Flurbereinigungsgericht Mannheim, Urteil vom 24.03.2022 - 7 S 131/19 (Lieferung 2022)
Aktenzeichen | 7 S 131/19 | Entscheidung | Urteil | Datum | 24.03.2022 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Mannheim | Veröffentlichungen | Lieferung | 2022 |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Die Rücknahme des Widerspruchs gegen einen Flurbereinigungsplan ist unwirksam, wenn sie unter einer aufschiebenden Bedingung erfolgt. (red. Ls.) |
2. | Kommt es zu regelmäßigen Überschwemmungen eines Grundstücks, sind diese nicht hinzunehmen, wenn sie zu einer mehr als geringfügigen Bewirtschaftungserschwernis führen, die auch durch anderweitige Vorteile der Gesamtabfindung nicht ausgeglichen werden. Einen Anspruch darauf, dass eine bestimmte Entwässerungsmaßnahme durchgeführt wird, hat ein Teilnehmer der Flurbereinigung nicht. (red. Ls.) |
Aus den Gründen
Der Kläger wendet sich gegen den Flurbereinigungsplan für die Flurbereinigung XXXXXXXXXX im Landkreis T.
Der Kläger ist …Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens, das mit unanfechtbar gewordenem Beschluss des damaligen Landesamts für Flurneuordnung und Landentwicklung Baden-Württemberg vom 21. Juli 1988 als Regelflurbereinigungsverfahren angeordnet wurde. Es wird vom Landratsamt T als zuständige untere Flurbereinigungsbehörde durchgeführt.
…
Im Anhörungstermin am 24. Februar 2014 erhob der Kläger Widerspruch, weil er befürchtete, dass durch den Wegebau entlang des Flurstücks Nr. 3xx und eine unter dem Weg eingebauten Dole großflächig Oberflächenwasser von den oberhalb liegenden Flurstücken in das Flurstück Nr. 3xx eingeleitet werde.
In der Verhandlung des Widerspruchs durch die untere Flurbereinigungsbehörde am 22. Mai 2015 vereinbarte die Behörde mit dem Kläger, dass das anfallende Wasser westlich des Wegs in einem Wegseitengraben gefasst, durch den bestehenden Durchlass geleitet und in einer Mulde entlang des Gehölzes in das Straßengrundstück Fist. Nr. 34xx abgeleitet wird. Zusätzlich sollte nach dem Durchlass eine Sickerpackung angelegt und der Auslauf der Sickerpackung verdolt bis zum Beginn der Mulde geleitet werden. Der Kläger nahm daraufhin seinen Widerspruch zurück. Er erklärte zusätzlich, dass über die Regelung neu verhandelt werden müsse, falls sie in einem oder mehreren Punkten nicht zustande komme.
Während der Ausführung der Bauarbeiten kam es im Mai und Juni 2016 zu Starkregenereignissen. Das Niederschlagswasser konnte von der angelegten Sickerung nicht aufgenommen werden, sondern strömte in das angrenzende Flurstück Nr. 3220 und schwemmte Erde und Kies mit sich. Der Kläger verlangte daraufhin eine Verrohrung und lehnte den Bau der Mulde ab. Außerdem sei die Sickerpackung zu klein dimensioniert. Daraufhin wurde mit Zustimmung des Klägers die Sickerpackung vergrößert. Die Mulde wurde nicht gebaut.
Bei einem weiteren Unwetterereignis am 23./24. Juni 2016 wurde Schotter in das Flurstück eingeschwemmt. Der Kläger forderte daraufhin erneut den Bau einer Rohrleitung. Er sei zu einer Sickerpackung als Lösung überredet worden und sei davon ausgegangen, dass diese unterirdisch angelegt werde und die Bewirtschaftung nicht beeinträchtige. Weder die ursprüngliche noch die nachgebesserte Sickerpackung funktionierten. Ihm sei vom Flurbereinigungsamt und vom Vorsitzenden der Teilnehmergemeinschaft zugesichert worden, dass Abhilfe geschaffen werde. Wegen Maschinenschäden habe sein Pächter bereits auf Schadensersatzansprüche hingewiesen. Auch lasse sich sein Grundstück aufgrund der an der Oberfläche geschaffenen Sickerpackung um ein Vielfaches schlechter bewirtschaften. Eine von ihm hinzugezogene sachkundige Person habe ihm erklärt, dass die Sickerpackung das auftretende Niederschlagswasser niemals aufnehmen könne. Das gleiche gelte für die vorgesehene Mulde, die in ein bis zwei Jahren wieder zugewachsen sei. Es komme nur eine Verdolung in Frage.
