Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 17.01.1978 - 5 CB 84.74
Aktenzeichen | 5 CB 84.74 | Entscheidung | Beschluss | Datum | 17.01.1978 |
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Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Einwendungen gegen die Wertermittlung und die Abfindung sind im Rahmen einer vorzeitigen Ausführungsanordnung grundsätzlich nicht zu beachten. Nur schwerwiegende Angriffe gegen die Abfindung können Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der vorzeitigen Ausführungsanordnung oder den Zeitpunkt, in dem sie wirksam werden soll, begründen. |
2. | Der für die vorzeitige Ausführungsanordnung geltende Grundsatz, daß der Zeitpunkt des Rechtsübergangs nur einheitlich für alle Grundstücke des Verfahrensgebietes festgesetzt werden kann, verbietet es, wegen ihrer Baulandeigenschaft noch im Streit befindliche Einlageflurstücke von der einheitlichen Rechtswirkung der Ausführungsanordnung auszunehmen. |
3. | Zum Ersuchen um Grundbuchberichtigung. |
Aus den Gründen
Die Revision der Kläger ist unzulässig.
Soweit die Kläger die Auslegung des § 63 FlurbG durch das Flurbereinigungsgericht angreifen, haben sie eben keine grundsätzliche Bedeutung der Sache dargetan. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist klargestellt, daß die Flurbereinigungsbehörde im Rahmen der ihr nach § 63 Abs. 1 FlurbG obliegenden Ermessensentscheidung unter sorgfältiger Prüfung aller Umstände die Vor- und Nachteile gegeneinander abwägen muß, die sich aus dem vorzeitigen Eintritt der rechtlichen Wirkung der Flurbereinigung ergeben. Dabei sind die Zahl und die Bedeutung noch nicht entschiedener Beschwerden und die Möglichkeit, daß dadurch eine Änderung des Flurbereinigungsplans erforderlich werden kann, in Betracht zu ziehen (Beschluß vom 27. Februar 1958 - BVerwG I C 93.56 (RdL 1959, 26); Urteil vom 16. Januar 1962 - BVerwG I C 6.60 - (RdL 1962, 107), beide Entscheidungen ergangen zu der vergleichbaren Rechtslage nach der Reichsumlegungsordnung). Einwendungen gegen die Schätzung der Bodenwerte und gegen die Abfindung sind dagegen im Rahmen einer Anordnung nach § 63 Abs. 1 FlurbG grundsätzlich nicht zu beachten. Nur schwerwiegende Angriffe gegen die Abfindung können Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der vorzeitigen Ausführungsanordnung oder gegen den Zeitpunkt, in dem sie wirksam werden soll, begründen (Beschluß vom 23. Februar 1961 - BVerwG I CB 143.60 -). Für den Erlaß der vorzeitigen Ausführungsanordnung durch die Flurbereinigungsbehörde reicht es aus, wenn diese die verbliebenen Beschwerden geprüft und nach § 60 Abs. 2 FlurbG der oberen Flurbereinigungsbehörde vorgelegt hat, was im vorliegenden Fall geschehen war. Von dieser Rechtsprechung ist das Flurbereinigungsgericht ausgegangen. Es hat festgestellt, daß nur noch die Verfahren der Kläger anhängig gewesen seien, während sich die überwiegende Mehrheit der Teilnehmer mit ihrer Abfindung zufriedengegeben habe. Ferner hat es überprüft, ob die Kläger mit ihren damals noch anhängigen Klagen gewichtige Gründe gegen die Abfindung vorgebracht hätten und hat diese Frage verneint. Die Ausführungen hierzu sind einzelfallbezogen und lassen keine darüber hinausgehende Bedeutung erkennen.
