Flurbereinigungsgericht Münster, Urteil vom 04.09.2014 - 9a D 72/13.G (Lieferung 2016)

Aktenzeichen 9a D 72/13.G Entscheidung Urteil Datum 04.09.2014
Gericht Flurbereinigungsgericht Münster Veröffentlichungen Lieferung 2016

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Vorbehaltlich nicht mehr behebbarer, unternehmensbedingter Wertminderungen (§ 88 Nrn. 3, 4 und 5 FlurbG), die im Flurbereinigungsplan als solche gesondert festzustellen sind, und für die Geldentschädigungen und Leistungen nach § 88 Nr. 6 FlurbG zu erbringen sind, muss die dem Teilnehmer (in einer Unternehmensflurbereinigung) gewährte Abfindung den Grundsätzen des § 44 FlurbG entsprechen. Deshalb bedarf es auch im Verfahren der Unternehmensflurbereinigung einer Wertermittlung nach den Vorgaben der §§ 27 ff. FlurbG.
2. Die Immobilienwertermittlungsverordnung - ImmoWertVO (BGBl. I 2010, 639), die zum 1. Juli 2010 - also nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses - die Wertermittlungsverordnung abgelöst hat, kennt den Begriff des begünstigten Agrarlandes nicht mehr. Allerdings ist nach § 4 Abs. 3 ImmoWertVO auch für die Bewertung der Flächen der Land- und Forstwirtschaft entsprechend ihrer Wertigkeit eine differenzierte Behandlung zulässig. Diese besondere Wertigkeit kann z.B. bei einem Freizeitgrundstück in attraktiver Lage oder Flächen, die als Golf- oder Flugsportplatz vorgesehen sind, vorliegen.
3. Flächen sind aber nicht höher zu bewerten, die schon nach früherer Rechtslage nicht als begünstigtes Agrarland angesehen worden sind.

Aus den Gründen

Zwar hat in einer Unternehmungsflurbereinigung, anders als von § 27 Satz 1 FlurbG vorausgesetzt, kein Teilnehmer einen Anspruch auf wertgleiche Landabfindung nach § 44 FlurbG.


Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. März 2010 - 9 B 90.09 -, Buchholz 424.01 § 28 FlurbG Nr. 13 = juris, Rdnr. 8, m.w.N.

Gleichwohl handelt es sich bei der Unternehmensflurbereinigung ebenfalls um ein Flurbereinigungsverfahren, auf das grundsätzlich alle Vorschriften der Regelflurbereinigung Anwendung finden, soweit ihre Anwendbarkeit nicht durch die Vorschriften der §§ 87 bis § 90 FlurbG eingeschränkt oder gänzlich verdrängt wird. Denn in einer Unternehmensflurbereinigung können auch allgemeine Aufgaben der Regelflurbereinigung erfüllt werden, die vom Handlungsrahmen des § 37 FlurbG gedeckt sind. Im Rahmen der Unternehmensflurbereinigung können auch die Besitzverhältnisse im Verfahrensgebiet wie in einem Regelflurbereinigungsverfahren neu geordnet werden, wo dies aus Gründen der Bewältigung der Unternehmensfolgen allein nicht geboten wäre. Solange die in § 87 Abs. 1 FlurbG genannten Zwecke der Unternehmensflurbereinigung im Vordergrund stehen, kann die an den Neugestaltungsgrundsätzen des § 37 FlurbG orientierte Neustrukturierung der landwirtschaftlichen Nutzfläche im gesamten Verfahrensgebiet erfolgen.


Vgl. BVerwG, Urteil vom 21. Oktober 2009 - 9 C 9.08 -, BVerwGE 135, 110 = juris, Rdnr. 30.

Vorbehaltlich nicht mehr behebbarer, unternehmensbedingter Wertminderungen (§ 88 Nrn. 3, 4 und 5 FlurbG), die im Flurbereinigungsplan als solche gesondert festzustellen sind, und für die Geldentschädigungen und Leistungen nach § 88 Nr. 6 FlurbG zu erbringen sind, muss die dem Teilnehmer gewährte Abfindung den Grundsätzen des § 44 FlurbG entsprechen.


Vgl. Bay. VGH, Urteil vom 25. November 2004 3 A 02.750 -, juris, Rdnr. 18, m.w.N.

Deshalb bedarf es auch im Verfahren der Unternehmensflurbereinigung einer Wertermittlung nach den Vorgaben der §§ 27 ff. FlurbG.


Für die Feststellung des Zustandes des Bodens ist dabei zunächst der tatsächliche Zeitpunkt der Wertermittlung maßgeblich.


Vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. Januar 1971 - IV CB 145.68 -, juris, Rdnr. 4 = RdL 1971, 184 = RzF 27, Seite 17 <Anm. der Schriftleitung: = RzF - 6 - zu § 27 FlurbG>.

Allerdings ist für die Abfindung nicht der Wert zum Wertermittlungszeitpunkt maßgeblich, sondern der Zeitpunkt, in dem der neue Rechtszustand an die Stelle des bisherigen tritt (vorzeitige Ausführungsanordnung/Ausführungsanordnung). In den Fällen der vorläufigen Besitzeinweisung ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem diese wirksam wird (§ 44 Abs. 1 Satz 3 und 4 FlurbG).


Zur Vereinbarkeit der Stichtagsregelung mit Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG vergleiche: BVerwG, Beschluss vom 12. Juli 2007 - 9 B 18.07 -, juris, Rdnr. 14 ff.

