Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13.12.1979 - 5 C 33.78 = RdL 1982 S. 17
Aktenzeichen | 5 C 33.78 | Entscheidung | Urteil | Datum | 13.12.1979 |
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Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | = RdL 1982 S. 17 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Zur Veränderung von Hof- und Gebäudeflächen (Bestätigung der Rechtsprechung in BVerwGE 47, 133 (136) und 55, 48 (51)). |
Aus den Gründen
Dagegen ist die Revision begründet, soweit der Kläger sich gegen die Abtrennung der Teilfläche seines Hofgrundstücks wendet, die dem Beigeladenen zu 3. zugewiesen wurde. Nach den vom Flurbereinigungsgericht getroffenen Feststellungen ist diese Teilfläche deswegen als Hof- und Gebäudefläche anzusehen, weil sie vom Kläger als Hofausfahrt benutzt wird und dazu bestimmt ist, der Betriebsführung seines Hofes zu dienen. Von dieser bindenden Feststellung ausgehend, ist die Zuweisung der nach § 45 Absatz 1 Nummer 1 FlurbG privilegierten Fläche an den Beigeladenen zu 3. mit dem Gesetzeszweck unvereinbar. Die gegenteilige Auffassung des Flurbereinigungsgerichts im angefochtenen Urteil RzF - 25 - zu § 45 Abs. 1 FlurbG weicht in nicht vertretbarer Weise von der Entscheidung in BVerwGE 55, 48 ab. Insoweit muß das angefochtene Urteil aufgehoben werden.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in der angeführten Entscheidung - die gefestigte Rechtsprechung bestätigend - erneut darauf hingewiesen, daß nicht jegliche Maßnahme, für deren Durchführung das Flurbereinigungsverfahren eine einmalige Gelegenheit bietet, durch den Zweck der Flurbereinigung gerechtfertigt ist. Soweit nur die Verhinderung oder Schlichtung privater Grenzstreitigkeiten mit einer Grenzkorrektur bewirkt werden soll, bietet der Zweck der Flurbereinigung hierfür jedenfalls keine Handhabe (BVerwGE 47, 133 (136)).
Hof- und Gebäudeflächen dürfen nach § 45 Absatz 1 FlurbG nur verändert werden, wenn der Zweck der Flurbereinigung es erfordert. Das macht auch nach der in BVerwGE 55, 48 (51) modifizierten Rechtsprechung eine Prüfung im Einzelfall notwendig, ob dem mit der Änderung der Hoffläche angestrebten Zweck der Vorrang gegenüber dem regelmäßig vorrangigen Interesse des Eigentümers an der Wiederzuteilung der Hoffläche in den alten Grenzen zukommt. Diese Prüfung erfordert eine Abwägung der Interessen des Eigentümers der gesetzlich privilegierten Hoffläche mit denen der Flurbereinigung, und nicht lediglich mit den nachbarrechtlichen Belangen eines anderen Teilnehmers. Das hat seinen Grund darin, daß bei der Abwägung der maßgebenden Kriterien dem unterschiedlichen Gewicht der einzelnen Abwägungselemente für das zu findende Ergebnis entscheidende Bedeutung zukommt (BVerfGE 27, 211 (219) und 44, 353 (373)). Soll die Veränderung lediglich zugunsten eines Teilnehmers erfolgen, so kann dessen Interesse nur dann als vorrangig anerkannt werden, wenn die bei ihm für notwendig gehaltenen Änderungen der bestehenden Verhältnisse nicht durch eigene Maßnahmen, sei es durch betriebliche Veränderungen oder durch Übernahme besonderer Opfer ausgeglichen werden können. Alle diese in der angeführten Entscheidung für die Änderung einer Hof- und Gebäudefläche geforderten Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall nicht gegeben. Deshalb kann die unzulässige Veränderung der Hofausfahrt des Klägers auch nicht mit Hilfe der vorgesehenen anderweitigen Abhilfemaßnahmen aufrechterhalten werden.
Die vom Flurbereinigungsgericht gebilligte Veränderung der Hofausfahrt des Klägers sollte dem Beigeladenen zu 3. eine gesicherte Ausfahrt ermöglichen und eine dringend erforderliche Abstellfläche für reparaturbedürftige Geräte bereitstellen. Diese nachbarliche Grenzkorrektur ist vom Zweck der Flurbereinigung nicht gedeckt. Zwar ist ein Abfindungsgrundstück durch Wege zugänglich zu machen. Darum geht es hier aber nicht, weil das Grundstück des Beigeladenen zu 3., Flurstück 32, erschlossen ist und zum überwiegenden Teil seines Umfangs an die Ortsstraße, Flurstück 32/2 und 32/1, angrenzt. Eine Zufahrt zu seiner Werkstatt war ihm vom Kläger bisher nicht verweigert worden. Dieser hatte sich vielmehr schriftsätzlich dazu bereit erklärt, dem Beigeladenen zu 3. ein dinglich gesichertes Geh- und Fahrtrecht im bisher geduldeten Umfang einzuräumen. Auch die Bereitstellung einer Abstellfläche für den Reparaturbetrieb dient nicht den Zwecken der Flurbereinigung, sondern der erleichterten Gewerbeausübung und von eigenen Opfern unabhängigen Geschäftserweiterung. Die vom Flurbereinigungsgericht vorgenommene Abwägung stellt nicht - wie in der angeführten Rechtsprechung gefordert - die Interessen der Flurbereinigung an der Veränderung denen des Klägers an der ungeschmälerten Zuweisung seiner Hoffläche gegenüber, sondern