Flurbereinigungsgericht Kassel, Urteil vom 29.06.2017 - 23 C 2407/16 = NJOZ 2018, 1169= NuR 2017, 765= RdL 2018, 9= DÖV 2017, 964 (Lieferung 2019)

Aktenzeichen 23 C 2407/16 Entscheidung Urteil Datum 29.06.2017
Gericht Flurbereinigungsgericht Kassel Veröffentlichungen = NJOZ 2018, 1169 = NuR 2017, 765 = RdL 2018, 9 = DÖV 2017, 964  Lieferung 2019

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Nach der Vorschrift des § 34 Absatz 1 Nummer 1 FlurbG ist der Grünlandumbruch jedenfalls zustimmungspflichtig, wenn er nicht mehr der guten fachlichen Praxis i. S. d. § 5 Absatz 2 Nummer 5 BNatSchG entspricht.
2. Die Erteilung der Zustimmung steht im Ermessen der Flurbereinigungsbehörde. Bei der Ermessensentscheidung sind die Grundsätze der Neugestaltung des Flurbereinigungsgebiets nach § 37 Absatz 1 FlurbG und die dabei nach § 37 Absatz 2 FlurbG zu wahrenden öffentlichen Interessen zu berücksichtigen.

Aus den Gründen

Die Beschränkung der ohne Zustimmung zulässigen Änderungen der Nutzungsarten auf solche, die zum ordnungsgemäßen Wirtschaftsbetrieb gehören, soll verhindern, dass erhebliche Änderungen der Nutzungsart vorgenommen werden, die die Abfindungsgestaltung durch die Flurbereinigungsbehörde behindern könnten. Andererseits soll der normale Wirtschaftsbetrieb möglich bleiben, ohne dass eine Zustimmung der Flurbereinigungsbehörde eingeholt werden muss. Zum ordnungsgemäßen Wirtschaftsbetrieb gehört somit nur die herkömmliche, übliche Nutzung (vgl. Quadflieg, Recht der Flurbereinigung, § 34 FlurbG Anm. 16), nicht aber die Änderung in eine Nutzung, die den bisherigen betrieblichen Rahmen verlässt, mag sie auch betrieblich sinnvoll sein (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20. März 2002 - 9 C 11151/01 -, NuR 2002, 756). So gehört bspw. die erstmalige Anlage einer Obstplantage, anders als eine turnusmäßige Neuanpflanzung, nicht zum ordnungsgemäßen Wirtschaftsbetrieb eines Obstbaubetriebes (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13. April 1971 - IV B 168.70 -, RdL 1971, 236 <= RzF - 10 - zu § 34 Abs. 1 FlurbG>). Maßgeblich kommt es darauf an, ob in der Nutzungsart des konkreten Grundstücks eine Änderung vorgenommen wird. Die Gesamtnutzungsart der zum Betrieb eines Landwirts gehörenden Grundstücke ist unerheblich (BVerwG, Beschluss vom 24. September 2002 - 9 B 38.02 -, juris).


...


Die Zustimmungsbedürftigkeit ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Grünlandumbruch nicht mehr der guten fachlichen Praxis im Sinne des § 5 Abs. 2 Nr. 5 BNatSchG entspricht. Danach wiederspricht es der guten fachlichen Praxis, auf erosionsgefährdeten Hängen einen Grünlandumbruch vorzunehmen.


Bei den zum Grünlandumbruch beantragten Flächen des Klägers handelt es sich sämtlich um solche die erosionsgefährdet sind. Es ist allgemein anerkannt, dass die Ermittlung und genaue Festlegung von erosionsgefährdeten Gebieten mit Hilfe von Kartendiensten der Fachbehörden erfolgen kann (Agena, NuR 2012, Seite 297 [305 f.]). Daher erachtet das Flurbereinigungsgericht es für zutreffend, zur Frage der Erosionsgefährdung auf die archivmäßig beim Hessischen Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie verwahrten Karte "CC Erosionskulisse nach DIN 19708" abzustellen ... . ... Das heißt, dass die Grundstücke zumindest erosionsgefährdet sind, teilweise sogar eine hohe Erosionsgefährdung aufweisen. Demzufolge gehört der vom Kläger beabsichtigte Grünlandumbruch nicht mehr zum ordnungsgemäßen Wirtschaftsbetrieb im Sinne des § 34 Absatz 1 Nummer 1 FlurbG.