Mit ihrer Rüge, bei einem Streit über die Baulandeigenschaft von Einlageflurstücken dürfe der Rechtsübergang nicht vor dem Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung hierüber festgesetzt werden, haben die Kläger ebenfalls keine grundsätzliche Bedeutung der Sache dargetan. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist geklärt, daß für die Beurteilung der Wertgleichheit von Einlage und Abfindung der in der Ausführungsanordnung festgelegte Zeitpunkt des Rechtsübergangs maßgeblich ist und daß dieser Grundsatz auch für die vorzeitige Ausführungsanordnung gilt (Urteil vom 15. März 1973 - BVerwG V C 8.72 (Buchholz 424.01 § 19 Nr. 9)). Der Zeitpunkt des Rechtsübergangs kann dabei nur einheitlich für alle Grundstücke des Verfahrensgebiets festgesetzt werden; bei einer vorzeitigen Anordnung also auch für die angefochtenen Festsetzungen (BVerwGE 12, 341; Urteil vom 16. Januar 1962 - BVerwG I C 6.60 - (RdL 1962, 107; 109)). Es bestand deshalb, was die Kläger verkennen, keine rechtliche Möglichkeit, die Flurstücke, auf die sich ihre Planklage bezog, von den Wirkungen der vorzeitigen Ausführungsanordnung auszunehmen. Ob der Zeitpunkt des Rechtsübergangs so gewählt werden muß, daß während des Flurbereinigungsverfahrens voraussichtlich eintretende Werterhöhungen den Einlegern zugute kommen, bedarf in dem hier vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Flurbereinigungsgerichts bestand kein Anlaß zur Annahme, für die von den Klägern eingebrachten Grundstücke werde sich zwischenzeitig eine Verwertungsmöglichkeit als Bau- oder Bauerwartungsland ergeben.
Unbegründet ist auch die Beschwerde des Beklagten.
Die von dem Beklagten für grundsätzlich bedeutsam gehaltene Rechtsfrage, ob das Gebot des § 79 Abs. 2 FlurbG, Rechtsänderungen, die durch Beschwerden gegen den Flurbereinigungsplan berührt werden, von dem Ersuchen um Grundbuchberichtigung auszunehmen, dem Schutz des einzelnen Teilnehmers dient, ist nicht klärungsbedürftig. Dem Anspruch des Teilnehmers gegenüber der Flurbereinigungsbehörde, daß diese das Grundbuchamt um Berichtigung des Grundbuchs hinsichtlich der ihm durch die vorzeitige Ausführung des Plans neu zugewiesenen Grundstücke ersucht (§ 82 Abs. 1 FlurbG), entspricht auf der anderen Seite das Recht des Teilnehmers, der sich gegen den Verlust seiner Einlageflurstücke wendet, hinsichtlich dieser Grundstücke von der Grundbuchberichtigung einstweilen ausgenommen zu werden. Nur so kann der Zweck des § 79 Abs. 2 FlurbG voll erreicht werden, den bisherigen Eigentümer vor Verfügungen des Zuteilungsempfängers über Grundstücke, hinsichtlich deren noch ein Abfindungsstreit schwebt, zu schützen. Solange das Grundbuch noch nicht dem durch den Erlaß der Ausführungsanordnung bewirkten Eintritt des neuen Rechtszustandes angepaßt ist, befindet sich der bisherige Eigentümer in einer günstigeren Rechtsposition als nach Eintragung der Rechtsänderung, wenn er bei Erfolg seiner Planbeschwerde seine Einlageflurstücke behalten will. Denn der Zuteilungsempfänger kann ohne Berichtigung des Grundbuchs zwar als neuer Eigentümer die ihm zugeteilten Parzellen veräußern oder belasten; eine grundbuchliche Verfügung über den neuen Grundbesitz kann aber erst erfolgen, wenn auf Veranlassung der Behörde das Grundbuch berichtigt ist (vgl. hierzu BVerwGE 9, 288 (293)). Bei dieser Interessenlage kann kein Zweifel bestehen, daß die Regelung des § 79 Abs. 2 FlurbG neben dem vom Beklagten hervorgehobenen öffentlichen Interesse, wiederholte Berichtigungen des Grundbuchs zu vermeiden, auch dazu dient, den bisherigen Eigentümer, der um die unveränderte Zuweisung seines bisherigen Besitzstandes kämpft, nicht schon vor rechtskräftiger Entscheidung über seine Planbeschwerde vor vollendete Tatsachen zu stellen.
