Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 03.07.2007 - 13 A 06.2302 (Lieferung 2008)

Aktenzeichen 13 A 06.2302 Entscheidung Urteil Datum 03.07.2007
Gericht Flurbereinigungsgericht München Veröffentlichungen Lieferung 2008

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. § 50 Abs. 4 FlurbG löst die Wertermittlung für wesentliche Bestandteile aus der alle Teilnehmer in gleicher Weise betreffenden Wertermittlung nach §§ 27 ff. FlurbG heraus und stellt hierfür eigene, auf die Sache bezogene Abfindungsregeln auf.
2. Die nach § 50 Abs. 4 FlurbG zu treffende Entscheidung kann dann Bestandteil des Flurbereinigungsplans werden, ohne dass es einer gesonderten vorgängigen Wertermittlung im Rahmen des Verfahrens nach § 31, § 32 FlurbG bedarf.
3. Der Begriff des wesentlichen Bestandteils in § 50 Abs. 4 FlurbG ist im Sinn der bürgerlich rechtlichen Regelungen (§ 93, § 94 BGB) zu verstehen. Ein Pflaster kann im Einzelfall wesentlicher Bestandteil eines Grundstücks sein. Bei der Beurteilung ist eine wirtschaftliche Betrachtungsweise vorzunehmen.

Aus den Gründen

12     Der Kläger hat für das von ihm auf seinem Einlageflurstück 723 auf einer Fläche von 8 m2 verlegte Pflaster, soweit sich dieses nunmehr auf dem der Beigeladenen zu 1 zugeteilten Abfindungsflurstück 1075/1 befindet, einen im Flurbereinigungsplan zu regelnden Anspruch auf Geldausgleich in Höhe von 400 Euro (§ 50 Abs. 4, § 54 Abs. 1 Satz 1, § 144 Satz 1 FlurbG).


13     Nach § 50 Abs. 4 FlurbG ist der bisherige Eigentümer, soweit erforderlich, für andere nicht unter § 50 Abs. 1 FlurbG fallende wesentliche Bestandteile von Grundstücken gesondert abzufinden. Dieser im Regelfall auf den Ersatz des Werts nach § 29 FlurbG gerichtete Anspruch stellt eine Abfindung eigener Art unabhängig von der Landabfindung dar, die im Flurbereinigungsplan gesondert festzusetzen ist (BVerwG vom 10.11.1993 RdL 1994, 35; vom 30.12.1985 Buchholz 424.01 § 50 FlurbG Nr. 4; vom 4.12.1961 RzF - 1 - zu § 50 Abs. 4). Bei dem vom Kläger verlegten Pflaster handelte es sich um eine bauliche Anlage, die wesentlicher Bestandteil des ihm insoweit nicht wieder zugeteilten Einlageflurstücks 723 geworden ist. Der Begriff des wesentlichen Bestandteils ist im Sinn der bürgerlich-rechtlichen Regelungen (§§ 93 ff. BGB) zu verstehen (BVerwG vom 23.10.1979 Buchholz 424.01 § 28 FlurbG Nr. 4). Bestandteile einer Sache sind danach sowohl die Teile einer natürlichen Sacheneinheit als auch die einer zusammengesetzten Sache, die durch die Verbindung miteinander ihre Selbständigkeit verloren haben. Bei der Beurteilung, ob es sich um einen Bestandteil, eine selbständige Sache innerhalb einer Sachgesamtheit, einen Scheinbestandteil nach § 95 BGB oder um Zubehör (§ 97 BGB) handelt, ist eine an der Verkehrsauffassung orientierte natürliche Betrachtungsweise unter Zugrundelegung eines technisch-wirtschaftlichen Standpunktes geboten. Beurteilungskriterien sind dabei z.B. die Art und der Zweck der Verbindung, deren beabsichtigte Dauer oder der wirtschaftliche Aspekt der Zusammenführung (BGH vom 3.3.1956 BGHZ 20, 154; RG vom 2.11.1907 RGZ 67, 30; RG vom 14.11.1938 RGZ 158, 370). Ein im vorstehenden Sinn verstandener Sachbestandteil ist nach den in § 93 BGB enthaltenen Maßstäben als wesentlich anzusehen, wenn bei einer Trennung der abgetrennte oder der zurückbleibende Bestandteil zerstört oder in seinem Wesen verändert wird. Bei Grundstücken sind wesentliche Bestandteile dadurch gekennzeichnet, dass sie – wie Gebäude – mit dem Grund und Boden fest verbunden sind (s. § 94 Abs. 1 Satz 1 BGB). Als ein entscheidendes Kriterium für die Qualifizierung eines Bestandteils als wesentlicher Teil der Sache bzw. des Grundstücks wird beispielsweise angesehen, ob im Fall einer Trennung noch eine wirtschaftliche Nutzung in der bisherigen Art möglich ist, wobei hohe Trennungskosten auf das Vorliegen eines wesentlichen Bestandteiles hindeuten (BGH vom 27.6.1973 BGHZ 61, 81 = WM 1973, 862).


