Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 26.04.2010 - 13 A 09.2474 = RdL 2010, 299-300 (Leitsatz und Gründe)= KommunalPraxis BY 2010, 313 (Leitsatz) (Lieferung 2012)

Aktenzeichen 13 A 09.2474 Entscheidung Urteil Datum 26.04.2010
Gericht Flurbereinigungsgericht München Veröffentlichungen RdL 2010, 299-300 (Leitsatz und Gründe) = KommunalPraxis BY 2010, 313 (Leitsatz)  Lieferung 2012

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Bei der Vergabe von Masseland durch die Flurbereinigungsbehörde sind Vollerwerbs- und Nebenerwerbsbetriebe agrarstrukturell grundsätzlich als gleichermaßen zuteilungswürdig zu erachten. Der Hinzulegung eines Masselandflurstücks an eine Eigentumsfläche gebührt der Vorrang gegenüber der Hinzulegung an eine Pachtfläche.

Aus den Gründen

13    Die zulässige Klage ist teilweise begründet.


14    Der Kläger hat einen Anspruch auf die Zuteilung des Masselandflurstücks 4579 mit einem Wert von 2.959 Wertverhältniszahlen (WVZ) und einer Größe von 0,1243 ha zum Preis von 2.301 Euro. Der Flurbereinigungsplan und der Widerspruchsbescheid des Spruchausschusses waren entsprechend zu ändern (§ 144 Satz 1, § 146 Nr. 2, § 54 Abs. 2 Satz 2 FlurbG i.V.m. § 113 Abs. 5 Satz 1, § 114 Satz 1 VwGO).


15    Rechtsgrundlage für die Zuteilung von Masseland ist § 54 Abs. 2 Sätze 1 und 2 FlurbG. Danach ist das infolge von Geldabfindungen und nach § 46 FlurbG zur Abfindung der Teilnehmer nicht benötigte Land in einer dem Zweck der Flurbereinigung entsprechenden Weise oder für Siedlungszwecke zu verwenden; durch den Flurbereinigungsplan wird bestimmt, wem das Land zu Eigentum zugeteilt wird (bezüglich der Grundsätze der Vergabe vgl. allgemein Seehusen, Verwendung von Masseland, RdL 1976, 60 und Emig, Das Masseland in der Flurbereinigung, AgrarR 1984, 88).


16    § 54 Abs. 2 FlurbG ermächtigt die Flurbereinigungsbehörde - in Bayern nach § 18 Abs. 2 FlurbG i.V.m. Art. 2 Abs. 1 AGFlurbG die Teilnehmergemeinschaft - übrig gebliebenes Land nach pflichtgemäßen Ermessen an interessierte Bewerber so zu verteilen, dass die Vergabe - von Siedlungszwecken abgesehen, die hier nicht in Betracht kommen - vornehmlich den in § 1 und § 37 Abs. 1 FlurbG umschriebenen Zwecken der Flurbereinigung entspricht. Abgezielt werden kann deshalb insbesondere darauf, die Grundlagen der Wirtschaftbetriebe zu verbessern bzw. den Arbeitsaufwand zu vermindern, um die Bewirtschaftung zu erleichtern (§ 37 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 FlurbG).


17    Der Flurbereinigungsbehörde steht bei der Zuteilung ein (Auswahl-)Ermessen zu. Aus diesem Grund hat kein Teilnehmer einen Rechtsanspruch auf Zuweisung von Masseland, sondern lediglich ein Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung (BVerwG vom 2.12.1980 Buchholz 424.01 § 54 FlurbG Nr. 3; BayVGH vom 6.11.2008 RdL 2009, 123 <= RzF - 33 - zu § 54 Abs. 2 FlurbG>).