Die Flurbereinigungsbehörde hat die nach § 34 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG erforderliche Zustimmung für den beabsichtigten Grünlandumbruch in nicht zu beanstandender Weise versagt.


Die Erteilung der Zustimmung steht im Ermessen der Flurbereinigungsbehörde. Bei der Regelung des § 34 Abs. 1 Nr. 1 FlurbG handelt es sich um ein Veränderungsverbot mit Erlaubnisvorbehalt, das dazu dient, die Neugestaltung des Flurbereinigungsgebietes, deren Ergebnisse im Flurbereinigungsplan zusammengefasst werden, zu gewährleisten und die planerische Gestaltungsfreiheit im Rahmen des Verfahrenszweckes zu sichern. Außerdem sollen der zur Mitwirkung berufenen Teilnehmergemeinschaft vermeidbare Aufwendungen erspart bleiben, die durch die vorgenommenen Änderungen erwachsen, soweit deren Wiederherstellungskosten nicht abwälzbar sind. Versagt werden kann die Zustimmung dann, wenn die Änderung die Ausführungen der zur Neugestaltung des Flurbereinigungsgebietes erforderlichen Maßnahmen beeinträchtigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. April 1989 - 5 C 24.86 -, NVwZ 1990, 366 <= RzF - 25 - zu § 34 Abs. 1 FlurbG>). In welchem Umfang die Neugestaltung des Flurbereinigungsgebietes beeinträchtigt wird, hängt auch davon ab, ob das planerische Ermessen erst verwirklicht werden soll oder ob planerische Entscheidungen - wie hier mit dem genehmigten Wege- und Gewässerplan - bereits getroffen sind. Insgesamt sind die Grundsätze der Neugestaltung des Flurbereinigungsgebiets nach § 37 Abs. 1 FlurbG und die dabei nach § 37 Abs. 2 FlurbG zu wahrenden öffentlichen Interessen auch bei der Entscheidung über eine Zustimmung nach § 34 FlurbG zu berücksichtigen.


Nach § 37 Abs. 1 FlurbG zählt es zu den Grundsätzen, die bei der Neugestaltung des Flurbereinigungsgebiets zu berücksichtigen sind, die Feldmark neu einzuteilen und zersplitterten oder unwirtschaftlich geformten Grundbesitz nach neuzeitlichen betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten zusammenzulegen und alle Maßnahmen zu treffen, durch welche die Grundlagen der Wirtschaftsbetriebe verbessert, der Arbeitsaufwand vermindert, und die Bewirtschaftung erleichtert wird. Vor diesem Hintergrund entspricht es einer an den Zwecken des Flurbereinigungsgesetzes ausgerichteten Ermessensausübung, die Zustimmung für den Grünlandumbruch auf den klägerischen Grundstücken zu verweigern, weil diese sich innerhalb zusammenhängender Grünlandschläge befinden. Wie im Termin zur mündlichen Verhandlung erörtert, sind die Grundstücke Flur 46, Flurstücke 63, 64 und 65 in westlicher, östlicher und südlicher Richtung von Grünlandflächen umschlossen. In nördlicher Richtung sieht der Wege- und Gewässerplan die Umwandlung der derzeit nach dem Gewässerplan als Acker genutzten Flurstücke 66 bis 68 in Grünland vor. Auch die Grundstücke Flur 53, Flurstücke 49, 60 und 61 liegen inmitten eines Schlags, für welchen nach dem Wege- und Gewässerplan Grünlandnutzung bereits besteht bzw. für die westlichen Teile der südlich anschließenden Flurstücke 53 bis 56 die Umwandlung von Ackerland zu Grünland im Wege- und Gewässerplan geplant ist. Die Zustimmung zum Grünlandumbruch liefe mithin dem Zweck zuwider, zusammenhängende Wirtschaftseinheiten zu schaffen.


