Flurbereinigungsgericht Weimar, Urteil vom 08.07.2014 - 7 F 490/12 (Lieferung 2015)
Aktenzeichen | 7 F 490/12 | Entscheidung | Urteil | Datum | 08.07.2014 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Weimar | Veröffentlichungen | Lieferung | 2015 |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Das allgemeine unausgesprochene Interesse von Landwirten, sich die Möglichkeit einer Erweiterung ihres Betriebes offen zu halten, ist kein planungsrechtlich abwägungsrelevanter Belang. |
2. | Der schlichte Planwunsch, orts- und betriebsnah in alter Lage abgefunden zu werden, hat ohne eine nach außen erkennbare, z. B. im Planwunschtermin geäußerte, Verknüpfung mit konkretisierten und verfestigten betrieblichen Entwicklungstendenzen kein abwägungsbeachtliches Gewicht im Rahmen des § 44 Abs. 2 Halbs. 1 FlurbG. |
Aus den Gründen
Die Klage hat keinen Erfolg. Der Flurbereinigungsplan in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 21. Juni 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO).
Die Kläger sind durch den Flurbereinigungsplan nach Bemessung und Gestaltung wertgleich mit Land abgefunden worden.
Nach § 44 Abs. 1 S. 1 FlurbG kann jeder Teilnehmer eine wertgleiche Abfindung in Land beanspruchen. Das Gebot wertgleicher Abfindung ist oberster Grundsatz des Flurbereinigungsverfahrens (BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 1992 – 11 C 3.92 – Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 72 S. 34 m. w. N.). Es verlangt, dass der Wert der gesamten Neuzuteilung unter Berücksichtigung der Abzüge für Folgeeinrichtungen dem Wert der Gesamteinlage entspricht (BVerwG, Urteil vom 24. Februar 1959 – 1 C 1160.57 – Buchholz 424.01 §§ 32, 134 FlurbG von 1953 Nr. 1). Maßgebend ist zunächst die Bemessung der Abfindung, bei der gemäß § 44 Abs. 1 S. 2 FlurbG die nach den §§ § 27 bis § 33 FlurbG ermittelten, am Nutzwert für jedermann ausgerichteten Grundstückswerte zugrunde zu legen sind. Diese Werte bilden allerdings nicht den ausschließlichen Maßstab für die Bestimmung einer wertgleichen Abfindung. Nach Maßgabe des § 44 Abs. 2 bis 4 FlurbG sind noch weitere den Wert der konkreten Abfindung bestimmende Faktoren einzubeziehen (BVerwG, Beschluss vom 27. November 1961 - 1 B 127.61 -, Urteil vom 14. Dezember 1978 - 5 C 16.76 - BVerwGE 57, 192 <193> <= RzF - 7 - zu § 146 Nr. 2 FlurbG>). Hierbei ist auch auf die Verhältnisse des konkreten Betriebs abzustellen; insbesondere sind auch wertbildende Faktoren, die sich aus der Gestaltung der Abfindung ergeben, wie z. B. der Zuschnitt der Flächen und der Zusammenlegungsgrad zu berücksichtigen (BVerwG, Beschluss vom 27. November 1961, a. a. O.; Urteil vom 15. Oktober 1974 - 5 C 30.72 - BVerwGE 47, 87 <84> und vom 16. Dezember 1992, a. a. O. S. 34).
Nach den Berechnungen der Widerspruchsbehörde sind die Kläger rechnerisch wertgleich abgefunden worden. Zur Gestaltung hat die Behörde Feststellungen zu den Wertklassen der Einlage- und Abfindungsgrundstücke, zu deren Erreichbarkeit und zu der durch die mangelhafte Drainage eines Grundstücksteils bedingten Betriebserschwernisse getroffen und die Wertgleichheit nach Abänderung im Widerspruchsverfahren bejaht. Diese tatsächlichen Feststellungen stellen die Kläger nicht in Frage.
Die getroffene Abfindungsregelung verstößt entgegen ihrer Ansicht auch nicht gegen das Abwägungsgebot nach § 44 Abs. 2 Halbs. 1 FlurbG.
Die gerichtliche Überprüfung der im Flurbereinigungsplan enthaltenen Regelung über die Landabfindung beschränkt sich nicht darauf, ob der Anspruch des Teilnehmers auf wertgleiche Abfindung erfüllt ist. Ergänzend findet eine Abwägungskontrolle statt nach den Grundsätzen, die die Rechtsprechung für die gerichtliche Überprüfung von planerischen Entscheidungen im Bau- und Fachplanungsrecht entwickelt hat (BVerwG, Urt. vom 23. August 2006 – 10 C 5.05 – zit. n. juris, dort Rn. 21). Sie richtet sich darauf, ob bei der Abfindungsgestaltung auch solche konkretisierten betrieblichen Entwicklungsperspektiven, die sich dem Teilnehmer erst durch die Flurbereinigung eröffnen und die deshalb für die Frage wertgleicher Abfindung unerheblich sind, abwägungsfehlerfrei berücksichtigt worden sind.
Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 23. August 2006 (a. a. O. dort Rn. 22, = RzF - 102 - zu § 44 Abs. 1 FlurbG, dort 2. a) bb) bis ee), dazu grundlegend ausgeführt: ...
Ausgehend von diesen Grundsätzen, denen das Flurbereinigungsgericht folgt, lässt sich nicht feststellen, dass die getroffene Abfindungsregelung zu Lasten der Kläger auf Abwägungsmängeln beruht. Auf eine etwaige Überbewertung der Belange ihres Nachbarn könnten sich die Kläger nur berufen, wenn dieser Mangel sich auf eigene abwägungsbeachtliche Belange auswirkte. Das ist jedoch nicht der Fall.
Der Absicht der Kläger, ihren Milchviehbetrieb zu erweitern, war nicht als "qualifizierter" Planwunsch in die Abwägung einzustellen. Aufgrund der Beweiskraft des Protokolls über den Planwunschtermin (§ 98 VwGO i. V. m. § 415 Abs. 1 ZPO) steht fest, dass die Kläger im Wunschtermin (§ 57 FlurbG) eine solche Absicht nicht geäußert haben, und eine solche Erweiterungsabsicht war für den Beklagten auch nicht ohne ausdrückliche Äußerung im Wunschtermin offensichtlich. Insbesondere haben die Kläger im Planwunschtermin nicht zum Ausdruck gebracht, dass sie eine Fläche von mindestens 8 ha in der Nähe des Betriebsgebäudes benötigen, um die Zukunft ihres Milchviehbetriebes zu sichern bzw. ihn existenzsichernd zu erweitern. Das allgemeine unausgesprochene Interesse von Landwirten, sich die Möglichkeit einer Erweiterung des Betriebes offen zu halten, ist kein planungsrechtlich abwägungsrelevanter Belang (zu einem möglichen neuen Betriebszweig vgl. BVerwG, Beschl. vom 10. November 1998 – 4 BN 44.98 – NVwZ-RR 1999, 423/424).
Das Interesse der Kläger an einer orts- und betriebsnahen Abfindung in der Lage der Hofstelle 1, stellt nur einen "einfachen Planwunsch" dar. Damit haben sie Belange, die trotz wertgleicher Abfindung einer gesonderten Abwägung bedürften, nicht benannt.
Der schlichte Planwunsch, orts- und betriebsnah in alter Lage abgefunden zu werden, hat ohne eine nach außen erkennbare, z. B. im Planwunschtermin geäußerte Verknüpfung mit konkretisierten und verfestigten betrieblichen Entwicklungstendenzen kein abwägungsbeachtliches Gewicht im Rahmen des § 44 Abs. 2 1. HS FlurbG. Insoweit können die Kläger auch mit ihrem Einwand, sie hätten den Planwunsch geäußert, 8 ha in der Nähe der Hofstelle zu erhalten, weil sie diese Flächen benötigen, um ihren Betrieb weiterführen zu können, nicht durchdringen. Der Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen dargelegt, dass den Klägern für eine weitere hofnahe Ausweisung von Abfindungsflächen insgesamt nicht mehr Werteinheiten zur Verfügung gestanden hätten.
Das im gerichtlichen Verfahren von den Klägern erstmals geäußerte Bedürfnis, um die von ihnen im laufenden Flurbereinigungsverfahren errichtete Scheune im südlichen Bereich des neu zugeteilten Flurstücks 880 (neu) herumfahren zu können, um ihren landwirtschaftlichen Betrieb in diesem Bereich ohne Einschränkungen führen zu können, ist ebenfalls nicht abwägungsrelevant. Die Lage der Scheune auf dem künftigen Betriebsgrundstück wirkt sich nach Überzeugung des Gerichts nicht nachteilig auf die Bewirtschaftung der zugeteilten Flächen aus. Die fach- und sachkundigen ehrenamtlichen Richter des Flurbereinigungsgerichts, bei denen es sich um einen Fachbeisitzer und zwei Landwirte handelt, haben übereinstimmend bestätigt, dass es den Klägern ohne weiteres möglich sein wird, die verbleibende, nach Abmessung auf den Plänen mehr als zehn Meter breite Fläche zwischen der südwestlichen Außenwand der Scheune und der Grenze zum Nachbarn auch mit Hilfe zeitgerechter landwirtschaftlicher Maschinen zu bearbeiten.