Zuletzt bearbeitet vor 3 Jahren
von Anonymer Benutzer

RzF - 26 - zu § 28 Abs. 1 FlurbG

Flurbereinigungsgericht Kassel, Urteil vom 14.08.1974 - III F 78/72

Aktenzeichen III F 78/72 Entscheidung Urteil Datum 14.08.1974
Gericht Flurbereinigungsgericht Kassel Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Als Bauerwartungsland sind auch die Flächen zu behandeln, die diese Zweckbestimmung aus äußeren Umständen erkennen lassen. Dies ist beispielsweise gegeben, wenn eine Gemeinde an ein Planungsbüro den Auftrag erteilt, einen Flächennutzungsplan zu entwerfen, der bestimmte Feldlagen als zukünftiges Baugebiet auszuweisen hat. Die von der Gemeinde aufgrund ihrer Planungshoheit konkret beabsichtigte Maßnahme kann von der Regionalplanung allenfalls beeinflußt, nicht aber be- oder gar verhindert werden.
2. Nur eine solche Vorflut kann als notwendig angesehen werden, deren Anlagekosten in angemessenem Verhältnis zum Erfolg stehen.

Aus den Gründen

Der nach § 28 FlurbG ermittelte Nutzungswert landwirtschaftlich genutzter Grundstücke ist zwar ein Bestandteil, der für die wertgleiche Abfindung nach § 44 Abs. 1 S. 1 FlurbG maßgeblichen Wertumstände, er drückt den Tauschwert, insbesondere qualifizierter Grundstücke vielfach aber nur zum Teil aus. Die Abfindung eines Teilnehmers ist daher erst dann wertgleich mit dem Altbesitz, wenn ihm Grundstücke zugeteilt worden sind, die - bei Berücksichtigung der Abzüge nach § 47 FlurbG - hinsichtlich des erzielbaren Ertrages und der Benutzungs- und Verwertungsmöglichkeiten seinen alten Grundstücken entsprechen (vgl. BVerwG Urteil vom 26.3.1962, RdL 1962, 217). Einen erhöhten Wert werden regelmäßig solche Grundstücke haben, die nach ihrer Lage wahrscheinlich in absehbarer Zeit bebaut werden. Je nach dem Grad der Baureife ist dabei baureifes Land, Rohbauland und Bauerwartungsland zu unterscheiden. Als Bauerwartungsland ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats solches Land anzusehen, das in absehbarer Zeit Verwendung zur Bebauung finden wird. Diese künftige Zweckbestimmung muß, wenn nicht durch die Planung, dann aus äußeren Umständen erkennbar sein (vgl. Urteile des erkennenden Senats vom 14.4.1966 - III F 90 - 103/64, ESVGH 16, 229, RdL 1966, 306 sowie vom 20.1.1970 - III F 78/66 in RzF - 19 - zu § 28 Abs. 1 FlurbG u. OLG Celle, Urteil vom 1.2.1963 in RdL 1964, 50).

Der fragliche Altbesitz der Kläger stellt Bauerwartungsland dar und hat deshalb einen über den landwirtschaftlichen Nutzungswert hinausgehenden Verkehrswert. Das folgt aus der von dem Bürgermeister der Gemeinde B. in amtlicher Eigenschaft gegebenen Auskunft und den dabei vorgelegten Wasserversorgungs- und Entwässerungsplänen für den Ortsteil B. Die Gemeinde Br. hat nämlich bereits den Entwurf eines Flächennutzungsplanes in Auftrag gegeben, der im Ortsteil B. die Feldlagen "I.B." und "I.G." als zukünftiges Baugebiet ausweist. Überzeugend hat der Bürgermeister dazu ausgeführt: Die alsbald beabsichtigte Erstellung eines Bebauungsplanes für dieses Gebiet beruhe auf den einmütigen Bestrebungen des Bauausschusses der Gemeinde. Diese seien von der Nachfrage nach Bauplätzen und von der nunmehr gesicherten Wasserversorgung im Ortsteil B. bestimmt. In der Vergangenheit sei nämlich eine bauliche Ausweitung von B. durch eine unzureichende Wasserversorgung behindert gewesen. Es seien in den letzten zehn Jahren aber dennoch ca. 20 Wohneinheiten in B. errichtet worden. Nunmehr sei mit einem Kostenaufwand von 200.000,-- DM der Anschluß von B. an einen Wasserbeschaffungsverband und die Ausstattung mit einer modernen Wasserversorgungsanlage durchgeführt worden. Dies gestatte, und die Absicht der Gemeindeorgane, daß sich auch die zur Großgemeinde Br. gehörenden Randgemeinden angemessen entwickeln sollten, erfordere die Ausweisung weiteren Baugeländes auch in B. Es könne der Prognose der Regionalen Planungsgemeinschaft St., die für die gesamte Gemeinde Br. für das Jahr 1985 nur eine Einwohnerzahl von 2.900 annehme, nicht gefolgt werden. Am 31.12.1973 habe die Gemeinde Br. schon 2.886 Einwohner gehabt und der Zustrom weiterer Einwohner halte so an, daß im Ortsteil K.-B. der Bau von fünfzig Wohneinheiten in den nächsten drei Jahren anstehe. Im Ortsteil B. müsse, nachdem die Behinderungen der Vergangenheit beseitigt seien, in den nächsten Jahren mit einer Bautätigkeit gerechnet werden, die zumindest dem Umfang der Vergangenheit entspreche. Dies mache die Ausweisung eines Baugebietes im geplanten Umfange notwendig. Mit der alsbaldigen Ausweisung folgender mit dem Flurbereinigungsplan in seiner ursprünglichen Fassung neugebildeten Grundstücke als Baugebiet sei zu rechnen: Flur 1 Nr. 162, 161, 160 sowie Flur 3 Nr. 53, 81, 82 alle in vollem Umfange, von Nr. 84 etwa die westliche Hälfte und von Flur 3 Nr. 55 die südöstliche Spitze. Dementsprechende vom Regierungspräsidenten in D. auch schon genehmigte Entwürfe für die Wasserversorgung und Entwässerung der Ortslage von B. legte er vor.

