Flurbereinigungsgericht Mannheim, Urteil vom 31.01.1996 - 7 S 1450/95 = RdL 1996 S. 320
Aktenzeichen | 7 S 1450/95 | Entscheidung | Urteil | Datum | 31.01.1996 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Mannheim | Veröffentlichungen | = RdL 1996 S. 320 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Ein Grundstück im Außenbereich erhält durch seine Verwendung für eine gemeindliche Einrichtung (hier: Erd- und Bauschuttdeponie nebst Recyclinganlage) keinen über den landwirtschaftlichen Nutzwert hinausgehenden Verkehrswert. Dies gilt auch, wenn der Betrieb der Deponie einem privaten Unternehmer übertragen wird. |
2. | Jeder Teilnehmer kann sich nur auf Veröffentlichungsmängel in der Flurbereinigungsgemeinde berufen, in der er wohnt, nicht auf solche in anderen Flurbereinigungsgemeinden. |
Aus den Gründen
Aus der seitens der Beklagten in der mündlichen Verhandlung dem Gericht übergebenen Ergänzungskarte zur Gebietskarte ist zwar zu entnehmen, daß durch Beschluß vom 09.07.1976 ein Teil der Gemarkung O. (Gemeinde Ö.) zum Flurbereinigungsgebiet beigezogen worden ist, so daß die vorläufige Besitzeinweisung auch in letzterer Gemeinde hätte öffentlich bekanntgemacht werden müssen, wofür ein entsprechender Nachweis sich nicht in den vorgelegten Akten befindet. Selbst wenn es aber - entgegen der Behauptung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung - insoweit an einer ordnungsgemäßen öffentlichen Bekanntmachung in Ö. gefehlt haben sollte, könnten sich jedenfalls die Kläger hierauf nicht berufen, weil sie nicht in Ö. wohnen (vgl. Seehusen/Schwede, FlurbG, 6. Aufl., § 110, RdNr. 4). Einer über die Regelung in § 110 FlurbG hinausgehenden "überörtlichen" Bekanntmachung in Fällen der Erstreckung des Flurbereinigungsgebietes über mehrere Gemeinden bedarf es entgegen der Ansicht der Kläger nicht.
Bei der am 29.10.1992 im fraglichen Bereich (FlstNr. 2954 u. a.) genehmigten Anlage zur Aufbereitung von Bauschutt und sonstigem Gestein mit geringen Mengen von Stör- und Wertstoffen handelt es sich um ein privilegiertes Vorhaben, dessen planungsrechtliche Zulässigkeit im Außenbereich sich aus § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB ergibt. Danach sind Vorhaben, die wegen ihrer besonderen Anforderungen an die Umgebung nur im Außenbereich ausgeführt werden sollen, zulässig, wenn ihnen keine öffentlich-rechtlichen Belange entgegenstehen und die Erschließung gesichert ist. Dies wurde in der vorgenannten Genehmigung bejaht. Aus der in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Orthofotokarte vom 28.04.1993 ist zu ersehen, daß Teile dieser Anlagen (u. a. Förderbänder) auch auf dem EinlageflstNr. 2952 der Kläger errichtet worden sind. Dennoch kommt hier eine Wertermittlung auf der Grundlage des Verkehrswertes nach § 29 FlurbG nicht in Betracht.
Zwar kann nach ständiger Rechtsprechung auch ein Grundstück im Außenbereich ausnahmsweise die Qualität als Bau(erwartungs)land haben, wenn aus besonderen Gründen eine greifbare Aussicht auf Zulassung der Bebauung mit einem bestimmten Vorhaben besteht (vgl. BVerwGE 8, 343 <344/345>; BVerwG, Buchholz, 424.01, § 44 FlurbG, Nr. 13; RdL 1975, S. 128 <129/130>, 1976, 74; Buchholz, 424.01, § 44, Nr. 59; Senatsurteil vom 11.05.1995 - 7 S 2347/94 -). Jedoch kommt es hierbei auch auf Art und Zweck des Vorhabens an. Die Ausweisung einer landwirtschaftlichen Fläche für eine öffentliche Anlage, für die eine Enteignung möglich wäre, gibt ihr nämlich keinen höheren Wert (vgl. Seehusen/Schwede, a.a.O., § 29, RdNrn. 25, 26; ferner Senatsurteile vom 15.07.1982 - 7 S 1954/81 -, vom 06.10.1982 - 7 S 2367/81 -, vom 27.02.1989 - 7 S 125/88 -, jew. zu Sportgelände; BayVGH RzF - 24 - zu § 28 Abs. 1 FlurbG zur Flächenbereitstellung für einen Friedhof; HessVGH RzF - 11 - zu § 27 FlurbG, OVG Lüneburg, RzF - 37 - zu § 28 Abs. 1 FlurbG, jew. zu gemeindlichen Kläreinrichtungen).
