Flurbereinigungsgericht Münster, Urteil vom 19.05.2016 - 9 a D 16/13.G (Lieferung 2017)
Aktenzeichen | 9 a D 16/13.G | Entscheidung | Urteil | Datum | 19.05.2016 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Münster | Veröffentlichungen | Lieferung | 2017 |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Der Kläger ist trotz bestandskräftiger Wertermittlung nicht gehindert, im Rahmen der Anfechtung der Wertgleichheit seiner Abfindung die Nichtigkeit der Wertermittlung oder Nachsichtgründe nach § 134 Abs. 2 FlurbG geltend zu machen. |
2. | § 30 regelt für das Wertermittlungsverfahren ausdrücklich, dass für die Größe der Grundstücke in der Regel die Eintragung im Liegenschaftskataster maßgebend ist und nicht die in der Örtlichkeit vorhandenen Abmarkungen. Sinn und Zweck der Vorschrift besteht darin, aufwändige und kostenintensive Vermessungen der Einlageflächen nach Möglichkeit zu vermeiden. Die gesetzliche Vermutung des § 30 FlurbG gilt bis zum Beweis der Unrichtigkeit des Katasters. |
3. | Ist der Teilnehmer Eigentümer landwirtschaftlicher Flächen sowohl in der Stadt C. als auch in der Stadt B., wird er ohnehin von beiden Städten steuerlich veranlagt. Rechtlich relevante Nachteile im Zusammenhang mit der Beantragung und Abwicklung von flächenbezogenen EU-Agrarzahlungen sind bei Zuteilung benachbarter Flächen aus verschiedenen Städten daher nicht zu erwarten; die insofern lediglich in Rechnung zu stellende Belastung durch zusätzlichen bürokratischen Aufwand ist geringfügig und fällt bei der hier vorzunehmenden Gesamtabwägung letztlich nicht ins Gewicht. |
Aus den Gründen
Die Ergebnisse der Wertermittlung sind bestandskräftig festgestellt.
...
Allerdings ist der Kläger nicht gehindert, im Rahmen der Anfechtung der Wertgleichheit seiner Abfindung die Nichtigkeit der Wertermittlung oder Nachsichtgründe nach § 134 Abs. 2 FlurbG geltend zu machen.
Vgl. Francois in: Eiding/Hofmann-Hoeppel, Verwaltungsrecht, 1. Auflage 2013, § 30 (Flurbereinigungsrecht) Rn. 30 ff.
Beide Gründe liegen aber nicht vor.
Es sind keinerlei rechtliche Gesichtspunkte zu erkennen und vom Kläger auch nicht geltend gemacht, dass die Ermittlung der Größe oder des Wertes der Einlageflächen des Klägers an einem besonders schwerwiegenden und offensichtlichen Fehler im Sinne des § 44 VwVfG NRW leiden könnte.
Auch liegen die Voraussetzungen für eine Nachsichtgewährung für die Zulassung einer nachträglichen Anfechtung der Ergebnisse der Wertermittlung nicht vor.
Nach § 134 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 FlurbG können nach Lage des einzelnen Falles spätere Widersprüche trotz Fristversäumung zugelassen werden (Abs. 2 Satz 1); Nachsicht muss gewährt werden, wenn die Fristversäumung unverschuldet ist und der Widerspruch un-verzüglich nach Behebung des Hindernisses nachgeholt wird (Abs. 2 Satz 2).
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Nachsichtgewährung nach Abs. 2 Satz 2 des § 134 FlurbG, weil er zu keinem Zeitpunkt die Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung angefochten hat. Selbst wenn er dies konkludent durch die hier erhobene Rüge der falschen Flächengröße getan haben sollte, wäre die Fristversäumung nicht unverschuldet. Unverschuldet handelt nur der Teilnehmer, der die Sorgfalt wahrt, die von einem verantwortungsbewussten Teilnehmer bei der Durchsetzung seiner eigenen Belange erwartet werden muss. Es ist von jedem Teilnehmer zu erwarten und ihm auch zuzumuten, dass er sich bereits im Wertermittlungsverfahren über die Bewertung (nicht nur) seiner Einlageflächen vergewissert und Einwendungen hiergegen rechtzeitig vorbringt.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 1974 - V C 56.73 -, BVerwGE 47, 96.
Im vorliegenden Fall ist der Kläger verpflichtet gewesen, die von ihm gerügte Größe und Bewertung der Einlagegrundstücke Gemarkung B. , Flur 1, Flurstücke 2162 und 2163 (ehemals Flurstück 1937) bzw. seine dort befindliche Wirtschaftseinheit "Im kleinen C. " bereits im Wertermittlungsverfahren zu überprüfen. Außerdem hätte der Kläger die Größe und Bewertung seiner Einlageflächen Gemarkung C. , Flur 21, Flurstücke 41 und 44, im Wertermittlungsverfahren überprüfen lassen können. Einwendungen hat er aber ohne erkennbaren Hinderungsgrund im Wertermittlungsverfahren nicht erhoben.
Die Voraussetzungen für eine Nachsichtgewährung im Wege des Ermessens nach § 134 Abs. 2 Satz 1 FlurbG liegen ebenfalls nicht vor. Eine Nachsichtgewährung im Wege des Ermessens setzt voraus, dass ein Festhalten an dem angefochtenen Verwaltungsakt für den säumigen Betroffenen eine unbillige Härte bedeuten würde.
Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 12. Februar 1963 - I B 141.61 -, BVerwGE 15, 271, RdL 1963, 217, und vom 19. November 1970 - IV B 51.69 -, RdL 1971, 72, RzF 3 zu § 12 FlurbG.
Dabei müssen zum Einen unbedeutende Beeinträchtigungen außer Betracht bleiben, zum Anderen muss die eingetretene Härte auch offenbar sein d.h. sie muss ohne besondere Untersuchungen erkennbar zutage treten. Denn es ist nicht der Sinn der Regelung, in dem Zulassungsverfahren die sachlichen Einwendungen auf das Genaueste so zu untersuchen, als wären sie fristgerecht in das Verfahren eingeführt worden.
Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 12. Februar 1963 und vom 19. November 1970, a.a.O.
Eine unbillige Härte liegt nicht vor, weil der Beklagte sich zu Recht wegen der Größe der Einlageflurstücke 2162 und 2163 auf § 30 FlurbG beruft. Die Vorschrift regelt für das Wertermittlungsverfahren ausdrücklich, dass für die Größe der Grundstücke in der Regel die Eintragung im Liegenschaftskataster maßgebend ist und nicht die in der Örtlichkeit vorhandenen Abmarkungen. Sinn und Zweck der Vorschrift besteht darin, aufwändige und kostenintensive Vermessungen der Einlageflächen nach Möglichkeit zu vermeiden. Die gesetzliche Vermutung des § 30 FlurbG gilt bis zum Beweis der Unrichtigkeit des Katasters.
Vgl. hierzu OVG NRW, Urteil vom 27. November 1972 - IX G 49/70 - <= RzF - 3 - zu § 30 FlurbG>, und BayVGH, Urteil vom 29. Juli 1997 - 13 A 95.2817 -, <= RzF - 5 - zu § 30 FlurbG>.
Der Beweis der Unrichtigkeit des Katasters wird geführt durch Urteil nach §§ 920, 985 oder 1004 BGB oder durch Grenzvereinbarung.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. November 1972 - IX G 49/70 -, = RzF - 3 - zu § 30 FlurbG, und Wingerter/Mayr, Kommentar zum Flurbereinigungsgesetz, 9. Auflage 2013, § 30 Rn. 2.
Der Beklagte hat daher zu Recht für die Einlagegrundstücke Gemarkung B. , Flur 1, Flurstück 2162 eine Größe von 99.976 qm und für das Flurstück 2163 eine Größe von 92.980 qm zu Grunde gelegt. Diese Buchflächen in Quadratmetern sind dem Kläger auch durch Bescheid des zuständigen Kataster- und Vermessungsamtes Aachen vom 23. Februar 2012 mitgeteilt worden. Die Richtigkeit der gesetzlichen Vermutung des § 30 FlurbG wird - so schon der Hinweis der Spruchstelle - nicht dadurch widerlegt, dass in den vom Kläger vorgelegten Gutachten des landwirtschaftlich Sachverständigen K. C. ausgeführt wird, dass die im Jahre 1972 erworbene Einlagefläche 3.633 qm größer sein solle als laut Kaufvertrag. Etwas anderes folgt auch nicht aus der letzten, vom Kläger vorgelegten gutachterlichen Stellungnahme des Sachverständigen C. vom 19. September 2015. Danach brachte der Kläger im dortigen Bereich vier Einlagegrundstücke als Bewirtschaftungseinheit "Im kleinen C. " in Größe von 23,0272 ha in das Verfahren ein. Das Flächenaufmaß bei einem Ortstermin vom 7. September 2015 soll unter Anhaltung der in der Örtlichkeit vorhandenen Vermessungspunkte eine tatsächliche Größe von 23,53000 ha ergeben haben. Gleichwohl hat sich der Beklagte zu Recht an die Größenangaben des Liegenschaftskatasters gehalten, denn durch die Vorlage der landwirtschaftlichen gutachterlichen Stellungnahme unter Bezugnahme auf ein Flächenaufmaß innerhalb der dort noch vorgefundenen Grenzsteine wird die gesetzliche Vermutung der Richtigkeit des Liegenschaftskatasters nach den oben dargelegten Grundsätzen nicht widerlegt. Das Ergebnis der gutachterlichen Stellungnahme vom 19. September 2015 ist im Übrigen so auch nicht nachvollziehbar, zumal jeder Rechenvorgang zum Flächenaufmaß fehlt und sich aus dem Gutachten auch nicht ergibt, ob das Wegeflurstück 1907 in Größe von 992 qm heraus gerechnet worden ist. Zumindest stellt es keine offenbare Härte für den Kläger dar, wenn er sich an der bestandskräftigen Bewertung seiner Einlagefläche festhalten lassen muss. Bei dieser Sachlage und unter Berücksichtigung der in § 30 FlurbG zum Ausdruck gekommenen gesetzlichen Wertung besteht kein Anlass, der geltend gemachten Flächendifferenz im vorliegenden Verfahrensstadium von Amts wegen nachzugehen. Ungeachtet dessen hat der Vertreter des Beklagten in der mündlichen Verhandlung vom 19. Mai 2016 darauf hingewiesen, dass dem Kläger wegen der gerügten Abweichungen der Flächengröße in der Bewirtschaftungseinheit "Im kleinen C. " bereits 281 WZ ohne Geldausgleich in der Erwartung einer gütlichen Einigung gutgeschrieben worden sind.
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