Flurbereinigungsgericht Kassel, Urteil vom 02.09.2004 - 23 F 2687/03 = AUR 2005, 36= RdL 2005, 96 (Lieferung 2006)
Aktenzeichen | 23 F 2687/03 | Entscheidung | Urteil | Datum | 02.09.2004 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Kassel | Veröffentlichungen | = AUR 2005, 36 = RdL 2005, 96 | Lieferung | 2006 |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Die obere Flurbereinigungsbehörde ist bei der sogenannten echten Ausbauklage (in Form der allgemeinen Leistungsklage) die falsche Beklagte; richtiger Beklagter für Ausbauklagen von Teilnehmern im Flurbereinigungsverfahren ist die Teilnehmergemeinschaft. |
2. | Der Herstellung von Vorflutanlagen können sowohl von den örtlichen Gegebenheiten als auch von den finanziellen Möglichkeiten Grenzen gezogen sein. |
3. | Bei einem Holzabfuhrweg und einem Fahrweg zur Erschließung der Feldmark, bei dem nur für wenige Wohnbaugrundstücke ein Benutzungsrecht mit Kraftfahrzeugen eingeräumt worden ist, besteht zur Ableitung von Oberflächenwasser kein Anspruch auf einen Kanalanschluss mit Gully. |
Aus den Gründen
Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der der Senat folgt, kann ein betroffener Teilnehmer im Wege der allgemeinen Leistungsklage einen Anspruch auf plan- und sachgerechte Ausführung der im Flurbereinigungsplan vorgesehenen Straßenbaumaßnahme geltend machen, wenn die Teilnehmergemeinschaft bei der Planausführung von den im Wegeplan als Teil des Flurbereinigungsplans getroffenen Festsetzungen abweicht oder sich die durchgeführten Arbeiten als sachwidrig oder sonstwie mangelhaft erweisen (BVerwG, Urteil vom 26.10.1978 - 5 C 85.77 -, BVerwGE 57, 31 <36> <= RzF - 4 - zu § 41 Abs. 1 FlurbG>). Einen derartigen Anspruch machen die Kläger jedoch nicht geltend, sondern sie wehren sich gegen eine ihrer Auffassung nach unzumutbare Beeinträchtigung ihres Grundstückseigentums durch von dem Weg Nr. 63 auf ihre Grundstücke abfließendes Oberflächenwasser. Sie machen damit einen öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch gegen Maßnahmen geltend, die von der Beklagten als Körperschaft des öffentlichen Rechts (§ 16 Satz 2 FlurbG) durchgeführt worden sind. Einen derartigen Anspruch können die Kläger neben dem vorgenannten Anspruch auf sachgerechte Planausführung geltend machen. Hierfür ist die allgemeine Leistungsklage die zulässige Klageart. Entgegen der Auffassung der Beklagten steht die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Anfechtung einer Plangenehmigung gemäß § 41 Abs. 4 FlurbG der Zulässigkeit der Klage nicht entgegen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 06.02.1986 - 5 C 40.84 -, BVerwGE 74, 1 ff. <= RzF - 51 - zu § 36 Abs. 1 FlurbG> ausgeführt, dass die Plangenehmigung keine die Teilnehmer betreffende Regelung darstelle, die selbständig angefochten werden könne. Der Wege- und Gewässerplan könne zusammen mit dem Flurbereinigungsplan angefochten werden. Damit sei klargestellt, dass der einzelne Teilnehmer wegen des gesetzlichen Ausschlusses von Beteiligungsmöglichkeiten bei der Aufstellung und Fristsetzung des Wege- und Gewässerplans nicht Adressat des Planungsergebnisses werde und dass insoweit eine Verletzung subjektiver Verfahrenspositionen nicht in Betracht kommen könne. Eine Vorverlegung des Rechtsschutzes der Teilnehmer in das Planaufstellungs- und Planfeststellungsverfahren sei auch nicht im Hinblick auf ihre materiellen Interessen geboten. Durch die Genehmigung des Wege- und Gewässerplans trete eine unmittelbare gegenwärtige materielle Rechtsbetroffenheit des einzelnen Teilnehmers nicht ein, so dass es einer unmittelbaren Rechtsschutzgewährung nicht bedürfe. Die Beklagte übersieht, dass ein Teilnehmer mit einer Anfechtungsklage gegen einen Flurbereinigungsplan nur geltend machen kann, bestimmte zur Herstellung der Wertgleichheit seiner Abfindung erforderliche Ausbaumaßnahmen seien in dem Flurbereinigungsplan nicht vorgesehen. Hier machen die Kläger jedoch eine unmittelbare materielle Rechtsbetroffenheit durch den Wegeausbau, nämlich die Störung ihres Eigentums durch abfließendes Oberflächenwasser, geltend, wegen der sie nicht auf die Möglichkeit der Anfechtung des Flurbereinigungsplans verwiesen werden dürfen.
