Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 22.10.2014 - 13 A 14.1111 = KommunalPraxis BY 2015, 106 (Leitsatz) (Lieferung 2016)

Aktenzeichen 13 A 14.1111 Entscheidung Urteil Datum 22.10.2014
Gericht Flurbereinigungsgericht München Veröffentlichungen = KommunalPraxis BY 2015, 106 (Leitsatz)  Lieferung 2016

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. In der flurbereinigungsrechtlichen Wertermittlung entspricht es dem Stand der Technik, die Hangneigung mittels eines skalierten optischen Hangmessgeräts zu messen.
2. Die Wertfeststellung steht nur insoweit zur Überprüfung durch das Flurbereinigungsgericht an, als sie von dem Teilnehmer angefochten worden ist.
3. Macht ein Teilnehmer von seinem Anfechtungsrecht nur teilweise Gebrauch, muss er die Wertermittlungsfeststellung im Übrigen gegen sich gelten lassen.
4. Eine nach Ablauf der Widerspruchsfrist vorgenommene Erweiterung des Widerspruchs auf nicht angefochtene Werte anderer Flurstücke ist nicht zulässig (BVerwG, B.v. 2.9.1977 - V CB 62.74 - Buchholz 424.01 § 134 FlurbG Nr. 12).
5. Ist zweifelhaft, ob der Widerspruch beschränkt sein soll, ist anzunehmen, dass die angefochtene Entscheidung in vollem Umfang einer Überprüfung unterzogen werden soll (BayVGH, U.v. 3.10.1075 - 85 XIII 73 - AgrarR 1976, 204 = RzF - 7 - zu § 32 FlurbG).

Aus den Gründen

19    Die Klage ist auch nicht deshalb unzulässig, weil die betreffenden Einlageflurstücke im Widerspruchsschreiben und der Widerspruchsbegründung nicht ausdrücklich genannt waren, sondern erst in der Klagebegründung vom 5. November 2013 angeführt wurden. Die Wertfeststellung steht nur insoweit zur Überprüfung durch das Flurbereinigungsgericht an, als sie von dem Teilnehmer angefochten worden ist. Macht dieser von seinem Anfechtungsrecht nur teilweise Gebrauch, muss er die Wertermittlungsfeststellung im Übrigen gegen sich gelten lassen. Daraus folgt, dass eine nach Ablauf der Widerspruchsfrist vorgenommene Erweiterung des Widerspruchs auf nicht angefochtene Werte anderer Flurstücke nicht zulässig ist (BVerwG, B.v. 2.9.1977 - V CB 62.74 - Buchholz 424.01 § 134 FlurbG Nr. 12). Ist jedoch zweifelhaft, ob der Widerspruch beschränkt sein soll, ist anzunehmen, dass die angefochtene Entscheidung in vollem Umfang einer Überprüfung unterzogen werden soll. (BayVGH, U.v. 3.10.1075 - 85 XIII 73 - AgrarR 1976, 204 = RzF - 7 - zu § 32 FlurbG). Dies ist hier der Fall. Es ist davon auszugehen, dass der Widerspruch trotz Benennung bestimmter Flurstücke nicht abschließend war und von der Beklagtenseite auch nicht so aufgefasst wurde. Dies zeigt sich u.a. an dem Schreiben des Spruchausschusses vom 20. Juni 2013, womit dem Kläger in Aussicht gestellt wurde, dass noch zusätzliche Flächen überprüft werden würden und wodurch der Kläger aufgefordert wurde, alle diejenigen Einlage- und Abfindungsflurstücke aufzulisten, mit deren Bewertung er aktuell nicht einverstanden sei.


20    Die Klage ist auch begründet (§ 138 Abs. 1 Satz 2, § 146 Nr. 2 FlurbG, § 113 VwGO).


21    Die Feststellung des Wertermittlungsergebnisses für die genannten Einlageflurstücke ist rechtswidrig, weil teilweise ein Hangabschlag anzusetzen ist.


