Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 70. Senat, Urteil vom 22.06.2017 - OVG 70 A 3.15 (Lieferung 2019)

Aktenzeichen OVG 70 A 3.15 Entscheidung Urteil Datum 22.06.2017
Gericht Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg 70. Senat Veröffentlichungen Lieferung 2019

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Soweit der Kläger geltend macht, schon die Einleitung des Bodenordnungsverfahrens sei aus verschiedenen Gründen rechtswidrig, kann das nicht zur Aufhebung des streitgegenständlichen zweiten Änderungsbeschlusses führen, weil der Beschluss, hinsichtlich dessen Nichtigkeit weder behauptet noch ersichtlich ist, unstreitig bestandskräftig geworden ist.
2. Es ist grundsätzlich zulässig, ein Bodenordnungsverfahren nach dem LwAnpG mit einem (Regel)Flurbereinigungsverfahren und einem Unternehmensflurbereinigungsverfahren in der Weise zu kombinieren, dass die Verfahren parallel betrieben und die zu treffenden Entscheidungen gebündelt werden, soweit die jeweiligen formellen und materiellen Voraussetzungen der einzelnen Verfahrensarten eingehalten werden und die Betroffenen hierdurch keine Nachteile erfahren.
3. Ob in einem Verfahren Neuordnungsbedarf für jedes einzelne bzw. alle Flurstücke besteht, ist unerheblich. Maßgeblich sind die Verhältnisse im gesamten Verfahrensgebiet. Deshalb kann selbst die Einbeziehung eines weitgehend arrondierten Einzelbesitzes gerechtfertigt sein.
4. Der Anordnung der Fortführung und Erweiterung des am 21. Juli 1999 eingeleiteten Bodenordnungsverfahrens steht nicht entgegen, dass nach §§ 10 Abs. 1 und 3 Abs. 2 MeAnlG das Eigentum an Meliorationsanlagen auf den Grundstückseigentümer übergegeangen < < <Anm. der Schriftleitung: sic>>> ist.

Aus den Gründen

Soweit der Kläger geltend macht, schon die Einleitung des Bodenordnungsverfahrens ... durch den Anordnungsbeschluss vom 21. Juli 1999 sei aus verschiedenen Gründen rechtswidrig, kann das nicht zur Aufhebung des streitgegenständlichen 2. Änderungsbeschlusses führen, weil der Beschluss vom 21. Juli 1999, hinsichtlich dessen Nichtigkeit weder behauptet noch ersichtlich ist, unstreitig bestandskräftig geworden ist. Die vorliegend streitgegenständliche Fortführung bzw. Erweiterung des Bodenordnungsverfahrens durch den Beschluss vom 30. April 2014 ändert hieran nichts, begründet insbesondere keine neuen diesbezüglichen Klagerechte. Soweit klägerischerseits gerügt wird, die Bestandskraft des Anordnungsbeschlusses vom 21. Juli 1999 könne den Verfahrensbeteiligten, die vom Bodenordnungsverfahren mangels dortigen Grundeigentums nicht betroffen gewesen seien, nicht entgegengehalten werden, mag das zwar zutreffen, jedoch fehlt es für diesen Personenkreis an einer Beschwer durch diesen Beschluss und damit auch an einem diesbezüglichen Klagerecht.


Der Anordnung der Fortführung und Erweiterung des Bodenordnungsverfahrens Vehlefanz/Beregnungsanlage im 2. Änderungsbeschluss vom 30. April 2014 stehen - anders als der Kläger meint - auch nicht §§ 10 Abs. 1 und 3 Abs. 2 MeAnlG entgegen, wonach mit dem Ablauf des 31. Dezember 2000 das Eigentum an Meliorationsanlagen auf den Grundstückseigentümer übergeht, die Anlage wesentlicher Bestandteil des Grundstücks wird und die entsprechenden Rechte erlöschen, wenn nicht zuvor eine Dienstbarkeit für die Anlage (in das Grundbuch) eingetragen oder der Anspruch auf Bestellung einer solchen in einer die Verjährung unterbrechenden Weise geltend gemacht worden ist. Denn das gilt gemäß § 17 Abs. 1 MeAnlG u.a. dann nicht, wenn ein Verfahren zur Feststellung und Neuordnung der Eigentumsverhältnisse nach Abschnitt 8 des Landwirtschaftsanpassungsgesetzes angeordnet ist. Genau das ist hier jedoch infolge des Anordnungsbeschlusses vom 21. Juli 1999 der Fall. Soweit der Kläger auf die Unanwendbarkeit der Fristverlängerungsregelung bei Ablauf von Fristen an einem Sonnabend, einem Sonntag oder einem Feiertag in § 193 BGB für Stichtagsregelungen wie § 10 Abs. 1 MeAnlG und ein entsprechendes Urteil des Amtsgerichts Ludwigslust vom 13. Dezember 2001 - 2 C 8/01 -, juris, verweist, verkennt er, dass dies die (generelle) Sperrregelung in § 17 Abs. 1 MeAnpG für den Eigentumsübergang von Anlagen auf den Grundstückseigentümer gemäß § 10 Abs. 1 MeAnlG bzw. die Geltendmachung von Ansprüchen gemäß § 3 MeAnlG nicht in Frage zu stellen vermag.