macht die Einräumung des Vorrangs lediglich von der Gewichtigkeit der gegenübergestellten nachbarlichen Interessen abhängig. Dabei wird übersehen, daß die privaten Interessen eines Teilnehmers mit denen der Flurbereinigung weder identisch sein müssen noch ohne Hinzutreten gewichtiger Gründe gleichgesetzt werden können; zum anderen wird dabei die Privilegierung der der Schutzvorschrift des § 45 Absatz 1 FlurbG unterfallenden Hof- und Gebäudeflächen gänzlich vernachlässigt. Die in die Abwägung einzubeziehenden Interessen der Flurbereinigung bedingen jedoch eine Zuordnung der beabsichtigten Maßnahmen zu den Zwecken der Gesamtheit der beteiligten Grundeigentümer, damit eine Ausrichtung an den Interessen der Teilnehmergemeinschaft, und nicht lediglich die Berücksichtigung privater Belange eines einzelnen Teilnehmers gegenüber den gesetzlich geschützten Interessen eines anderen Teilnehmers. Das schließt nicht aus, daß die Veränderung eines Hofgrundstücks geboten sein kann, um einem anderen (benachbarten) Teilnehmer die Weiterführung des Betriebs zu ermöglichen, dessen Einlage beispielsweise für die notwendige Verlegung einer Straße oder eines Baches oder zur Errichtung einer sonstigen gemeinschaftlichen Anlage benötigt wird, um dadurch die Realisierung plangestaltender flurbereinigungsrechtlich erforderlicher Maßnahmen bewerkstelligen zu können. Im vorliegenden Falle wird jedoch der Zweck der Flurbereinigung durch Belassung der bestehenden nachbarlichen Verhältnisse nicht in Frage gestellt; die Interessen der Flurbereinigung werden durch die Aufrechterhaltung des vorhandenen Zustandes nicht berührt.
Daraus ergibt sich, daß der Zweck der Flurbereinigung die Veränderung der durch § 45 Absatz 1 FlurbG privilegierten Hoffläche des Klägers nicht erfordert; das gesetzlich anerkannte besondere Interesse des Eigentümers an einer unveränderten Zuweisung seiner Hoffläche muß deshalb hier nicht zurücktreten. Da die mit der Änderung der Grundstücksgrenzen vorgesehene Gestaltung vom Zweck der Flurbereinigung her nicht erforderlich ist, erübrigt sich hier eine Prüfung, ob das fragliche Gestaltungsvorhaben auf andere Weise und nur unter Aufwendung unverhältnismäßiger Mehrkosten erreicht werden könnte. Für den Ausgleich dieser nachbarlichen Interessenlage hätte - wie das Flurbereinigungsgericht selbst eingeräumt hat - "genügen müssen, dem Beteiligten H. ein Fahrtrecht einzuräumen, damit dieser zwar eine gesicherte Zufahrt hat, aber gleichzeitig auch dem Kläger die weitere Benutzung dieser Fläche als Hofausfahrt ermöglicht hätte", zumal der Kläger sich bereit erklärt hatte, dieser Lösung zuzustimmen. Wenn nach Auffassung des Flurbereinigungsgerichts mit dieser Verbesserung der Erschließungsverhältnisse bei beiden Beteiligten nur das unumgänglich Notwendige geschehen wäre, so ist darauf hinzuweisen, daß hinsichtlich der Vornahme nachbarlicher Grenzkorrekturen, die vom Zweck der Flurbereinigung her nicht erforderlich sind, im Rahmen der hoheitlichen Neugestaltung ohnehin nur das unbedingt Erforderliche vorgenommen werden darf, um die rechtlichen Verhältnisse dann zu ordnen, wenn Vereinbarungsversuche zwischen den Beteiligten erfolglos bleiben sollten. Zusammengefaßt: Bewirtschaftungserleichterungen eines Teilnehmers können die Änderung des Hofgrundstücks eines anderen Teilnehmers jedenfalls nur dann rechtfertigen, wenn die Veränderung durch Zweck und Aufgaben der Flurbereinigung gedeckt ist (BVerwGE 55, 48 (50)). Was das Flurbereinigungsgericht hierfür anführt, sind nur Hinweise, die für eine erleichterte Gewerbeausübung des Beigeladenen zu 3. sprechen, aber keine Zuordnung zu den Interessen der Flurbereinigung aufweisen. Die vom Flurbereinigungsgericht darüber hinaus angestellten Erwägungen zur verkehrsmäßigen Verbesserung der umgestalteten Zufahrten haben ebenfalls nur Bezug zur nachbarlichen Interessenlage.
Die Änderung des Hofgrundstücks des Klägers im Bereich der bisherigen Hofausfahrt zugunsten des Beigeladenen zu 3. ist deshalb nach § 45 Absatz 1 Nummer 1 FlurbG nicht gerechtfertigt. Daraus folgt, daß die zugunsten des Beigeladenen zu 3. abgetrennte Teilfläche dem Kläger verbleibt. Die Gesamtabfindung des Klägers wird davon nicht berührt; sie ist vielmehr als wertgleich anzusehen. Denn das Flurbereinigungsgericht hat die vorgesehene Abtrennung der Teilfläche zugunsten des Beigeladenen zu 3. nur deswegen als gerechtfertigt angesehen, weil der Kläger durch die Gewährung des Geh- und Fahrtrechts eine Verbesserung seiner Hoffläche erhalte; diese Verbesserung war als Ausgleich für die Schmälerung des Abfindungsanspruchs gedacht. Durch die Aufhebung dieser Schmälerung und den Wegfall des als Ausgleich gedachten Geh- und Fahrtrechts ist deshalb die im übrigen nicht in Frage stehende Gleichwertigkeit der Abfindung wiederhergestellt.