Die untere Flurbereinigungsbehörde lehnte die geforderte Verdolung jedoch ab
In den Nachtrag 1 zum Flurbereinigungsplan vom 23. Juni 2017 wurden die mit dem Kläger anlässlich der Widerspruchsverhandlung am 22. Mai 2015 vereinbarten Maßnahmen aufgenommen. Zusätzlich wurde das Abfindungsflurstück Nr. 3xx verkleinert und die Fläche, auf der die Sickerpackung angelegt worden war, der Gemeinde S zugeteilt.
Im Anhörungstermin zum Nachtrag 1 am 25. Juli 2017 erhob der Kläger erneut Widerspruch. Bei der Aufnahme des Widerspruchs am 2. August 2017 forderte er den Bau einer Rohrleitung im Anschluss an die Sickerpackung anstelle der vereinbarten Mulde.
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Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg.
A. Die Verpflichtungsklage ist zulässig. Insbesondere liegt die erforderliche Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) vor. Denn es erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen, dass der Kläger gestaltungsmäßig nicht wertgleich abgefunden wurde.
Die Zulässigkeit der Klage scheitert auch nicht daran, dass mit dem Nachtrag 1 lediglich deklaratorisch eine mit dem Kläger zuvor getroffene vergleichsweise Regelung umgesetzt worden wäre, sodass der Nachtrag 1 keinen Regelungsgehalt mehr hätte und es an der Klagebefugnis fehlte (vgl. zu einem solchen Fall VGH Bad.-Württ., Urteil vom 9.8.2018 - 7 S 1700/15 - RzF - 30 - zu § 59 Abs. 2 FlurbG , juris Rn. 35 m.w.N. der Rspr.). Eine solche Situation liegt hier nicht vor. Denn mit dem Nachtrag 1 wurde nicht nur die mit dem Kläger in der Widerspruchsverhandlung am 22. Mai 2015 vereinbarte Anlage einer Sickerpackung geregelt, sondern zugleich das Abfindungsflurstück anders zugeschnitten.
Bei der Aufnahme seines Widerspruchs gegen den Nachtrag 1 bei der unteren Flurbereinigungsbehörde am 2. August 2017 hat der Kläger zwar seinen Widerspruch zurückgenommen, allerdings nur unter „Berücksichtigung des unter 3. aufgeführten Ergebnisses der Widerspruchsverhandlung (Bau der Rohrleitung)". Als Ergebnis der Widerspruchsverhandlung ist unter 3. vermerkt, der Widerspruchsführer bestehe auf dem Bau einer Rohrleitung möglichst mit direktem Anschluss an den Durchlass unter dem Weg. Die Erklärung des Klägers ist daher so zu verstehen, dass er den Widerspruch nur unter der Bedingung zurücknimmt, dass die von ihm geforderte Rohrleitung gebaut wird. Mit dieser Erklärung hat der Kläger seinen Widerspruch nicht wirksam zurückgenommen. Denn die Rücknahme des Widerspruchs gegen einen Flurbereinigungsplan und damit auch gegen den hier streitgegenständlichen Nachtrag 1 zum Flurbereinigungsplan ist unwirksam, wenn sie unter der aufschiebenden Bedingung erfolgt, dass künftig bestimmte Entwässerungsmaßnahmen durchgeführt werden (BVerwG, Urteil vom 16.8.1995 -11 C 2.95 - RdL 1995, 332, juris Rn. 21 <= Rzf - 8 - zu § 142 Abs. 2 FlurbG>).
Die Klage ist jedoch nicht begründet.
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2. Auch unter dem Gesichtspunkt der Gestaltung seiner Abfindung ist diese gleichwertig. Weder mit Blick auf die Oberflächenentwässerung (a)) noch wegen des Zuschnitts des Abfindungsflurstücks Nr. 3xx (b)) ist dessen Bewirtschaftung in einer Weise erschwert, dass ein die Gleichwertigkeit der gesamten Abfindung betreffender Gestaltungsmangel vorläge.
a) Nach der Erörterung in der mündlichen Verhandlung ist der Senat davon überzeugt, dass das Abfindungsflurstück des Klägers in der Lage ist, das anfallende Oberflächenwasser aufzunehmen, ohne die Bewirtschaftung zu beeinträchtigen. Jedenfalls ist keine mehr als geringfügige Bewirtschaftungserschwernis festzustellen.