Da auch der Bodenschutz nach § 37 Abs. 1 FlurbG zu den bei der Neuordnung des Flurbereinigungsgebiets zu berücksichtigenden Belangen zählt, trägt auch die Berufung auf die Erosionsgefährdung (s.o.) der Flächen des Klägers die die Zustimmung ablehnende Entscheidung.


Nach § 37 Abs. 2 FlurbG hat die Flurbereinigungsbehörde bei der Durchführung Neugestaltung des Flurbereinigungsgebiets die öffentlichen Interessen zu wahren, wozu auch die Erfordernisse der Wasserwirtschaft einschließlich der Wasserversorgung zählen. Somit ist es unter Ermessensgesichtspunkten auch nicht zu beanstanden, dass die Flurbereinigungsbehörde die Zustimmung für den Grünlandumbruch auf den Grundstücken Flur 53, Flurstücke 49, 60 und 61 auch mit der Begründung verweigert hat, diese Grundstücke lägen in der Zone III der Verordnung zur Festsetzung von Wasserschutzgebieten für Trinkwassergewinnungsanlagen der Gemeinde Aarbergen "Brunnen I, "Brunnen II" und "Brunnen IV" in der Gemarkung Aarbergen-Michelbach sowie "Brunnen III in der Gemarkung Hohenstein-Holzhausen, Rheingau-Taunus-Kreis" vom 24. Oktober 1996 (StAnz. 1997, S. 644) - WSGV. In diesen Zonen ist gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 WSGV die Umwandlung von Grün- in Ackerland untersagt. Wenn der Kläger dagegen einwendet, der Wege- und Gewässerplan lasse bei einzelnen Flächen innerhalb der Zonen II und III der Verordnung eine Umwandlung von Grünland in Ackerland zu, vermag dies die Argumentation der Flurbereinigungsbehörde nicht in Frage zu stellen. Gemäß Nr. 4.4 der Genehmigung des Wege- und Gewässerplans vom 21. Dezember 2015 ist in der Plangenehmigung die wasserrechtliche Ausnahmegenehmigung gemäß § 11 Abs. 1 WSGV enthalten. Nach dem Vortrag der Flurbereinigungsbehörde hat die zuständige Wasserbehörde ihr Einvernehmen zum Umbruch der entsprechenden Flächen davon abhängig gemacht, dass in entsprechender Größe in den Zonen II und III des Trinkwasserschutzgebietes Ackerland zu Grünland umgewandelt wird (vgl. dazu auch das Schreiben des Rheingau-Taunus-Kreises an das Amt für Bodenmanagement Limburg vom 15. Juli 2015, BI. 198 ff. der Flurbereinigungsakte). Dementsprechend enthält die Plangenehmigung unter Nr. 5.8 die Bedingung, dass vor dem Umbruch der von der Ausnahmegenehmigung erfassten Dauergrünlandflächen auf bestimmten Flächen Dauergrünland anzulegen ist. Eine entsprechende Kompensation kann für die Flächen des Klägers nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag des Beklagten nicht durchgeführt werden.


Der Senat vermag auch keine Ungleichbehandlung des Klägers in Bezug auf die Erteilung von Zustimmungen zum Grünlandumbruch zu erkennen. Der Beklagte hat auf eine entsprechende Nachfrage des Gerichts unwidersprochen mitgeteilt, dass seit Erlass des Flurbereinigungsbeschlusses (nur) auf den Grundstücken Flur 49, Flurstücke 48 und 89 Grünland in Ackerland umgebrochen worden sei. Dies sei aber ohne Zustimmung des Beklagten erfolgt.