Ebenfalls keiner grundsätzlichen Klärung bedarf in dem vorliegenden Verfahren die Frage, ob das Ersuchen um Grundbuchberichtigung ein Verwaltungsakt oder lediglich ein interner Verwaltungsvorgang zwischen der Flurbereinigungsbehörde und dem Grundbuchamt ist, dem keine Regelungsfunktion zukommt. Von der Beantwortung dieser Frage hängt die Zulässigkeit des von den Klägern nach Erledigung ihrer Klage auf Rücknahme des Berichtigungsersuchens verfolgten Feststellungsbegehrens nicht ab. Dem Beklagten ist zwar zuzugeben, daß gegen die Auffassung des Flurbereinigungsgerichts, die im Bereich erledigter "Verwaltungsakt-Klagen" (Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen) geltende Regelung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO - Zulässigkeit sogenannter "Fortsetzungsfeststellungsklagen" - sei auch auf erledigte allgemeine Leistungsklagen entsprechend anzuwenden, erhebliche Bedenken bestehen. Der vorliegende Rechtsstreit gibt indessen keine Veranlassung, hierzu näher Stellung zu nehmen. Mag auch für die Feststellungsklage der Weg des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO hier nicht gegeben gewesen sein, so wäre sie hier doch bereits nach § 43 Abs. 1 VwGO zulässig. Mit einer solchen Feststellungsklage kann nämlich auch eine Entscheidung des Inhalts begehrt werden, daß ein Begehren begründet war, welches ursprünglich mit einer allgemeinen Leistungsklage verfolgt worden war oder verfolgt werden konnte (vgl. hierzu BVerwGE 36, 192 (201 ff.) mit Nachw.; BVerwGE 40, 323 (327)). Gegenstand der Feststellungsklage wäre im vorliegenden Fall die oben erörterte Verpflichtung der Flurbereinigungsbehörde gegenüber den Klägern gewesen, hinsichtlich der von ihnen eingebrachten Grundstücke von einem Ersuchen um Grundbuchberichtigung abzusehen. Einer solchen Klage hätte nicht das nach § 43 Abs. 1 VwGO erforderliche Feststellungsinteresse gefehlt. Zwar hätten die Kläger ebensowenig wie mit dem erstrittenen Urteil auch mit einem Erkenntnis nach § 43 VwGO die bereits vollzogene und mit der materiellen Rechtslage durchaus im Einklang stehende Grundbuchberichtigung wieder rückgängig machen können. Indessen wäre ein solches Urteil möglicherweise geeignet gewesen, interessierte Dritte von einem Erwerb der streitigen Grundstücke abzuhalten, solange nicht eine rechtskräftige Entscheidung über die Einwendungen der Kläger gegen den Flurbereinigungsplan vorlag. Denn es ist nicht zu verkennen, daß Grundstücke, die von einer möglichen Planänderung aufgrund einer Abfindungsbeschwerde des bisherigen Eigentümers betroffen sein können, schwerer zu veräußern sind als solche Parzellen, hinsichtlich deren der Flurbereinigungsplan rechtskräftig geworden ist. Dieses Interesse der Kläger, eine Veräußerung der von ihnen beanspruchten Grundstücke durch den Zuteilungsempfänger zu erschweren, genügt, ihrer Feststellungsklage ein berechtigtes Interesse im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO beizumessen. Es ist deshalb auch unter verfahrensrechtlichen Gesichtspunkten jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden, wenn das Flurbereinigungsgericht die Feststellungsklage für zulässig gehalten hat.