14     Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze stellt die vom Kläger auf dem abgegebenen Teil des Einlageflurstücks 723 geschaffene Pflasterung einen wesentlichen Bestandteil dieses Grundstücks im Sinn von § 94 Abs. 1 Satz 1 BGB dar. Sie ist im vorliegenden Fall bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nicht für sich sinnvoll wieder verwertbar, da der Aufwand für die Entfernung der auf einer Fläche von 8 m2 aufgebrachten Pflastersteine mit zumindest teilweiser Beseitigung der Fundamentierung den zu erwartenden Verkaufserlös bei weitem übersteigen dürfte. Das Betonsteinpflaster wurde mit einem Stützfundament und einem Granitstein-Einzeiler als seitliche Abgrenzung sowie jeweils mit einem Granitstein-Einzeiler als Abschluss an die asphaltierte Straßenfläche und an die geschotterte Zufahrt der Beigeladenen zu 2 auf dem klägerischen Einlageflurstück 723 und (mit Zustimmung des Rechtsvorgängers der Beigeladenen zu 2) auf deren Einlageflurstück 573/1 verlegt. Diese aufwändige Art der Ausführung, die geeignet ist, den Wert des gepflasterten Grundstückes langfristig zu erhöhen und die Absprache mit dem damaligen Eigentümer des Nachbargrundstücks deuten darauf hin, dass der Kläger eine dauerhafte und nicht nur vorübergehenden Zwecken dienende Befestigung der Zufahrt schaffen wollte (vgl. hierzu VGH BW vom 19.6.1985 RdL 1986, 38). Für das Vorliegen eines wesentlichen Grundstücksbestandteils spricht zudem, dass das Pflaster nach der Verkehrsauffassung eigentumsrechtlich dem jeweiligen Grundstück zugeordnet wird, d.h. ein potentieller Erwerber des Grundstücks würde davon ausgehen, dass es zum Grundstück gehört (s. hierzu z.B. BGH vom 27.9.1978 NJW 1979, 712). Damit handelt es sich bei dem Pflaster im Ergebnis um einen wesentlichen Grundstücksbestandteil.