Rechtliche Grundlage der somit vorliegend allein zu prüfenden Fortführung und Erweiterung des Bodenordnungsverfahrens als kombiniertes Verfahren mit einem (wesentlich) erweiterten Verfahrensgebiet und erweitertem Verfahrenszweck im 2. Änderungsbeschluss vom 30. April 2014 ist § 63 Abs. 2 LwAnpG i. V. m. § 8 Abs. 2 FlurbG bzw. § 63 Abs. 3 LwAnpG.


Nach § 8 Abs. 2 FlurbG kann die Flurbereinigungsbehörde "erhebliche Änderungen" des Flurbereinigungsgebiets anordnen, wobei hierfür - anders für geringfügige Änderungen nach Absatz 1 - in vollem Umfang die Vorschriften der §§ 4 bis § 6 FlurbG gelten. Anhaltspunkte, dass diese (Verfahrens-)Vorschriften vorliegend nicht eingehalten worden sind, fehlen.


Dass es grundsätzlich zulässig ist, ein Bodenordnungsverfahren nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz mit einem (Regel)Flurbereinigungsverfahren nach §§ 1, § 37 FlurbG und mit einem Unternehmensflurbereinigungsverfahren nach §§ 87 ff. FlurbG in der Weise zu kombinieren, dass die Verfahren parallel betrieben und die zu treffenden Entscheidungen gebündelt werden, ist, soweit die jeweiligen formellen und materiellen Voraussetzungen der einzelnen Verfahrensarten eingehalten werden und die Betroffenen hierdurch keine Nachteile erfahren, sog. Schlechterstellungsverbot, in der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2005 - 10 C 6/04 -, juris Rn. 22 ff., 34 f. und Beschluss vom 19. Mai 1989 - 5 B 15.89 -, Buchholz 424.01 § 87 FlurbG, Nr. 13 Leitsatz 3 und S. 19, 20 m.w.N.; s. auch Wingerter/Mayr, a.a.O., § 87 Rn. 30).


Dass die Kombination aller drei Verfahren vorliegend unter Ermessensgesichtspunkten zu beanstanden ist, ist nicht ersichtlich. Im Widerspruchsbescheid wird hierzu ausgeführt, deren Kombination sei in der Sache geboten, weil die Neuordnung der Eigentums- und Rechtsverhältnisse unter gleichzeitiger Einbeziehung der sachenrechtlichen Problematik, der unternehmensbedingt notwendigen Bereitstellung von Grundstücken für die Autobahnerweiterung und der Beseitigung von festgestellten Flurstückszersplitterungen durch Gräben und Wege sowie Erschließungsdefizite nur auf diese Weise vollständig erreichbar sei. Die Kombination sei zweckmäßiger und effektiver als die alternativ mögliche Verfolgung der Verfahrensziele in zeitlich nacheinander angeordneten Verfahren mit jeweils eingeschränkten Regelungsgegenständen, da die Verfahrensgebiete sich überlappen würden und deshalb ansonsten eine wiederholte Inanspruchnahme der gleichen Flächen drohe und zudem wegen eingeschränkter Regelungs- und Gestaltungsmöglichkeiten keine vergleichbar umfassende Neugestaltung des Verfahrensgebietes möglich sei. Der bisher nicht erreichte Abschluss des Verfahrens nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz belege die Notwendigkeit eines komplexeren Verfahrensansatzes. Auch könnten mit der Kombination der Verfahren durch Ausnutzung sonst nicht gegebener Synergieeffekte sowohl kosten- als auch gestaltungsmäßig die günstigsten Ergebnisse erzielt und die verfahrensbezogene Belastung der Beteiligten möglichst gering gehalten werden. Dass dies unzutreffend ist und die dargelegten Erwägungen verfehlt sind, wird klägerischerseits ebenso wenig dargelegt wie eine Schlechterstellung durch die Kombination der Verfahrensarten. Sowohl dafür als auch für die weiterhin gerügte Vermischung der Verfahrensziele der drei Verfahrensarten ist auch nichts ersichtlich.


