, 137 = RdL 1988, 259) oder Ergänzungsbedürftigkeit, die eine Korrektur aus einem unumgänglichen öffentlichen Interesse erforderte, kann hier aber nicht ausgegangen werden.

Zunächst stand der Flurbereinigungsplan im Verfahren E. mit der Rechtslage im Einklang. Der öffentlich bekannt gemachte Flurbereinigungsbeschluss vom 25. April 1975 enthielt entsprechend § 14 Abs. 1 FlurbG die Aufforderung, Rechte, die zur Beteiligung am Flurbereinigungsverfahren berechtigen und nicht aus dem Grundbuch ersichtlich sind, innerhalb von drei Monaten bei der (damaligen) Flurbereinigungsdirektion ... anzumelden. Unter Rechte dieser Art fallen unzweifelhaft auch Pachtverhältnisse. Der ihn deshalb treffenden Aufforderung konnte der Beigeladene P. zwar fristgerecht nicht Folge leisten, da der vorgelegte Pachtvertrag vom 28. Dezember 1985 datiert; aber er ist der Aufforderung zur Anmeldung auch später nicht nachgekommen. Der Einwand des Beigeladenen P. in der mündlichen Verhandlung, im Dorf seien die Pachtverhältnisse bekannt gewesen und auch Vorstandsmitglieder der beigeladenen Teilnehmergemeinschaft hätten hiervon gewusst, reicht nicht. Aktenkundig und damit nachvollziehbar wird der Pachtvertrag mit dem Antrag des Beigeladenen P. vom 3. Dezember 1994. Die Bestimmung nach § 68 Abs. 2 FlurbG, welche neuen Flurstücke von Pachtverträgen zwischen Teilnehmern und Pächtern erfasst werden, leitet sich aus § 10 Nr. 2d FlurbG ab; Voraussetzung ist, dass die Pachtrechte angemeldet worden sind (vgl. Steuer, FlurbG, 2. Auflage, Bemerkung 4 zu § 68). Unterbleibt die rechtzeitige Anmeldung, bringt sich der Pächter selbst um seine entsprechende Verfahrensteilnahme und leidet der Flurbereinigungsplan, der eine Entscheidung nach § 68 Abs. 2 FlurbG nicht trifft, nicht an einem Fehler; oder anders ausgedrückt: Die unterlassene Anmeldung des Rechtes vor der Aufstellung des Flurbereinigungsplanes hatte zur Folge, dass der Beigeladene P. insoweit nicht als Nebenbeteiligter nach § 10 Nr. 2d FlurbG am Verfahren beteiligt wurde und der Flurbereinigungsplan ohne Rücksicht auf sein Recht aufgestellt werden konnte (BayObLG vom 30.10.1969 - RdL 1970, 18). Mit der verspäteten Anmeldung des Pachtvertrages kam der beigeladenen Teilnehmergemeinschaft zwar die Befugnis zu, diesen noch im Flurbereinigungsplan zu berücksichtigen (§ 14 Abs. 2 FlurbG); ausweislich ihres ablehnenden Schreibens vom 7. Februar 1995 nahm sie vom Vertrag auch Kenntnis, löste aber weder das Pachtverhältnis auf noch änderte oder ergänzte sie den Flurbereinigungsplan durch Bestimmung von Ersatzpachtflächen. Der später durch die DLE ... getroffenen Entscheidung fehlte aber die dann erforderliche Voraussetzung des zwingenden öffentlichen Interesses an der Änderung.