15     Daraus folgt, dass der Kläger als bisheriger Eigentümer nach § 50 Abs. 4 FlurbG hierfür gesondert abzufinden ist. Die nach dieser Bestimmung vorausgesetzte Erforderlichkeit der Abfindung ist gegeben, wenn das Pflaster einen nach § 28 und § 29 FlurbG zu ermittelnden Wert verkörpert, dessen Verlust der Teilnehmer nicht hinzunehmen braucht, weil andernfalls eine entschädigungslose Enteignung vorliegen würde (vgl. HessVGH vom 25.3.1971 RdL 1971, 215). Das ist hier der Fall. Die Pflasterung stellt einen über den reinen Nutzungswert des Grundstücks hinausgehenden besonderen Vermögenswert dar, da sich die Beigeladene zu 1 für absehbare Zeit Herstellungs- bzw. Unterhaltungskosten für das als öffentliche Straßenfläche dienende Abfindungsflurstück 1075/1 spart. Der damit dem Grunde nach gegebene Ausgleichsanspruch richtet sich nicht auf eine (zusätzliche) Landabfindung im Sinn von § 44 FlurbG, sondern auf eine Abfindung in Geld (BVerwG vom 4.12.1961 RzF - 1 - zu § 50 Abs. 4). Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 FlurbG muss die Geldabfindung angemessen sein. Der Anspruch hat inhaltlich den sich aus Art. 14 GG ergebenden Anforderungen zu entsprechen (vgl. z.B. VGH BW vom 25.11.1970 RdL 1972, 266; Schwantag in Seehusen/Schwede, FlurbG, 7. Aufl. 1997, RdNr. 2 zu § 54 und RdNr. 6 zu § 50;). Dass im Rahmen der Wertermittlung keine Bewertung der Pflasterfläche stattgefunden hat, schließt den Anspruch nicht aus, da § 50 Abs. 4 FlurbG die Wertermittlung für wesentliche Bestandteile aus der alle Teilnehmer in gleicher Weise betreffenden Wertermittlung nach §§ 27 ff. FlurbG herauslöst und hierfür eigene, auf die Sache bezogene Abfindungsregeln aufstellt. Die nach § 50 Abs. 4 FlurbG zu treffende Entscheidung kann dann Bestandteil des Flurbereinigungsplans werden, ohne dass es einer gesonderten vorgängigen Wertermittlung im Rahmen des Verfahrens nach § 31, § 32 FlurbG bedarf (so BayVGH vom 7.7.1983 Az. 13 A 82 A.1084). Unter Berücksichtigung der vom Kläger beim Augenscheinstermin angegebenen und von der Beklagten nicht bestrittenen Kosten für die Pflasterung (50 €/m2), des Alters und des Abnutzungsgrads bewertet der auch insoweit sachkundig besetzte Senat (vgl. BVerwG vom 29.9.2003 AUR 2004, 346) für die nicht wieder zugeteilte 8 m2 umfassende Pflasterfläche einen Ausgleichsbetrag von 400 Euro als angemessen. Dabei fand Berücksichtigung, dass das Pflaster kaum Abnutzungsspuren aufwies.


16     Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Geldausgleich für den von ihm auf dem Einlageflurstück 573/1 verlegten Teil der Pflasterfläche, da insoweit die Voraussetzungen von § 50 Abs. 4 FlurbG nicht vorliegen. Diese Bestimmung sieht einen Ausgleichsanspruch für den Verlust nicht unter § 50 Abs. 1 FlurbG fallender wesentlicher Grundstücksbestandteile nur für den bisherigen Eigentümer vor. Daran fehlt es hier. Der Kläger hat zwar die Pflasterung mit Einwilligung des Rechtsvorgängers der Beigeladenen zu 2 vorgenommen, war aber selbst nicht Eigentümer dieses Einlageflurstücks. Das Pflaster mit den erforderlichen Untergrundeinbauten ist als wesentlicher Grundstücksbestandteil (s.o.) in das Eigentum des Rechtsvorgängers der Beigeladenen zu 2 gelangt; gleichzeitig hat der Kläger sein Eigentumsrecht an dem Pflaster verloren (§ 946 BGB). Hieraus folgt, dass beim Kläger durch die Zuteilung der Fläche an die Beigeladene zu 1 kein Rechtsverlust eingetreten und deshalb auch kein von der Beklagten zu vertretender neuverteilungsbedingter Schaden entstanden ist. Ausgleichsansprüche aus abgetretenem Recht bzw. aus anderen Rechtsgrundlagen, insbesondere § 51 Abs. 1 FlurbG, bestehen nicht, da die Voraussetzungen nicht vorliegen. Die Klage war folglich insoweit abzuweisen.

Anmerkung

a. A. zu Leitsatz 1 teilweise und zu Leitsatz 2 Flurbereinigungsgericht München Urteil vom 25.09.1981- 13 A 80.1038 = RzF - 33 - zu § 28 Abs. 1 FlurbG und BVerwG Beschluss vom 18.09.1986 -5 B 141/86 = Buchholz 424.01 § 28 FlurbG Nr 5