Flurbereinigungsgericht Münster, Urteil vom 26.07.1989 - 9 G 23/87 = RdL 1990 S. 45= AgrarR 1990 S. 349
Aktenzeichen | 9 G 23/87 | Entscheidung | Urteil | Datum | 26.07.1989 |
---|---|---|---|---|---|
Gericht | Flurbereinigungsgericht Münster | Veröffentlichungen | = RdL 1990 S. 45 = AgrarR 1990 S. 349 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Die Flurbereinigungsbehörde braucht bei Erlaß des Flurbereinigungsplans diesen gegenüber dem einzelnen Teilnehmer nicht zu begründen. Die Begründung muß aber im Planwiderspruchsverfahren gegeben werden, soweit der Teilnehmer seine Abfindung angefochten hat. Die Verletzung dieser Pflicht kann nach den § 144, § 146 Nr. 2 FlurbG folgenlos bleiben. |
2. | Bei einer zur wertgleichen Abfindung erforderlichen Dränung ist grundsätzlich auch der Aufwand für deren Erhaltung und Unterhaltung in Land abzugelten, soweit er nicht durch einen Sondervorteil nach § 44 Abs. 2 FlurbG ausgeglichen ist. |
3. | Der Landausgleich bemißt sich nicht nach einer notwendigen Rücklage in Geld für künftige Erhaltungs- und Unterhaltungsaufwendungen. Es ist vielmehr Land in einem Umfang zuzuteilen, daß aus dem Deckungsbeitrag der jährliche Aufwand für Erhaltung und Unterhaltung erwirtschaftet werden kann. |
Aus den Gründen
Die Abfindung der Kläger begegnet im Hinblick auf die Gestaltungsrichtlinie des § 44 Abs. 3 FlurbG keinen Bedenken, läßt auch keinen Verstoß gegen das Abwägungsgebot nach § 44 Abs. 2 FlurbG oder einen sonstigen Ermessensfehler des Beklagten erkennen. Allerdings haben der Beklagte und die Widerspruchsbehörde die Gründe für die erfolgte Planzuteilung und die diesbezüglich angestellten Erwägungen nicht im Verwaltungsverfahren, sondern erst im Gerichtsverfahren mitgeteilt. Dieser Umstand führt indessen nicht zur Aufhebung der angegriffenen Planregelungen. Zwar muß nach § 39 Abs. 1 VwVfG NW, das für die öffentlich-rechtliche Verwaltungstätigkeit in Vollzug des Flurbereinigungsgesetzes in Nordrhein-Westfalen grundsätzlich ergänzend anwendbar ist, ein schriftlicher Verwaltungsakt schriftlich begründet werden, wobei die für den Erlaß wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen sind und bei einem Ermessens-Verwaltungsakt auch die Gesichtspunkte deutlich gemacht werden sollen, von denen die Behörde bei der Ermessensausübung ausgegangen ist. Diese Vorschriften gelten jedoch nicht für den Erlaß des als Sammelverwaltungsakt zu wertenden Flurbereinigungsplanes oder von Teilen desselben. Derartige Regelungen fallen unter die Ausnahme des § 39 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG NW, wonach es der Begründung eines Verwaltungsaktes nicht bedarf, wenn sich dies aus einer Rechtsvorschrift ergibt. Als solche Vorschriften sind die § 58 und § 59 FlurbG anzusehen. § 58 Abs. 1 FlurbG enthält nur bestimmte Anforderungen an den Inhalt des Flurbereinigungsplanes, wobei eine Begründung nicht erwähnt wird. Eine solche Begründung würde den Plan angesichts der Vielzahl der in ihm zusammengefaßten unterschiedlichen Regelungen für hunderte, oft mehr als tausend Beteiligte auch höchst unübersichtlich machen. Dem trägt § 58 Abs. 1 Satz 1 FlurbG dadurch Rechnung, daß im Flurbereinigungsplan (lediglich) "die Ergebnisse" des Verfahrens zusammengefaßt werden. Für diese Sicht spricht auch, daß den Beteiligten nach § 59 Abs. 1 FlurbG ein Anspruch auf Erläuterung der neuen Feldeinteilung, auf Wunsch an Ort und Stelle, zusteht. Durch diesen Anspruch in Verbindung mit dem nach § 59 Abs. 3 FlurbG zuzustellenden Auszug aus dem Flurbereinigungsplan ist der Informationsbedarf des einzelnen Teilnehmers ausreichend gedeckt. Für eine Freistellung von der Begründungspflicht des Flurbereinigungsplanes nach § 39 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG NW spricht auch die Entstehungsgeschichte des gleichlautenden § 39 (damals § 35) des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes (VwVfG). Denn als Beispiele dafür, daß nach dem Wortlaut oder Sinn einer Rechtsvorschrift bestimmte Verwaltungsakte keiner Begründung bedurften, wurden damals ausdrücklich die § 58 und § 59 FlurbG genannt (vgl. BT-Drucks. 7/910 S. 60 f., Amtl. Begr. zu § 35 <heute § 39> VwVfG).