Wegen des maßgeblichen Zeitpunktes der Grundstücksbewertung dürfte hier außerdem die Vorwirkung der Enteignung bei der Wertermittlung zu beachten sein. Die Vorwirkung der möglichen Enteignung gilt auch für die Durchführung der Flurbereinigung unter Anwendung der §§ 87 ff. FlurbG. Es spricht deshalb Erhebliches dafür, den Stichtag für die hier zu überprüfende Grundstücksbewertung auf den Zeitpunkt vor Erlass der das Verfahren auslösenden Planfeststellung vorzuverlegen.


Vgl. BayVGH, Urteil vom 3. März 1994 - 13 A 92.2234 und 13 A 93.1782 -, juris, Rdnr. 44 = RdL 1994, 294; Wingerter/Mayr, FlurbG, Kommentar, 9. Auflage 2013, § 29 Rdnr. 27.

Letztlich kommt es darauf hier aber nicht entscheidend an.


Zwar wird das Einlageflurstücks 821 unmittelbar für das Unternehmen benötigt. Ausweislich der vom Beklagten vorgelegten Unterlagen ist die Einlagefläche der Kläger aber bereits seit 1987 und damit vor Erlass der das Verfahren auslösenden Planfeststellung, eindeutig als landwirtschaftliche Nutzfläche zu qualifizieren gewesen und nach dem Wertermittlungsrahmen nur als Ackerland, und zwar wie von den Klägern nicht bezweifelt wird - mit der Klasse 3 zu bewerten.


...


Die Feststellungen des Senats lassen auch keine Umstände erkennen, die in Anwendung von § 28 Abs. 1 Satz 1 FlurbG, wonach für landwirtschaftlich genutzte Grundstücke das Wertverhältnis "in der Regel" nach dem Nutzen zu ermitteln ist, eine weitere Differenzierung bei der Bewertung der Fläche als Ackerland hätten rechtfertigen können.


Unter der Geltung der Wertermittlungsverordnung (WertV) war die Qualitätsstufe "begünstigtes Agrarland" nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 auch für die Flächenbewertung im Flurbereinigungsverfahren anerkannt; bei Vorliegen der in dieser Vorschrift normierten Voraussetzungen hat das Bundesverwaltungsgericht eine von der Regel des § 28 Abs. 1 Satz 1 FlurbG abweichende Grundstücksbewertung für geboten angesehen. Zum sogenannten begünstigten Agrarland waren diejenigen land- oder forstwirtschaftlich genutzten oder nutzbaren Flächen zu rechnen, die sich, insbesondere durch ihre landschaftliche oder verkehrliche Lage, durch ihre Funktion oder durch ihre Nähe zu Siedlungsgebieten geprägt, auch für außerlandwirtschaftliche oder außerforstwirtschaftliche Nutzungen eigneten, sofern im gewöhnlichen Geschäftsverkehr eine dahin gehende Nachfrage bestanden hat und auf absehbare Zeit keine Entwicklung zu einer Bauerwartung bevorstand.


Vgl. hierzu grundlegend: BVerwG, Urteil vom 4. Februar 1991 - 5 B 91.90 -, juris Rdnr. 4 = RdL 1991, 67.

Abweichend davon kennt die Immobilienwertermittlungverordnung - ImmoWertVO (BGBl. I 2010, 639), die zum 1. Juli 2010 - also nach Erlass des Planfeststellungsbeschlusses - die Wertermittlungsverordnung abgelöst hat, den Begriff des begünstigten Agrarlandes nicht mehr. Allerdings ist nach § 4 Abs. 3 ImmoWertVO auch für die Bewertung der Flächen der Land- und Forstwirtschaft entsprechend ihrer Wertigkeit eine differenzierte Behandlung zulässig. Diese besondere Wertigkeit kann z.B. bei einem Freizeitgrundstück in attraktiver Lage oder Flächen, die als Golf- oder Flugsportplatz vorgesehen sind, vorliegen.


Vgl. hierzu mit weiteren Beispielen: Wingerter/Mayr, FlurbG, Kommentar, 9. Aufl. 2013, § 28 Rdnr. 9.

Flächen sind aber nicht höher zu bewerten, die schon nach früherer Rechtslage nicht als begünstigtes Agrarland angesehen worden sind.


Die Voraussetzungen beider hier in Betracht kommenden Regelungen erfüllt das Einlageflurstück 821 nicht. Das Grundstück liegt im Außenbereich und lässt eine Eignung für eine außerlandwirtschaftliche oder außerforstwirtschaftliche Nutzung nicht erkennen. Zudem haben die Kläger selbst nicht geltend gemacht, dass eine entsprechende Nachfrage von Seiten Dritter bestanden hat oder besteht. Allein die von den Klägern angeführte Nähe zur Ortslage, die hier ohnehin kaum erkennbar ist, reicht für eine Abweichung von der Regel des § 28 Abs. 1 FlurbG nicht aus.

Anmerkung


Vgl. auch Flurbereinigungsgericht Koblenz, Urteil vom 24.11.2010, Az. 9 C 10548/10 <= RzF - 117 - zu § 44 Abs. 2 FlurbG> ; Flurbereinigungsgericht Koblenz, Urteil vom 20.02.2014, Az. 9 C 10681/13.OVG <= RzF- 62 - zu § 28 Abs. 1 FlurbG>