Dem Spruchausschuss ist zwar zuzugeben, dass die Flurbereinigungsbehörde - sei es auf Antrag (so Schwantag in Seehusen/Schwede, FlurbG, 7. Aufl., RdNr. 2 zu § 70 FlurbG), sei es von Amts wegen - nach § 68 Abs. 2 FlurbG Ersatzflächen zu bestimmen hat, die Bestimmung also als Rechtsentscheidung ihrem Gesetzesauftrag entspricht. Auch liegt es im öffentlichen Interesse, dass ein Verwaltungsakt in rechtmäßiger Form ergeht (BayVGH vom 13.10.1977, a.a.O.); jedoch reicht ein solches öffentliches Interesse allein nicht aus. Da die Teilnehmergemeinschaft nach § 60 Abs. 1 Satz 2 FlurbG bis zum Erlass der (vorzeitigen) Ausführungsanordnung von ihrer prolongierten planerischen Gestaltungsbefugnis Gebrauch machen kann, für erforderlich erachtete Änderungen des Flurbereinigungsplanes durchzuführen, tritt in der Verfahrensphase zwischen Planbekanntgabe und Erlass der Ausführungsanordnung so gesehen kein verbindlicher Rechtszustand ein. Kein Teilnehmer erlangt mit der Planaufstellung - bezogen auf seine Abfindung - Bestandsschutz. Erst die (vorzeitige) Ausführungsanordnung bringt ein Maß an Rechtssicherheit (BVerwG vom 19.9.1989 - RdL 1990, 44 = Agrarrecht 1990, 346 m.w.N.). Zwar kann diese Rechtssicherheit durch Entscheidungen nach § 64 FlurbG durchbrochen werden, nur muss dann über das öffentliche Interesse an der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsentscheidung hinaus ein unumgängliches Interesse an der Änderung oder Ergänzung des Flurbereinigungsplanes hinzutreten. Wollte man das öffentliche Interesse am rechtmäßigen Verwaltungshandeln genügen lassen, würde die mit der Ausführungsanordnung erstrebte Rechtssicherheit gerade nicht erreicht. Deshalb kann nicht jeder Fehler des Flurbereinigungsplanes zur Änderung nach § 64 FlurbG führen; nach dieser Bestimmung muss vielmehr das öffentliche Interesse die ändernde Regelung "erfordern".

Davon kann hier nicht ausgegangen werden, denn derart gewichtige Gründe für eine Änderung lassen sich nicht erkennen. Das Flurbereinigungsgesetz gibt nicht nur den Behörden Aufgaben und Entscheidungsbefugnisse, sondern legt dem einzelnen Teilnehmer Mitwirkungsmöglichkeiten und -pflichten auf, denen er während des Verfahrens innerhalb der jeweiligen Abschnitte nachkommen muss: So hat er Rechte und sonstige Ansprüche anzumelden, kann er Einwendungen geltend machen oder Rechtsmittel erheben. Im vorliegenden Fall war es Sache des Klägers, seinen Pachtvertrag nach § 14 FlurbG bei der beigeladenen Teilnehmergemeinschaft anzumelden. Dies hat er, wie ausgeführt, zunächst versäumt, weshalb der Flurbereinigungsplan insoweit Regelungen weder nach § 68 Abs. 2 FlurbG noch nach § 70 FlurbG enthielt. Gerade § 14 FlurbG wie auch die vorgenannten Bestimmungen machen deutlich, dass sich der Teilnehmer selbst um die Beachtung seiner Rechte bemühen muss. Als der Beigeladene P. mit Schreiben vom 3. Dezember 1994 die Anmeldung nachholte und zugleich wie mit dem weiteren Schreiben vom 1. März 1995 Änderungen begehrte, die gegebenenfalls als (verspäteter) Widerspruch gegen den Flurbereinigungsplan oder als Antrag auf Ergänzung nach § 60 Abs. 1 Satz 2 FlurbG gewertet werden könnten, und die beigeladene Teilnehmergemeinschaft dem Begehren nicht nachkam, blieb der Beigeladene untätig und wandte sich weder durch Anrufung des Gerichts gemäß § 142 Abs. 2 FlurbG hiergegen noch ging er gegen die vorzeitige Ausführungsanordnung vom 15. Dezember 1995 vor. Die der DLE ... eingeräumte Befugnis, auch noch nach der Ausführungsanordnung den Flurbereinigungsplan zu ändern, befreite den Beigeladenen nicht von seiner Verpflichtung, seine Rechte und Ansprüche rechtzeitig in dem jeweils dafür im Flurbereinigungsgesetz vorgesehenen Verfahrensstadium geltend zu machen (BVerwG vom 25.5.1972 - RdL 1972, 298). In dem Maße, in dem ein Teilnehmer seine Mitwirkungsrechte und -pflichten vernachlässigt und seine eigenen Ansprüche hintanstellt, kann nicht stattdessen ein öffentliches Interesse für eine unumgänglich notwendige Änderung des Flurbereinigungsplanes erwachsen.

