Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 04.12.2014 - BVerwG 9 B 75.14 = DÖV 2015, 346 (Leitsatz)= NVwZ 2015, 604 (Leitsatz) (Lieferung 2016)

Aktenzeichen BVerwG 9 B 75.14 Entscheidung Beschluss Datum 04.12.2014
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen DÖV 2015, 346 (Leitsatz) = NVwZ 2015, 604 (Leitsatz)  Lieferung 2016

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Im Rahmen der bei der Landabfindung zu würdigenden ertragsrelevanten Umstände (§ 44 Abs. 2 FlurbG) kann einerseits zu berücksichtigen sein, inwieweit Anpflanzungen auf einem Nachbargrundstück die nachbarrechtlich gebotenen Grenzabstände einhalten, andererseits, ob aufgrund einer Waldrandlage zu befürchtende Wildschäden im gesamten Flurbereinigungsgebiet verbreitet sind.

Aus den Gründen

1    Die auf die Revisionszulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und des Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.


2    1. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung i.S.v. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu.


3    Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache nur dann, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, konkreten, jedoch in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dargelegt, d.h. näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des Bundesrechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr; siehe Beschluss vom 24. Juli 2008 - BVerwG 9 B 41.07 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 58 Rn. 3 m.w.N.). Der bloße Hinweis, die Rechtsfrage sei bisher noch nicht höchstrichterlich entschieden, reicht für den Vortrag der Klärungsbedürftigkeit allein nicht aus (Beschluss vom 9. März 1993 - BVerwG 3 B 105.92 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 11). Zwar ist keine umfassende Aufbereitung des Meinungsstandes in Rechtsprechung und Literatur erforderlich; die Beschwerdebegründung muss sich aber - abgesehen von den Fällen der Offenkundigkeit der Klärungsbedürftigkeit - jedenfalls ansatzweise mit den Gründen des angegriffenen Urteils konkret auseinandersetzen.


4    a) Hinsichtlich der Fragen,

Bieten die Grenzabstände nach dem Nachbarrechtsgesetz einen Anhaltspunkt für die dem Flurbereinigungsteilnehmer entstehenden Nachteile und deren Ausgleichsbedürftigkeit?,

Muss der Flurbereinigungsteilnehmer Anpflanzungen entschädigungslos hinnehmen, welche als Ausgleichsmaßnahme durch den Flurbereinigungsplan festgesetzt worden sind, wenn jeder Nachbar bei Einhaltung der Abstände nach dem Nachbarrechtsgesetz Anpflanzungen vornehmen kann?,

wird die Beschwerdebegründung den vorgenannten Anforderungen an die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung nicht gerecht. Das Flurbereinigungsgericht hat unter Hinweis auf entsprechende Rechtsprechung (vgl. OVG Koblenz, Urteil vom 8. Dezember 1993 - 9 C 11296/92.OVG - = RzF - 96 - zu § 44 Abs. 2 FlurbG) angenommen, dass die südlich des Abfindungsflurstücks Flur ... Nr. ... anzupflanzenden Obstbäume kein ausgleichsbedürftiges Bewirtschaftungshindernis für den Kläger darstellen, weil sie die Grenzabstände nach dem Nachbarrechtsgesetz einhalten. Mit dieser Abstandsregelung habe der Gesetzgeber eine Wertung vorgenommen, wie weit die dem Nachbarn nicht zuzumutenden Auswirkungen verschiedener Baumarten gehen. Damit nimmt das Flurbereinigungsgericht Bezug auf die detaillierten Regelungen des § 44 Landesnachbarrechtsgesetzes - LNRG -, der u.a. für bestimmte Baumarten Grenzabstände vorsieht, die grundsätzlich einzuhalten und gegenüber einem landwirtschaftlich genutzten Grundstück, um das es hier geht, sogar zu verdoppeln sind (vgl. § 46 Abs. 1 Nr. 2 LNRG). Entgegen der Beschwerde hat das Flurbereinigungsgericht einen allgemeinen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass bei Einhaltung der nachbarrechtlichen Mindestabstände eine wertgleiche Abfindung gewährleistet sei, nicht aufgestellt. Es hat der Abstandsregelung vielmehr lediglich einen Anhaltspunkt dafür entnommen, inwieweit einem Teilnehmer Nachteile entstehen und inwieweit diese ausgleichsbedürftig sind. Einen fallübergreifenden Klärungsbedarf in Bezug auf § 44 Abs. 1 und 2 FlurbG zeigt die Beschwerde, auch soweit es in diesem Zusammenhang um durch den Flurbereinigungsplan festgesetzte Ausgleichspflanzungen geht, nicht auf.


5    b) Die Frage,

Stellen die bei Abfindung in Waldrandlage vorhersehbaren Wildschäden einen abfindungserheblichen Nachteil dar?,

ist einer verallgemeinernden Klärung nicht zugänglich. § 44 Abs. 2 FlurbG verlangt zwar allgemein, dass bei der Landabfindung alle Umstände zu berücksichtigen sind, die auf den Ertrag, die Nutzung und die Verwertung von Grundstücken einen wesentlichen Einfluss haben. Dazu gehören grundsätzlich sowohl die Waldrandlage als auch die Gefahr von Wildschäden (Wingerter/Meyer, FlurbG, 9. Aufl. 2013, § 28 Rn. 12 m.w.N.; vgl. speziell zu Wildschäden: VGH München, Urteil vom 17. Juli 1963 - 7 VII 63 - = RzF - 12 - zu § 44 Abs. 2 FlurbG). Ob aber Wildschäden zu einem ausgleichsbedürftigen "besonderen Nachteil" führen oder ob das deshalb nicht der Fall ist, weil solche Wildschäden im gesamten Flurbereinigungsgebiet weit verbreitet sind, wie es das Flurbereinigungsgericht hier annimmt, ist nicht fallübergreifend zu beantworten.