Die Auskunft des Bürgermeisters von Br. vermittelt dem Flurbereinigungsgericht die Überzeugung, daß mit einer Bebauung der genannten Flächen in absehbarer Zeit zu rechnen ist. Die in der mündlichen Verhandlung von dem Vertreter der Regionalen Planungsgemeinschaft St. gemachten Ausführungen, daß der Ortsteil B. nach den Vorstellungen der Landesplanung zukünftig keine wesentliche bauliche Ausweitung erfahren werde und als Ort mit "Eigenentwicklung" anzusehen sei, vermochte die auf Tatsachen - nämlich den Beratungsergebnissen der Gemeindekörperschaften - beruhenden Darlegungen des Bürgermeisters nicht zu entkräften. Insbesondere handelt es sich bei den vom Vertreter der Regionalen Planungsgemeinschaft vorgetragenen Erwägungen lediglich um Prognosen und Absichten. Die von der Gemeinde aufgrund ihrer Planungshoheit schon konkret beabsichtigten Maßnahmen können deshalb von der Regionalplanung allenfalls beeinflußt, nicht aber be- oder gar verhindert werden.

Die detaillierten Ausführungen des Bürgermeisters von Br. lassen erkennen, daß sich die Planungsabsichten der Gemeinde Br. für den Ortsteil B. nicht erst im frühen Stadium des Erwägens künftig möglicher Entwicklungen befinden. Der Bürgermeister hat vielmehr Planungen dargetan, an deren alsbaldiger Verwirklichung nicht zu zweifeln ist. In dieser Auffassung hat den Senat auch der eingenommene Augenschein überzeugt und den Eindruck vermittelt, daß es sich bei dem hier in Rede stehenden Verfahrensgebietsteil bereits heute und um so mehr im Zeitpunkt der im Flurbereinigungsverfahren noch zu erlassenden (vorzeitigen) Ausführungsanordnung um Bauerwartungsland handelt. Insoweit kommt es nicht darauf an, daß bereits rechtswirksame Flächennutzungs- oder Bebauungspläne vorliegen, wie es für die Bewertung als Bauland erforderlich wäre.

Soweit die Kläger mit der Klage Wasserzulauf aus dem Grundstück Flur 3 Nr. 42 auf ihre Abfindungsgrundstücke Flur 3 Nr. 29 und 30 beanstanden, ist die Klage nicht begründet. Die Behauptung des Beklagten trifft zu, daß eine andere Wasserführung nur unter Aufwendung unverhältnismäßig hoher Kosten zu ermöglichen ist. Den Klägern muß deshalb die Aufnahme des Wassers zugemutet werden, denn nur die Schaffung der Vorflut ist nach § 44 Abs. 3 Satz 3 FlurbG als erforderlich zu bezeichnen, deren Anlagekosten in angemessenem Verhältnis zum Erfolg stehen. Wenn aber die Kosten einer Vorflutanlage ungleich höher sind als der auf Dauer aufgrund der Vorflut zu erreichende wirtschaftliche Erfolg, besteht kein Anspruch auf Schaffung einer Vorflut. Für diesen Fall muß es den unterliegenden Grundstückseigentümern zugemutet werden, das auflaufende Wasser durch geeignete Maßnahmen über ihr Grundstück und davon abzuleiten. Das ist vorliegend auch den Klägern zumutbar; insbesondere, weil ihnen dadurch auch kein wesentlicher Nachteil entsteht. Bei ihren Abfindungsgrundstücken Flur 3 Nr. 29 und 30 handelt es sich um Grünland, und die vom Wasserzufluß betroffene Fläche ist aufgrund der Festsetzung im angefochtenen Bescheid ohne Anrechnung ihres Schätzwertes auf den Abfindungsanspruch den Klägern zugeteilt.

Anmerkung

Vgl. auch Flurbereinigungsgericht Kassel, Urteil vom 14.8.1974 - III F 80/72 = RdL 1975 S. 12