Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 21.06.2010 - 9 B 88/09 = Buchholz 424.01 § 45 FlurbG Nr. 24 (red. Leitsatz und Gründe) (Lieferung 2011)

Aktenzeichen 9 B 88/09 Entscheidung Beschluss Datum 21.06.2010
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen = Buchholz 424.01 § 45 FlurbG Nr. 24 (red. Leitsatz und Gründe)  Lieferung 2011

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Eine Veränderung der Hof- und Gebäudeflächen ist auf Ausnahmefälle beschränkt. Sie bedarf einer Einzelprüfung. Der Zweck der Flurbereinigung muss eine Flächenveränderung erfordern.
2. Jedenfalls eine Überbauung mit einem Gebäude lässt eine Flächenveränderung zu, um die Grundstücksgrenze mit den tatsächlichen Besitzverhältnissen in Einklang zu bringen. Für bauliche Anlagen, denen die Gebäudeeigenschaft fehlt, kann abhängig vom Einzelfall Entsprechendes gelten.

Aus den Gründen

Die Rechtssache hat auch nicht die ihr von der Beschwerde beigemessene grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Die aufgeworfene Frage,


ob eine Veränderung von Gebäudeflächen gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FlurbG auch dann zum Zwecke der Flurbereinigung erforderlich sein kann, wenn die rechtlichen Grenzen zwischen Grundstücken mit den tatsächlichen Besitzverhältnissen an Grundstücksteilen, die mangels Gebäudeeigenschaft kein Überbau i.S.d. § 912 BGB sind, auseinanderfallen,

lässt sich auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedürfte. Nach § 45 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FlurbG können im Wege der Flurbereinigung Hof- und Gebäudeflächen verändert werden, wenn der Zweck der Flurbereinigung es erfordert. Das setzt mehr als eine bloße Übereinstimmung der Maßnahme mit dem Zweck der Flurbereinigung voraus. Der erhöhte Schutz, der dem Eigentümer von Hof- oder Gebäudeflächen zukommen soll, macht vielmehr eine Prüfung im Einzelfall notwendig, ob dem mit der Änderung der betreffenden Fläche angestrebten Zweck der Vorrang gegenüber dem besonderen Interesse des Eigentümers an der Wiederzuteilung der Fläche in den alten Grenzen zukommt. Die Veränderung von Hof- und Gebäudeflächen ist mithin auf Ausnahmefälle zu beschränken (vgl. Urteil vom 24. November 1977 - BVerwG 5 C 80.74 - BVerwGE 55, 48 <50 f.> <= RzF - 24 - zu § 45 Abs. 1 FlurbG>). Zu den Zwecken, die im Rahmen der Neuordnung des Verfahrensgebiets verfolgt werden dürfen, gehört auch das Ziel, die rechtlichen Grenzen zwischen benachbarten Grundstücken mit den tatsächlichen Besitzverhältnissen in Einklang zu bringen (Urteil vom 18. Oktober 1974 - BVerwG 5 C 37.73 - BVerwGE 47, 133 <136 f.> <= RzF - 23 - zu § 37 Abs. 1 FlurbG>); dieses kann deshalb für die Anwendung des § 45 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 FlurbG Bedeutung gewinnen. Dem Bedürfnis, Besitz- und Eigentumsverhältnisse in Einklang zu bringen, wird zwar typischerweise dann besonderes Gewicht in der Abwägung mit dem gegenläufigen Interesse des Eigentümers beizumessen sein, wenn es um einen Grenzüberbau bei der Errichtung eines Gebäudes (§ 912 BGB) geht. Das besagt aber nicht, dass es in anderen Fällen des Auseinanderfallens von Eigentum und Besitz generell ohne Belang wäre. Wie die berührten Zwecke und Interessen im Verhältnis zueinander zu gewichten sind, ist vielmehr eine Frage, die sich letztlich nur auf Grund der gebotenen Einzelfallprüfung beantworten lässt, ohne dass insoweit von der Beschwerde ein weitergehender fallübergreifender Klärungsbedarf dargetan wäre.

Anmerkung


Vorinstanz Flurbereinigungsgericht Greifswald, Urteil vom 27.05.2009, Az. 9 K 28/07 = RzF - 44 - zu § 45 Abs. 1 FlurbG