Flurbereinigungsgericht Kassel, Urteil vom 20.01.1970 - F III 78/66
Aktenzeichen | F III 78/66 | Entscheidung | Urteil | Datum | 20.01.1970 |
---|---|---|---|---|---|
Gericht | Flurbereinigungsgericht Kassel | Veröffentlichungen | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Zur Baulandeigenschaft eines Grundstücks. |
Aus den Gründen
..... Soweit der Kläger behauptet, er habe Bauland bzw. ortsnahes Land in das Verfahren gegeben und nicht zurückerhalten, ist auf folgendes hinzuweisen: Für die Bemessung der Abfindung sind nach gesetzlicher Vorschrift außer dem Schätzungswert die in § 44 Abs. 2 - 4 FlurbG bezeichneten wertbildenden Faktoren, d.h. auch die Umstände maßgeblich, die auf die Benutzung und die Verwertung der Grundstücke wesentlichen Einfluß haben. Wie der Senat in ständiger Rechtsprechung zum Ausdruck gebracht hat, trifft das besonders auch auf Baugrundstücke zu. Ob ein Grundstück einen über den landwirtschaftlichen Nutzungswert hinausgehenden Verkehrswert hat, hängt von den örtlichen Verhältnissen ab. Einen erhöhten Verkehrswert werden regelmäßig solche Grundstücke haben, die nach ihrer Lage, insbesondere innerhalb der Ortschaft, wahrscheinlich in absehbarer Zeit bebaut werden. Je nach dem Grad der Baureife ist dabei baureifes Land oder Rohbauland und Bauerwartungsland zu unterscheiden. Baureifes Land ist nach seinen tatsächlich erkennbaren Merkmalen festzustellen, z.B. nach seiner Erschließung für Wohn- und Industriezwecke, der Festsetzung der Baulinien, Anlagen von Straßen oder Errichtung von Bauten auf nächstgelegenen Grundstücken. Bei unerschlossenem Baugelände wird es darauf ankommen, ob für Grundstücke gleicher oder ähnlicher Art über den landwirtschaftlichen Nutzungswert hinausgehende Kaufpreise allgemein und nicht nur im einzelnen Falle gezahlt werden. Dabei müssen Spekulationsgesichtspunkte außer Betracht bleiben (vgl. dazu BVerwG Urt. v. 9.6.1959, NJW 59, 1649 = RdL 59, 308). Ferner müssen auch Nutzungsmöglichkeiten außer Betracht bleiben, deren Verwirklichung nicht in greifbarer Nähe liegen und die mithin den Verkehrswert nicht beeinflussen können (vgl. BGH. Urt. v. 25.9.1958, BGHZ Bd. 28, 160; BGH, Urt. v. 9.11.1959 = RdL 60, 49). Die Tatsache, daß ein Grundstück außerhalb der Bebauungsgrenze oder außerhalb eines durch einen Bauleitplan ausgewiesenen Gebietes liegt, besagt allerdings noch keineswegs, daß es in absehbarer Zeit nicht Bauland werden kann und daher nicht bereits heute einen entsprechenden Verkehrswert hat, wenn andere Umstände die Bejahung eines erhöhten Verkehrswertes notwendig erscheinen lassen. Die Planung ist zwar ein wesentliches Indiz, für sich allein aber noch nicht entscheidend. Auch Grundstücke außerhalb einer Baugebietsgrenze können daher in absehbarer Zeit Bauland werden und schon jetzt einen entsprechenden Verkehrswert haben (vgl. BGH, Urt. v. 9.6.1959, s.o.). Dafür ist insbesondere die Lage des Grundstücks von entscheidender Bedeutung. Es müssen in diesen Fällen aber konkrete Umstände dafür sprechen. Es empfiehlt sich auch, die Entwicklungstendenzen über Jahre hinaus zu verfolgen (vgl. Schütz-Frohberg, BBauG 1960 zu § 93 Anm. 7). Als Bauerwartungsland muß daher solches Land angesehen werden, das in absehbarer Zeit Verwendung zur Bebauung finden wird. Diese künftige Zweckbestimmung muß, wenn nicht durch die Planung, dann aus äußeren Umständen erkennbar sein (vgl. OLG Celle, Urt. vom 1.2.1963, RdL 64, 50). Bei den bezeichneten Altparzellen des Klägers handelt es sich nach den vom Senat an Ort und Stelle getroffenen Feststellungen weder um Bauland noch um Bauerwartungsland. Nach den am 11.6.1968 abgegebenen Erklärungen des Bürgermeisters von A., die im Protokoll vom gleichen Tage ihren Niederschlag gefunden haben, ist in A. nur eine geringe Bautätigkeit vorhanden. Ein Bauleitplan ist für A. nicht erstellt worden. In den letzten fünf Jahren sind echte Neubauten nicht ausgeführt worden; jedoch hat der Besitzer des Sägewerkes, K., auf einem von ihm gekauften Grundstück im Jahre 1967 ein Wohnhaus zu errichten begonnen. Die Gemarkung A. gehört zum Landschaftsschutzgebiet "H...R..". Es ist daher nicht beabsichtigt, hier Wochenendhausgebiete auszuweisen. Nach der Überzeugung des Bürgermeisters werden Bauten außerhalb der bebauten Ortslage von A. nicht genehmigt werden. Dem schließt sich der Senat nach dem von ihm eingenommenen Augenschein vollinhaltlich an. Eine Änderung dieser Verhältnisse ist seit dem 11.6.1968 nicht eingetreten. Ein inzwischen erstelltes Wohnhaus ist im Anschluß an die Ortslage errichtet worden. Es handelt sich bei den beiden Altbesitzstücken des Klägers und insbesondere bei der Altparzelle Nr. 120 lediglich um ortsnahe Wiesen. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats reicht die Ortsnähe eines Grundstücks für sich allein aber nicht aus, um ihm einen gegenüber dem landwirtschaftlichen Schätzungswert höheren Wert zuzusprechen (vgl. rechtskräftiges Urteil des Senats vom 22.6.1968 - F III 201/65-; ESVGH 17, 72). ......