Das im Ergebnis auch in der Literatur angenommene Fehlen einer Begründungspflicht für den Flurbereinigungsplan nach § 39 VwVfG NW (vgl. Quadflieg, Recht der Flurbereinigung, Komm. 1978 ff., Einl. Nr. 258, S. 98; Seehusen-Schwede, Flurbereinigungsgesetz, Komm., 4. Aufl. 1985, RdNr. 7 zu § 58; vgl. auch Meyer/Borgs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl. 1982, RdNr. 23 zu § 39 hinsichtlich des Umlegungsplanes nach § 66 BBauG) rechtfertigt jedoch nicht zugleich den Schluß, daß die Planzuteilung auch im Rechtsbehelfsverfahren keiner Begründung bedarf. Insoweit fällt ins Gewicht, daß der Teilnehmer einen Planwiderspruch, mag er ihn nach § 59 Abs. 2 FlurbG auch ohne weiteres einlegen können, sachgemäß nur begründen und sich gegen die Planzuteilung effektiv nur wehren kann, wenn er die maßgeblichen Gründe für die ihn betreffenden Regelungen des Flurbereinigungsplans kennt. Einer Begründung bedarf es daher - auch unter Berücksichtigung des § 73 Abs. 3 Satz 1 VwGO - spätestens im Widerspruchsbescheid (vgl. Seehusen-Schwede, a.a.O., RdNr. 13 zu § 141), anderenfalls der Flurbereinigungsplan in der Gestalt des Widerspruchsbescheides fehlerhaft ist.
Vorliegend ist die Planzuteilung für die Kläger, jedenfalls hinsichtlich der dafür vom Beklagten für bedeutsam gehaltenen Gesichtspunkte, nicht im Widerspruchsverfahren, sondern erst im Klageverfahren begründet worden. Darin liegt ein Fehler, der aber nicht zur Aufhebung der getroffenen Regelung führen muß. Denn eine bloße Aufhebung mit dem Ziel, dem Beklagten eine fehlerfreie, insbesondere unter Ermessensgesichtspunkten begründete neue Entscheidung über die Planzuteilung aufzugeben, kann zu Verzögerungen des Flurbreinigungsverfahrens führen, die mit dem diesem Verfahren innewohnenden, aus § 2 Abs. 2 Satz 1 FlurbG abzuleitenden Grundsatz der beschleunigten Durchführung nur schwerlich zu vereinbaren sind. Dem entspricht es, daß in Streitigkeiten gegen den Flurbereinigungsplan und seine Nachträge das Flurbereinigungsgericht bei Rechtswidrigkeit der angefochtenen Regelung nicht auf deren Aufhebung beschränkt, sondern daß ihm eine aus den § 144 und § 146 Nr. 2 FlurbG folgende umfassende Rechtsgestaltungsbefugnis eingeräumt ist, die es ihm erlaubt, anstelle der Behörde und im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens den Flurbereinigungsplan in zweckmäßiger Weise zu ändern oder zu ergänzen (vgl. BVerwG, Beschluß vom 08.01.1971 - IV B 105.69, RzF - 4 - zu § 146 Nr. 2 FlurbG; Seehusen-Schwede a.a.O., RdNr. 5 zu § 146).
