Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 15.01.2004 - 13 A 03.858 (Lieferung 2005)

Aktenzeichen 13 A 03.858 Entscheidung Urteil Datum 15.01.2004
Gericht Flurbereinigungsgericht München Veröffentlichungen Lieferung 2005

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Über die Landabfindung in rechnerischer und tatsächlicher Hinsicht wird ausschließlich im Flurbereinigungsplan entschieden; die (vorzeitige) Ausführungsanordnung bestimmt nur, wann der neue Rechtszustand eintritt.

Aus den Gründen

Nach § 63 Abs. 1 FlurbG kann die Ausführung des Flurbereinigungsplanes vor seiner Unanfechtbarkeit angeordnet werden, wenn die Flurbereinigungsbehörde verbliebene Widersprüche gemäß § 60 Abs. 2 FlurbG der oberen Flurbereinigungsbehörde vorgelegt hat und aus einem längeren Aufschub der Ausführung voraussichtlich erhebliche Nachteile erwachsen würden. Dabei bestimmt die vorzeitige Ausführungsanordnung nur, wann der neue Rechtszustand eintritt. Wie dieser Rechtszustand aussieht, regelt allein der Flurbereinigungsplan (vgl. Schwantag in Seehusen/Schwede, FlurbG, 7. Aufl. 1997, RdNr. 3 zu § 63).

Die Voraussetzungen des § 63 Abs. 1 FlurbG sind gegeben. Zum Zeitpunkt des Erlasses der vorzeitigen Ausführungsanordnung lagen die verbliebenen Widersprüche der oberen Flurbereinigungsbehörde vor; soweit sie von den Klägern erhoben worden waren, waren bereits Widerspruchsbescheide ergangen und Klagen anhängig. Mittlerweile sind alle von den Klägern angestrengten Verfahren rechtskräftig beendet. Als weitere Voraussetzung sieht § 63 Abs. 1 FlurbG vor, dass aus einem längeren Aufschub der Ausführung voraussichtlich erhebliche Nachteile erwachsen würden. Auch das ist der Fall, da sich der Eintritt des neuen Rechtszustandes für alle verzögern und der Grundstücksverkehr behindert würde. Dadurch könnte die Mehrheit der zufriedenen Teilnehmer u.a. Schaden dadurch erleiden, dass z.B. Kreditinstitute die für Investitionen notwendige Darlehen auf den alten, u.U. in der Natur durch die vorläufige Besitzeinweisung nach § 65 FlurbG verschwundenen Grundstücke nur ungern oder gar nicht sichern (vgl. BVerwG vom 4.11.1959 BVerwGE 9, 288 = RdL 1959, 330). Der neue Rechtszustand ist auch deswegen besonders dringlich, weil das Flurbereinigungsgesetz im Gegensatz zu § 76 Baugesetzbuch - BauGB - keine Vorabregelung des Eigentums für Teilgebiete erlaubt (Schwantag in Seehusen/Schwede, a.a.O., RdNr. 1 zu § 63). Nach Erlass der vorzeitigen Ausführungsanordnung und der Grundbuchberichtigung § 79 FlurbG) kann über die neuen Grundstücke problemlos verfügt werden. Damit lag es im Interesse der Gesamtheit der Beteiligten des Verfahrens, den neuen Rechtszustand baldmöglichst eintreten zu lassen und die Eigentumsverhältnisse den Besitzverhältnissen anzupassen.

Die DLE hat, nachdem die Voraussetzungen des § 63 Abs. 1 FlurbG vorlagen, von dem ihr in dieser Bestimmung eingeräumten Ermessen fehlerfrei Gebrauch gemacht. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist klargestellt, dass dabei unter sorgfältiger Prüfung aller Umstände die Vor- und Nachteile gegeneinander abzuwägen sind, die sich aus dem vorzeitigen Eintritt der rechtlichen Wirkung der Flurbereinigung ergeben. Die Zahl und die Bedeutung noch nicht entschiedener Beschwerden und die Möglichkeit, dass dadurch eine Änderung des Flurbereinigungsplanes erforderlich werden kann, sind in Betracht zu ziehen (BVerwG vom 16.1.1962 RdL 1962, 107; vom 17.1.1978 RzF - 8 - zu § 63 Abs. 1 FlurbG; vgl. auch BayVGH vom 11.1.1977 RdL 1977, 271). Dabei würden nur schwerwiegende Eingriffe gegen die Abfindung, die einschneidende Auswirkungen auf den Flurbereinigungsplan zur Folge haben können, zu Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der vorzeitigen Ausführungsanordnung oder an dem Zeitpunkt, in dem sie wirksam werden soll, führen. Im Übrigen sind Einwendungen gegen die Abfindung im Prozess gegen eine vorzeitige Ausführungsanordnung grundsätzlich nicht zu beachten (BVerwG vom 17.1.1978 a.a.O. und vom 21.3.1978 RzF - 11 - zu § 63 Abs. 1 FlurbG).