Gleiches gilt für die hier in Rede stehende Nutzung des im Außenbereich gelegenen EinlageflstNr. 2952 der Kläger für eine öffentliche Einrichtung der Gemeinde. Insoweit kommt nämlich der im Enteignungsrecht allgemein geltende Grundsatz, wonach die Enteignung dem Betroffenen keinen Schaden, aber auch keine ungerechtfertigten Gewinne bringen soll, auch hier zur Anwendung. Maßgebend ist hier der Zeitpunkt des Wirksamwerdens der vorläufigen Besitzeinweisung (§ 44 Abs. 1 Satz 4 FlurbG). Die Kläger können im Flurbereinigungsverfahren folglich nicht anders behandelt werden und eine höhere Abfindung für ihre Einlage erzielen, als wenn ihr innerhalb des NeuflstNr. 6157 liegendes EinlageflstNr. 2952 aufgrund der §§ 85 bis 87, 95 BauGB enteignet worden wäre und sie dafür entschädigt worden wären, was hier nach § 85 Abs. 2 Nr. 1 BauGB i. V. m. § 13 LAbfG und § 2 Nr. 2 Buchst. c und d EntG möglich gewesen wäre. Gemäß § 95 Abs. 2 Nr. 2 BauGB bleiben bei der Festsetzung der Entschädigung Wertänderungen unberücksichtigt, die infolge der bevorstehenden Enteignung eingetreten sind. Nach alledem ist hier davon auszugehen, daß das EinlageflstNr. 2952 der Kläger keinen über den landwirtschaftlichen Nutzwert hinausgehenden Verkehrswert hat. Denn ohne seine Einbeziehung in die für die Einrichtung und den Betrieb der Erdaushub- und Bauschuttdeponie vorgesehenen Flächen hätte das EinlageflstNr. 2952 der Kläger das Schicksal der außerhalb des Deponiegeländes befindlichen umliegenden landwirtschaftlich genutzten Grundstücke geteilt.
Nicht geteilt werden kann die Auffassung der Kläger, bei der Erdaushub- und Bauschuttdeponie nebst Recyclinganlage handele es sich nicht um eine öffentliche Einrichtung, weil die Beigeladene deren Betrieb auf einen privaten Unternehmer übertragen habe, es sich deshalb also bei dem Grundstück um Fläche für Schwerindustrie handele. Abfallentsorgung ist gemäß § 3 Abs. 2 AbfG i. V. m. §§ 2, 6 LAbfG eine öffentlich-rechtliche Angelegenheit. Gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 5 LAbfG können die Landkreise den Gemeinden auf deren Antrag durch Vereinbarung die Entsorgung von Erdaushub, Straßenaufbruch und Bauschutt, soweit diese nicht durch Schadstoffe verunreinigt sind, übertragen. Dies ist hier geschehen. Die gesamte Anlage stellt deshalb eine öffentliche Einrichtung i. S. d. § 10 Abs. 2 sowie § 11 GO dar, wobei es für diese rechtliche Einordnung völlig unerheblich ist, ob sich die Gemeinde, wie geschehen, für den Betrieb dieser Einrichtung eines Privatunternehmers als Verwaltungshelfer bedient, was in § 3 Abs. 2 Satz 2 AbfG und § 6 Abs. 2 Satz 2 LAbfG sowie in § 4 Abs. 1 der Vereinbarung zwischen dem Landkreis und der Beigeladenen vom 07./20.02.1991 ausdrücklich zugelassen ist. Für die rechtliche Einordnung als öffentliche Einrichtung ist es auch unerheblich, wie das Benutzungsverhältnis selbst ausgestaltet ist, ob es sich also um ein privatrechtliches oder hoheitliches Benutzungsverhältnis handelt. Die Gemeinden haben insoweit ein Wahlrecht, wie sie das Benutzungsverhältnis bezüglich ihrer öffentlichen Einrichtungen ausgestalten.