18    Da die Modalitäten des Verfahrens bei der Zuteilung von Masseland nach § 54 Abs. 2 FlurbG gesetzlich nicht geregelt sind, kann die Flurbereinigungsbehörde hierfür Vergaberichtlinien festlegen und damit vorab ihre Ermessensausübung (Art. 40 BayVwVfG) unter Beachtung des in Art. 3 Abs. 1 GG zum Ausdruck kommenden Gleichbehandlungsgebots binden (sog. Selbstbindung der Verwaltung - vgl. BVerwG vom 21.8.2003 RdL 2003, 321/323; BayVGH vom 30.7.2007 RdL 2008, 79). Die Vergabekriterien müssen allerdings sachgerecht sein. Die Beklagte hat bei der Ausschreibung des Masselands im Amts- und Mitteilungsblatt des Marktes W. vom 8. September 2006 von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, Kriterien für die Vergabe festzulegen. Solche an die Allgemeinheit gerichtete Erklärungen wie die hier vorliegende Ausschreibung sind der Auslegung zugänglich (vgl. z.B. BGH vom 11.3.1999 NJW 1999, 2432/2433). Diese hat sich grundsätzlich am objektiven Erklärungswert des veröffentlichten Ausschreibungstextes zu orientieren (§ 133 BGB). Der im Bekanntmachungstext vom 4. September 2006 enthaltene Vorbehalt, dass aus einem Höchstgebot kein Anspruch auf Zuteilung erwächst, ist aus der Sicht eines verständigen Teilnehmers so zu verstehen, dass nicht allein die Höhe des Gebots den Ausschlag geben muss, also auch andere (sachliche) Gesichtspunkte entscheidungserheblich sein können. Bei dieser Auslegung ist der Vorbehalt hinreichend klar.


19    Dass der Beigeladene für das Masselandflurstück 4579 ein höheres Gebot als der Kläger abgegeben hatte, durfte nach den genannten Grundsätzen nicht als ausschlaggebend erachtet werden, weil den betriebswirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers insoweit der Vorrang gebührt. Da sich der strittige Ackerstreifen, der nur etwa 5 m breit ist, allein nicht wirtschaftlich bearbeiten lässt, kam von vornherein nur die Hinzulegung an ein angrenzendes, größeres Flurstück in Betracht. Nordseitig schließt sich das Abfindungsflurstück 4580 des Klägers an, südseitig das vom Beigeladenen gepachtete Abfindungsflurstück 4578 der Teilnehmerin K. Eine nachhaltige Bindung an einen Betrieb ist bei Hinzulegung an den eigenen Besitzstand gewährleistet, wohingegen die Hinzulegung an ein Pachtgrundstück infolge der Kündigungsmöglichkeit die Grundlagen eines Betriebs (§ 37 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 FlurbG) nicht gleichermaßen verbessert. Eine Gleichstellung von Eigenland und Pachtland kommt in dieser Fallkonstellation trotz der Stärkung der Pächterposition in flurbereinigungsgerichtlichen Verfahren gemäß der neueren höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BVerwG vom 29.1.2009 BVerwGE 133, 118 = RdL 2009, 128; BGH vom 2.10.2003 BGHZ 156, 257 = RdL 2004, 21) nicht in Betracht, weil der Faktor Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit einem Pachtverhältnis von der freien Entscheidung eines Dritten abhängt. Der Zuteilung des Flurstücks 4579 an den Kläger steht auch nicht etwa das Interesse der Teilnehmergemeinschaft, bei der Vergabe von Masseland einen angemessenen Geldausgleich zu erzielen, entgegen (vgl. OVG RhPf vom 30.10.1991 RdL 1992, 123 <= RzF - 26 - zu § 54 Abs. 2 FlurbG>). Da das vom Kläger abgegebene Preisgebot über dem von der Teilnehmergemeinschaft festgesetzten WVZ-Preis von 0,77 Euro/m² liegt, sind die für das Masseland entstandenen Kosten (Landzwischenerwerb durch Abfindung in Geld nach § 52 FlurbG) abgedeckt.


20    Die Zuteilung an den Kläger gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 FlurbG entspricht somit einem zweckmäßigen Ermessensgebrauch, zu dessen Prüfung und Ausübung das Flurbereinigungsgericht nach § 146 Nr. 2 FlurbG befugt ist, weil die Vergabe des Masselands nach § 54 Abs. 2 Satz 2 FlurbG im Flurbereinigungsplan (§ 58 Abs. 1 FlurbG) geregelt wird. Nach § 144 Satz 1 FlurbG hat das Flurbereinigungsgericht die Befugnis, den angefochtenen Flurbereinigungsplan zu ändern, soweit es die Klage für begründet hält.