22    Der Wert der alten Grundstücke ist nach §§ 27 ff. FlurbG zu ermitteln. Landwirtschaftlich genutzte Grundstücke sind gemäß § 28 Abs. 1 FlurbG in der Regel nach dem Bodennutzungswert zu bewerten (Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 28 Rn. 1). Hierbei sind alle für den Wert wesentlichen Faktoren zu berücksichtigen. Für den Nutzungswert im Sinn dieser Vorschrift ist neben den im Boden selbst liegenden Ertragsbedingungen auch die örtliche Lage für den Ertrag von Bedeutung (ders.,a.a.O., § 28 Rn. 11, 12). Ein zu berücksichtigender ungünstiger Faktor ist die Hängigkeit des Geländes, weil z.B. Schlepperkosten und Erosionsgefahr bei stärkerer Bodenneigung zunehmen (BVerwG, U.v. 23.6.1959 - I C 78.58 - Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 2; B.v. 8.5.1987 - 5 B 147.85 - = RzF - 38 - zu § 28 Abs. 1 FlurbG).


23    Der durch die Mitwirkung eines technischen Fachbeisitzers auch in vermessungstechnischer Hinsicht sachverständig besetzte Senat (vgl. BVerwG, U.v. 9.10.1973 - V CB 71.72 - BVerwGE 44, 96; BayVGH, U.v. 16.7.2013 - 13 A 11.1856 - BayVBl 2014, 247) hat im Rahmen der Beweisaufnahme Hangmessungen vorgenommen. Hierbei ist bezüglich der genannten Einlageflurstücke 838 und 839 ab der nördlichen Grenze eine Steigung von 6 % auf 60 m in südlicher Richtung festgestellt worden. Nach den für dieses Verfahren aufgestellten Grundsätzen der Wertermittlung ist bei einer solchen Hangneigung ein Abschlag vom Bodenwert in Höhe von 5 % vorzunehmen. Gemäß der Tabelle der Hangabschläge beträgt der Abzug bei der hier festgestellten Bodenwertzahl 31 zwei Wertzahlen (-2 H). Das hierbei angewandte Messverfahren war dasselbe wie bei der von der Beklagten vorgenommenen Wertermittlung, so dass Vergleichbarkeit sowohl im Einzelfall als auch für das Flurbereinigungsgebiet im Ganzen besteht. Das in der Flurbereinigungsverwaltung seit langem eingesetzte Hangmessgerät (sog. optischer Handgefällmesser) hat eine skalierte Ablesegenauigkeit von 0,5 %, wodurch eine ausreichende Messgenauigkeit gegeben ist. Dieses Gerät wird auch vom Senat verwendet. Der Einwand des Beigeladenen, dass sich aus der anlässlich der Beweisaufnahme probeweise zusätzlich durchgeführten Höhendifferenzmessung per GPS-Gerät (Globales Positionsbestimmungssystem) eine - abschlagslose - Hangneigung von unter 5 % ergeben habe, vermag keine andere Entscheidung zu rechtfertigen. Das GPS wird im Flurbereinigungsverfahren nur zur Festlegung der Koordinaten von Grenzpunkten im Gelände, aber nicht zur Ermittlung von Hangneigungen eingesetzt. Die Auskunft des ALE U. vom 21. Oktober 2014, wonach durch die Verwendung des SAPOS-Dienstes die dreidimensionale Position von Messpunkten im amtlichen Bezugssystem bestimmt und in ein Höhensystem überführt werden kann, steht dieser Erkenntnis nicht entgegen, weil im Flurbereinigungsverfahren nur die Lagekoordinaten, aber nicht die Höhendaten verarbeitet und registriert werden. Das vom Senat gewonnene Beweisergebnis beruht auf der Kenntnis der örtlichen Verhältnisse und einer fachkundigen Messung gemäß einer bewährten und allgemein anerkannten Messmethode (vgl. BVerwG, B.v. 20.10.2011 - 9 B 15.11 - juris). Da diese in Fachkreisen bisher keinen Bedenken begegnet, hat kein Anlass bestanden, die Amtsermittlung nach § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO auf eine andere, unübliche Messmethode auszudehnen.