Der Senat hat auch keine Zweifel an der Zulässigkeit der Erweiterung des Bodenordnungsverfahrens ... - dessen Gebietsabgrenzung ergab sich vorliegend aus dem Zweck der Herbeiführung BGB-konformer Eigentumsverhältnisse hinsichtlich der Beregnungsanlage, d.h. dem diesbezüglichen sachenrechtlichen Regelungsbedarf, und umfasste die in der Flurstücksliste in Anlage 1 des Anordnungsbeschlusses vom 21. Juli 1999 im Einzelnen bezeichneten Flächen - hinsichtlich der Regelflurbereinigung für das gesamte Verfahrensgebiet von 2.457 ha und hinsichtlich der Unternehmensflurbereinigung für den unternehmensbedingten Einwirkungsbereich von 885 ha einschließlich der jeweiligen Gebietsabgrenzung für diese Verfahrensarten.


Im rechtlichen Ausgangspunkt ist diesbezüglich zu berücksichtigen, dass sich die Begrenzung der Verfahrensgebiete aus den jeweiligen unterschiedlichen Verfahrenszwecken ergibt und im behördlichen Ermessen steht (Wingerter/Mayr, a.a.O., § 7 Rn. 3 und 87 Rn. 24 m.w.N.). Insoweit gilt einheitlich der Grundsatz des § 7 Abs. 1 Satz 2 FlurbG, dass der Zweck der Flurbereinigung möglichst vollkommen erreicht werden soll (vgl. für die Unternehmensflurbereinigung BVerwG, Beschluss vom 6. Januar 1987 - 5 B 30.85 -, = RzF - 37 - zu § 87 Abs. 1 FlurbG, für das Bodenordnungsverfahren BVerwG, Urteil vom 29. Juli 2002 - 9 C 1/02 -, juris Rn. 25 f. und Urteil vom 14. Dezember 2005 - 10 C 6/04 -, juris Rn. 43; s. allgemein auch Wingerter/Mayr, a.a.O., § 7 Rn. 7 f.).


Ob dabei Neuordnungsbedarf für jedes einzelne bzw. alle Flurstücke besteht, ist unerheblich. Denn maßgeblich sind die Verhältnisse im gesamten Verfahrensgebiet, d.h. die Förderung der landeskulturellen und wirtschaftlichen Verhältnisse eines bestimmten Raumes. Deshalb kann selbst die Einbeziehung eines weitgehend arrondierten Einzelbesitzes durch die Verbesserung der Agrarstruktur des gesamten Bereinigungsgebietes gerechtfertigt sein, da Sinn und Zweck der Flurbereinigung auch die Verbesserung der gesamten Agrarstruktur des Bereinigungsgebiets ist (BVerwG, Beschluss vom 3. Juni 1961 - I B 19.61 -, = RzF - 3 - zu § 1 FlurbG, und Beschluss vom 26. Oktober 1966 - IV B 291.65 -, = RzF - 7 - zu § 4 FlurbG).


Das weitere Vorbringen des Klägers in der Klagebegründung, Erschließungs- und sonstiger Neuordnungsbedarf bestehe für seine Flurstücke nicht, verfängt schon deshalb nicht, weil das Bestehen von Flurneuordnungsbedarf großräumig gebietsbezogen festzustellen ist, d.h. ein solcher Bedarf nicht für jedes Flurstück bestehen muss. Dementsprechend bedarf der Ausnahmefall einer Nichteinbeziehung eines Flurstücks innerhalb eines Gebietes mit Neuordnungsbedarf besonderer Sachgründe. Dass hieran gemessen hinsichtlich der Flurstücke des Klägers mit der Nr. ... und ... der Flur ... in der Gemarkung ... Neuordnungsbedarf fehlt, ist weder dargelegt noch ersichtlich. Im Übrigen hat der Beklagte diesbezüglich ausgeführt, hinsichtlich dieser beiden Flurstücke bestehe wegen der stark veränderten wasserwirtschaftlichen Verhältnisse am Mühlensee Neuordnungsbedarf. Dass diese Annahme unzutreffend ist, ist mit Blick auf die bereits erwähnte "Karte 5: Konflikte und Defizite" der Vorarbeiten ... des vlf nicht ersichtlich. Zudem fehlt es hiernach für das Flurstück ... an der notwendigen Erschließung und liegt das Flurstück ... jedenfalls neben einem solchen Bereich ohne Erschließung. Die anderen Flurstücke des Klägers, nämlich die Flurstücke ... der Flur ... und ... der Flur ... in der Gemarkung ..., liegen im Gebiet des Bodenordnungsverfahrens ... und das erstgenannte Flurstück zudem sowie die Flurstücke ... und ... der Flur ... im Einwirkungsbereich der Unternehmensflurbereinigung, so dass die entsprechende Einbeziehung bereits hierdurch gerechtfertigt war.

Anmerkung


Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 09.04.2018 - BVerwG 9 B 28.17 -