Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 03.10.1975 - 85 XIII 73 = AgrarR 1976 S. 204

Aktenzeichen 85 XIII 73 Entscheidung Urteil Datum 03.10.1975
Gericht Flurbereinigungsgericht München Veröffentlichungen AgrarR 1976 S. 204  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Eine Schätzbeschwerde ohne nähere Angaben von Gründen innerhalb der Beschwerdefrist ist zulässig.
2. Eine solche Beschwerde ist allerdings unbegründet, wenn es der Beschwerdeführer unter Verletzung der ihn treffenden Mitwirkungspflicht - trotz Aufforderung und Fristsetzung - unterläßt, die nach seiner Ansicht nicht richtig bewerteten Grundstücke zu bezeichnen und die Richtung seines Angriffs bekanntzugeben.

Aus den Gründen

Die Feststellung der Ergebnisse der Schätzung (§ 32 FlurbG) ist ein Verwaltungsakt, den die Beteiligten mit der Beschwerde angreifen können (§ 110, 141 Abs. 1 FlurbG). Weder das Flurbereinigungsgesetz noch das Bayer. Ausführungsgesetz dazu enthalten Vorschriften, welche die Formalien für die Einlegung der Schätzbeschwerde regeln. Zu Recht weist die Klagepartei in diesem Zusammenhang darauf hin, daß die Bestimmung in Art. 21 Abs. 2 Satz 2 AGFlurbG, wonach die schriftlich erhobene Beschwerde gleichzeitig, das heißt innerhalb der Beschwerdefrist, zu begründen ist, nur für Planbeschwerden gilt; sie kann als Ausnahmevorschrift grundsätzlich nicht auf Beschwerden aus anderen Verfahrensabschnitten ohne weiteres entsprechend angewandt werden. Die Frage nach den bei einer Schätzbeschwerde einzuhaltenden Formalien beurteilt sich mithin nach den Grundsätzen, wie sie für das Widerspruchsverfahren nach der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - als verwaltungsgerichtliches Vorverfahren allgemein entwickelt worden sind (§ 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG in Verbindung mit §§ 68 ff. VwGO). Auch die VwGO stellt aber keine inhaltlichen Anforderungen an den Widerspruch. Sie verlangt keinen bestimmten Antrag; es genügt vielmehr, wenn die Widerspruchsschrift hinreichend zu erkennen gibt, daß der Betroffene sich durch den Verwaltungsakt beschwert fühlt und eine nochmalige Überprüfung begehrt (Redeker / von Oertzen, 4. Auflage, Anm. 10 und Eyermann / Fröhler, 6. Auflage, Anm. 1, je zu § 70 VwGO). Das Gesetz schreibt des weiteren nicht vor, daß eine Widerspruchsbegründung innerhalb der Widerspruchsfrist angebracht sein muß; ist Gegenteiliges nicht ersichtlich, so muß angenommen werden, daß die angefochtene Entscheidung im vollen Umfang einer Nachprüfung unterzogen sein soll; es ist Sache der Behörde, durch entsprechende Rückfragen festzustellen, inwieweit der Verwaltungsakt nachgeprüft werden soll (Eyermann / Fröhler, Anm. 1 a a.a.O.). - Diesen Formerfordernissen entspricht die Beschwerdeschrift vom 20.7.1972. Sie bezeichnet den angefochtenen Verwaltungsakt, durch den sich der Kläger beschwert fühlt. Damit ist die Schätzbeschwerde in zulässiger Weise erhoben. In diesem Zusammenhang ist es unerheblich, daß zur Begründung der Schätzbeschwerde Ausführungen gemacht werden, die sich vornehmlich mit der Unzufriedenheit des Klägers mit den vorgesehenen neuen Grundstücken befassen, und daß auf eine Vorsprache des Klägers bei der Behörde abgestellt wird, die sich gleichfalls mit der geplanten Neugestaltung der Abfindung auseinandersetzt. Solcher in Bezug auf eine Schätzbeschwerde neben der Sache liegender Vortrag kann allenfalls zur Unbegründetheit der Beschwerde führen, stellt aber ihre Zulässigkeit nicht in Frage. Davon abgesehen hat der Kläger in der Beschwerde vom 20.7.1972 aber immerhin auch zum Ausdruck gebracht, daß er die Grundstücke, die er nun abgeben soll, als wesentlich mehr wert ansieht, als jene, die er nach dem Planentwurf erhalten soll. Diese Ausführungen lassen durchaus den Schluß zu, daß sich die Schätzbeschwerde auf die eingelegten und zugedachten neuen Grundstücke beziehen soll.

Die Behörde (Ausgangs- und Beschwerdebehörde) wird dadurch nicht vor unüberschaubare Schwierigkeiten gestellt, was den Umfang der Nachprüfung angeht; sie hat es in solchen Fällen auf Grund der dem Amtsprinzip innewohnenden Aufklärungspflicht und im Interesse einer beschleunigten Verfahrensdurchführung in der Hand, den Beschwerdeführer durch Nachfragen und unter Fristsetzung aufzufordern, die nach seiner Ansicht nicht richtig bewerteten Grundstücke zu bezeichnen und die Gründe hierfür anzugeben. Der Teilnehmer ist aus Gründen der ihn treffenden Mitwirkungspflicht (BVerwGE 9, 93) gehalten, der Aufforderung nachzukommen und entsprechende Angaben zu machen. Die Beteiligung an einem Flurbereinigungsverfahren verpflichtet den Teilnehmer, im Rahmen seiner Möglichkeiten in einer sachgerechten und den Zielen der Flurbereinigung entsprechenden Weise mitzuwirken. Hierzu gehört auch die Pflicht, als Beschwerdeführer gegen die Schätzung solche Erklärungen abzugeben, die eine echte Nachprüfung ermöglichen. Das ist in der Regel nicht oder nur unzureichend möglich, wenn gar keine Begründung oder nur die allgemein gehaltene Beanstandung gebraucht wird, die Einlagegrundstücke seien zu niedrig und die - vorgesehenen - Ersatzgrundstücke zu hoch bewertet. Gerade bei der Bewertung der Grundstücke nach § 27 ff. FlurbG als der maßgeblichen Grundlage für die Ermittlung des Abfindungsanspruches der Teilnehmer nach § 44 FlurbG muß möglichst genau bekannt sein, in welchem Umfang die Teilnehmer mit der Bewertung ihrer Grundstücke - nicht - einverstanden sind. Diese Kenntnis muß im Interesse der Rechtssicherheit sowohl die Behörde als auch jeder Dritte haben, um sich Klarheit darüber zu verschaffen, ob überhaupt und in welchem Umfang die Schätzung angefochten sein soll. - Gibt der beschwerdeführende Teilnehmer schuldhaft keine - termingerechte - Erklärung ab, so verletzt er diese ihn treffende Mitwirkungspflicht, was den Verlust des sachlichen Rügerechts zur Folge hat. Die Behörde ist in einem solchen Fall von der sachlichen Würdigung entbunden; die Beschwerde ist unbegründet. Kommt der Beschwerdeführer allerdings der Aufforderung nach und bezeichnet er die nach seiner Meinung nicht richtig geschätzten Grundstücke unter Bekanntgabe der Angriffsrichtung (BVerwGE 15, 271), so ist darin eine Beschränkung der Beschwerde auf diese Angriffe zu sehen; im übrigen gilt er als zustimmend (§ 134 Abs. 1 FlurbG), sofern auf diese kraft Gesetzes eintretende Rechtsfolge hingewiesen worden ist (§ 134 Abs. 1, Nachsatz FlurbG).