Materiell-rechtliche Ansprüche des Beigeladenen werden hierdurch nicht in unvertretbarer Weise vernachlässigt, insbesondere erlischt das Pachtrecht nicht; es bleibt in dem Umfang, in dem es begründet wurde, bestehen. Der Beigeladene ist nicht gehindert, seine Rechte aus dem Pachtvertrag außerhalb des Flurbereinigungsverfahrens geltend zu machen (BayObLG, a.a.O.). In welcher Weise sich der Flurbereinigungsplan auf das Pachtrecht auswirkt, braucht hier nicht untersucht zu werden. Nach Heckenbach (RdL 1956, 121) kann der Pächter analog §§ 281, 323 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB - verlangen, dass der Verpächter ihm die nach dem Pachtvertrag zustehende Nutzung an der für die Pachtgrundstücke zugeteilten Landabfindung gewährt. Das Bayerische Oberste Landesgericht will bei einem Weiderecht den in den §§ 1023, 1024 BGB zum Ausdruck kommenden Rechtsgedanken heranziehen ( BayObLG, a.a.O.).

Die Behörden haben die zweite Alternative des § 64 FlurbG nicht geprüft. Aus dem Vorstehenden ergibt sich aber, dass auch das weitere alternativ zu prüfende Merkmal der wichtigen, nicht vorherzusehenden wirtschaftlichen Bedürfnisse des Beigeladenen nicht zu bejahen ist. Ob wichtige wirtschaftliche Bedürfnisse vorliegen, beurteilt sich nach den Besonderheiten des Einzelfalles, ebenso, ob diese Bedürfnisse nicht vorherzusehen waren und (deshalb) in die Plangestaltung nicht mit einbezogen wurden. Für die begehrte Plankorrektur kommt es zwar auf die Vorhersehbarkeit seitens des Vorstandes der beigeladenen Teilnehmergemeinschaft an, sie relativiert sich aber in dem Umfang, in dem der betroffene Beteiligte seine Mitwirkungspflicht wahrgenommen bzw. vernachlässigt hat (BVerwG vom 26.3.1981 a.a.O.). Werden Beanstandungen eines Beteiligten gegen den Flurbereinigungsplan nicht rechtzeitig vorgetragen, dann ist er damit ausgeschlossen (§ 59 Abs. 2, Abs. 5 FlurbG), sofern nicht spätere Erklärungen nach § 134 Abs. 2, Abs. 3 FlurbG zugelassen werden. Aus diesem Rechtsgedanken heraus wird die Flurbereinigungsbehörde nach der Ausführungsanordnung eine nachträgliche Planergänzung dann ablehnen müssen, wenn die insoweit geltend gemachten wirtschaftlichen Interessen für den Betroffenen vorhersehbar waren und rechtzeitig hätten in das Verfahren eingebracht werden können (BVerwG vom 26.3.1981, a.a.O.). Mithin ist auch unter dieser rechtlichen Betrachtung - wie oben ausgeführt - darauf abzustellen, dass der Beigeladene sein Pachtverhältnis nicht angemeldet und nach der verspäteten Anmeldung seine aus dem Vertrag hergeleiteten Rechte nicht sachgerecht weiterverfolgt hat. Das in § 64 FlurbG normierte Tatbestandsmerkmal der Nichtvorhersehbarkeit nötigte den Beigeladenen P. durch Anmeldung seiner Rechte am Flurbereinigungsverfahren mitzuwirken und seine Ansprüche in dem im Flurbereinigungsgesetz vorgesehenen Verfahrensabschnitt geltend zu machen. Mangels derartigen Vorgehens verbietet es sich, in Anwendung des § 64 FlurbG von einer Nichtvorhersehbarkeit auszugehen.

Aus diesen Gründen ist der Klage stattzugeben und der angefochtene Bescheid in der Fassung des Widerspruchsbescheides aufzuheben. Die in Ziffern 2 und 3 des Ausgangsbescheides angeordneten Ausgleichszahlungen teilen als Folgeanordnungen zu Ziffer 1 deren rechtliches Schicksal; insoweit kommt ihnen keine eigenständige Bedeutung zu. Im Übrigen fehlt auch diesen, auf § 51 Abs. 1 und Abs. 2 FlurbG gestützten Regelungen das in § 64 FlurbG vorausgesetzte öffentliche Interesse.