Es kann hierbei eine behördliche Festsetzung mit anderer Begründung aufrechterhalten oder für eine behördlich bislang nicht begründete Festsetzung die Begründung selbst nachholen. Was eine Ergänzung der Begründung des Flurbereinigungsplanes noch während des gerichtlichen Verfahrens oder gar durch gerichtliches Urteil selbst betrifft, gilt die Sperre des § 45 Abs. 2 VwVfG NW für die Nachholung der erforderlichen Begründung eines Verwaltungsakts hier nicht, weil das Flurbereinigungsgesetz in Gestalt der aus den § 144 und § 146 Nr. 2 FlurbG abzuleitenden, dem Flurbereinigungsgericht eingeräumten umfassenden Entscheidungsbefugnis und im Hinblick auf den die Flurbereinigung beherrschenden Gedanken der Verfahrensbeschleunigung der Anwendung des § 45 Abs. 2 VwVfG NW entgegenstehendes Recht enthält (vgl. BVerwG, Urteil vom 04.07.1985 - 5 C 7.82, RdL 1987, 130 RzF - 27 - zu § 65 FlurbG; <Beschluß vom 25.11.1988 - 5 B 168.88>).
Die seitens des Beklagten im Klageverfahren nachgeholte Begründung für die erfolgte Planzuteilung begegnet im Hinblick auf das Abwägungsgebot nach § 44 Abs. 2 FlurbG, die Zuteilungsrichtlinie des § 44 Abs. 3 FlurbG oder auf sonstige für die Ermessensausübung des Beklagten bedeutsame Umstände keinen Bedenken (wird ausgeführt).
Bezüglich des Begehrens auf einen zusätzlichen Ausgleich für den Erhaltungs- und Unterhaltungsaufwand der Dränung in den Abfindungsflurstücken 54 und 55 hat die zulässige Klage teilweise Erfolg. Der im Widerspruchsbescheid der Spruchstelle für Flurbereinigung dafür festgesetzte Ausgleich ist im Ergebnis unzureichend.
Abweichend von der Auffassung der Spruchstelle ist der Erhaltungs- und Unterhaltungsaufwand jedoch nicht für die gesamte, 1,8 ha umfassende Dränung der Abfindungsflurstücke 54 und 55, sondern nur derjenige für die Dränung einer Teilfläche von 0,9 ha abzugelten. Diese Fläche setzt sich wie folgt zusammen: (wird ausgeführt).
Hinsichtlich der zur wertgleichen Abfindung gebotenen Dränung dieser rund 0,9 ha großen Teilfläche ist den Klägern ein voller Ausgleich ihres künftigen Erhaltungs- und Unterhaltungsaufwandes zuzuerkennen, und zwar in Land, wie es die Spruchstelle in Übereinstimmung mit der flurbereinigungsgerichtlichen Rechtsprechung (vgl. Urteil des Senats vom 21.11.1963 - IX G 34/62; HessVGH, Urteil vom 11.01.1964 - F III 32/62, RzF - 14 - zu § 44 Abs. 2 FlurbG, zum Ausgleich für eine Mehrzuteilung im Bereich eines Wasser- und Bodenverbandes; ferner BayVGH Urteil vom 17.02.1983 Nr. 13 A 80 A. 1985, RzF - 69 - zu § 44 Abs. 2 FlurbG) angenommen hat. Bei der Berechnung des Ausgleichs geht der Senat davon aus, daß Landausgleich nicht in einem der notwendigen Rücklage in Geld für künftige Erhaltungs- und Unterhaltungsaufwendungen entsprechenden Werte, sondern in einem solchen Werte zuzuteilen ist, daß die jährlichen Aufwendungen für die Erhaltung und Unterhaltung aus dem Deckungsbeitrag der gedachten Mehrfläche nachhaltig erwirtschaftet werden können.