Abzustellen ist auf Wassermengen, die bei immer wiederkehrenden Wetterereignissen niedergehen, nicht jedoch auf solche, die bei extremen Wetterereignissen anfallen. Kommt es zu regelmäßigen Überschwemmungen eines Grundstücks, sind diese nicht hinzunehmen, wenn sie zu einer mehr als geringfügigen Bewirtschaftungserschwernis führen, die auch durch anderweitige Vorteile der Gesamtabfindung nicht ausgeglichen werden. Liegen solche Erschwernisse vor, kann der Anspruch auf eine gleichwertige Abfindung gegebenenfalls auch die Schaffung einer Vorflut erfordern, wenn nicht auf andere Weise Abhilfe geschaffen werden kann. Die Art und Weise, wie die erforderliche Vorflut geschaffen wird, ist allerdings dem Ermessen der Flurbereinigungsbehörde überlassen; ein Anspruch darauf, dass eine bestimmte Entwässerungsmaßnahme durchgeführt wird, hat ein Teilnehmer der Flurbereinigung - wie ausgeführt - nicht.
…
cc) Ferner ist zu berücksichtigen, dass bereits das Gelände der Einlageflurstücke talartig ausgebildet war, sodass sich das Wasser schon immer seinen Weg zur tiefsten Stelle gesucht hat. Dieser Umstand ist von Belang, weil kein Teilnehmer einer Flurbereinigung verlangen kann, dass er durch die Flurbereinigung einen Vorteil erlangt; er hat nur einen Anspruch auf wertgleiche Abfindung (BVerwG, Urteil vom 26.10.1978 - V C 85 .77 - BVerwGE 57, 31, <= RzF - 4 - zu § 41 Abs. 1 FlurbG>, juris Rn. 18).
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ee) Soweit der Kläger Schäden durch Oberflächenwasser geltend gemacht hat, das über den Weg auf sein Abfindungsflurstück abfließt, besteht schon kein Zusammenhang mit dem angefochtenen Flurbereinigungsplan, sodass auch die Gleichwertigkeit der Abfindung des Klägers nicht betroffen ist. Ursache dieses Missstandes ist nicht der in den Flurbereinigungsplan aufgenommene Wege- und Gewässerplan, sondern die mangelhafte Unterhaltung des Weges durch die Gemeinde S, die für den Weg seit dessen Übergabe an sie unterhaltungspflichtig ist (vgl. § 42 Abs. 1 FlurbG). Der Mitarbeiter K. der unteren Flurbereinigungsbehörde hat in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt, die Gemeinde habe mittlerweile die erforderlichen Arbeiten durchgeführt, sodass der Mangel abgestellt sei. Der Kläger hat daraufhin bestätigt, dass das Problem behoben sei.
b) Der im Wege des Nachtrags 1 zum Flurbereinigungsplan veränderte Zuschnitt des Abfindungsflurstücks führt ebenfalls nicht zu einer Bewirtschaftungserschwernis, die zu einem die gesamte Abfindung betreffenden Gestaltungsmangel führte.
Der Kläger macht insoweit geltend, das überfahren der Sickerpackung führe wegen der dort zu findenden Steine und des Unrats, der durch den Durchlass
geschwemmt werde, zu Beschädigungen an den Bewirtschaftungsmaschinen, insbesondere des Kreiselschwaders. Er berücksichtigt dabei jedoch nicht, dass der Bereich nicht in seinem, sondern im Eigentum der Gemeinde S steht. Diese Fläche kann zwar überfahren werden, ist jedoch nicht von ihm zu bewirtschaften. Beim überfahren sind daher die Bewirtschaftungsgeräte so weit anzuheben, dass diese nicht beschädigt werden. Aufgrund der oben dargestellten Bewirtschaftungsrichtung ist ein überfahren der Sickerpackung im Zuge der Bewirtschaftung zudem nicht zwingend erforderlich. Nach alldem ist jedenfalls eine spürbare Bewirtschaftungserschwernis nicht zu erkennen.
a) Die nach den vorstehenden Ausführungen allenfalls geringfügigen Bewirtschaftungserschwernisse werden jedenfalls ausgeglichen durch die Vorteile, die der Kläger durch die Flurbereinigung erhalten hat. Insoweit kann auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen werden (§ 138 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 117 Abs. 5 VwGO).