Anhaltspunkte, dass die Vor- und Nachteile, die sich aus dem vorzeitigen Eintritt der rechtlichen Wirkungen des Flurbereinigungsplanes ergeben, nicht durch Prüfung aller Umstände gegeneinander abgewogen wären, liegen nicht vor. Dabei ging die DLE zum einen zu Recht davon aus, dass das von den Klägern gegen den Flurbereinigungsplan eingelegte - mittlerweile rechtskräftig abgewiesene - Rechtsmittel keine gravierenden Auswirkungen auf den Flurbereinigungsplan befürchten ließ, insbesondere sich keine schwerwiegenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des Flurbereinigungsplanes in seiner Gesamtheit aufdrängten (vgl. BayVGH vom 11.1.1977 a.a.O.). Zum anderen wurde den Klägern die Verfolgung ihrer Rechte durch die vorzeitige Ausführungsanordnung nicht unmöglich gemacht, da im Rechtsmittelverfahren hinsichtlich des Flurbereinigungsplanes etwa sich als notwendig erweisende Planänderungen trotz der vorzeitigen Ausführungsanordnung durchgeführt werden können (vgl. § 63 Abs. 1 FlurbG). Die Möglichkeit, dass aufgrund einer verbliebenen Klage der Flurbereinigungsplan hinsichtlich der Abfindung mehrerer Teilnehmer geändert werden muss, stellt keinen Anhaltspunkt für die Fehlerhaftigkeit des Planes insgesamt dar. Vielmehr sieht § 63 Abs. 2 FlurbG vor, dass eine Änderung des vorzeitig ausgeführten Flurbereinigungsplanes in rechtlicher Hinsicht auf den in der Ausführungsanordnung festgesetzten Zeitpunkt zurückwirkt.

Keinen Bedenken begegnet auch, dass der Beklagte im Rahmen seines Ermessens das Interesse der übrigen Verfahrensteilnehmer an der baldmöglichen Ausführung des Flurbereinigungsplanes höher bewertete als das Interesse an einer unanfechtbaren Entscheidung über das Rechtsmittel der Kläger gegen den Flurbereinigungsplan. § 63 FlurbG soll gerade verhindern, dass Rechtsmittel gegen die Abfindung den neuen Rechtszustand für alle verzögern, da die Mehrheit der zufriedenen Teilnehmer dadurch Schaden erleiden kann.

Der Vortrag der Kläger hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der vorzeitigen Ausführungsanordnung betrifft ausschließlich den Flurbereinigungsplan. Kern der Begründung ist, dass die den Klägern mit dem Flurbereinigungsplan zugeteilten Flächen zwar (in den schriftlichen Ausarbeitungen) zahlenmäßig richtig, in der Natur aber nicht vorhanden sind. Über die Landabfindung in rechnerischer und tatsächlicher Hinsicht wird aber ausschließlich im Flurbereinigungsplan entschieden. Dieser bestimmt, wie das Flurbereinigungsgebiet tatsächlich und rechtlich neu gestaltet wird (Schwantag in Seehusen/Schwede, a.a.O., RdNr. 1 zu § 58). Der Flurbereinigungsplan legt die Planausführung inhaltlich fest. Dabei ist für die Grenzziehung der neuen Grundstücke im Flurbereinigungsplan die Abfindungskarte maßgebend (BayVGH vom 3.3.1988 Az. 13 A 87.03456). Die Darstellungen der Grenzen in den Karten zeigen die neugeordneten Eigentumsgrenzen auf der Grundlage des dazugehörigen flurbereinigungstechnischen und vermessungstechnischen Rechenwerkes. Sie sind maßgebend für den Umfang des Eigentums. Über die Rechtmäßigkeit des Flurbereinigungsplanes ist jedoch mit Urteilen vom 11. November 1999 rechtskräftig entschieden (Az. 13 A 97.1298 sowie 13 A 99.2832/13 A 99.2834). Die gegen die Nichtzulassung der Revision in den Urteilen erhobenen Beschwerden wurden vom Bundesverwaltungsgericht verworfen. Eine Änderung des Flurbereinigungsplanes vom 15. Juni 2000 wurde mit rechtskräftigem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs vom 10. April 2003 aufgehoben (Az. 13 A 01.2550). Weitere etwaige Änderungen des Flurbereinigungsplanes sind jedenfalls nicht rechtsmittelfähig bekannt gegeben worden. Damit ist weiterhin der Flurbereinigungsplan, wie er den Urteilen vom 11. November 1999 zu Grunde lag, maßgeblich. Die klägerischen Bedenken können daher die Rechtmäßigkeit der vorzeitigen Ausführungsanordnung vom 5. November 2001 nicht berühren.