Der Klageantrag, die Beklagte zu verurteilen, durch geeignete Maßnahmen zu verhindern, dass ihre Grundstücke durch Oberflächenwasser nicht mehr als unwesentlich beeinträchtigt werden, genügt den Anforderungen an die Bestimmtheit eines Klageantrags. Die Kläger müssen die in Betracht kommenden Maßnahmen nicht genau bezeichnen. Es genügt auszusprechen, welche genau bezeichneten Störungen verhindert werden sollen, während die Wahl der Mittel dem Störer überlassen bleiben muss (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 11.06.1986 - 9 U 51/86 -, NJW 1986, 2648).
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Kläger haben gegen die Beklagte keinen Anspruch auf die von ihr begehrten wegebaulichen Maßnahmen auf dem Weg Nr. 63. Der öffentlich-rechtliche Abwehr- und Unterlassungsanspruch setzt voraus, dass der Bürger durch schlicht hoheitliches Verwaltungshandeln in seinen geschützten Rechtsgütern rechtswidrig beeinträchtigt wird und zur Duldung dieser Beeinträchtigung nicht verpflichtet ist. Er richtet sich gegen den für diese Beeinträchtigung verantwortlichen Hoheitsträger (OVG NW, Urteil vom 26.06.1983 - 7 A 1270/82 - BauR 1984, 152 (153); Hmb. OVG, Urteil vom 15.10.1985 - Bf VI 10/82 -, BRS 44 Nr. 182; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 16.11.1984 - 8 S 3029/83 -, BRS 42 Nr. 39; Nds. OVG, Urteil vom 25.07.1997 - 1 L 5856/95 -, BRS 59 Nr. 184). Die Teilnehmergemeinschaft M. -G. ist richtige Beklagte, wie der Senat in seinem Zwischenurteil vom 10. Juli 2004 entschieden hat.
Die Voraussetzungen eines öffentlich-rechtlichen Abwehr- und Unterlassungsanspruchs, der seine Rechtsgrundlage in der entsprechenden Anwendung der §§ 1004, 906 BGB findet, sind nicht gegeben. Der Anspruch der Kläger auf Abwehr von Oberflächenwasser setzt voraus, dass eine wesentliche Beeinträchtigung ihres Grundstückseigentums gegeben ist (vgl. MünchKomm BGB, 4. Aufl. 2004, § 1004 Rdnr. 31 und § 858 Rdnr. 5). Dies ist hier jedoch nicht der Fall. Der Weg Nr. 63 dient nach dem Textteil des Wege- und Gewässerplans der Erschließung von land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen westlich der Ortslage von G.. Es handelt sich nicht um einen Weg mit Erschließungsfunktion für eine Wohnbebauung. Zwar hat die Beklagte den Weg Nr. 63 abweichend von den vorgenannten textlichen Festsetzungen statt in Schotterbauweise mit einer Asphaltdecke hergestellt; hierdurch ist jedoch der Abfluss von Oberflächenwasser auf die Grundstücke der Kläger unabhängig davon, ob bei der Herstellung des Weges eine andere Entwässerung möglich gewesen wäre, nicht unzumutbar verstärkt worden. Das auf die Grundstücke der Kläger gelangende Oberflächenwasser fällt in einem Umfang an, den die Kläger dulden müssen. Wie der Senat bei der Augenscheinseinnahme festgestellt hat, ist die Situation der klägerischen Grundstücke dadurch geprägt, dass das Gelände nach Süden hin abfällt und nördlich des Weges Nr. 63 ansteigt. Aufgrund dieser vorgegebenen Grundstückssituation ist auch schon vor dem Ausbau des Weges Nr. 63 Oberflächenwasser auf die Grundstücke der Kläger gelangt. Diese Einschätzung des Senats wird dadurch bestätigt, dass auf dem unbebauten Grundstück Nr. 187/46 im Bereich des Anschlusses an den Weg Nr. 63 durch Erdanschüttung ein Graben geschaffen wurde, der zur Aufnahme und Ableitung von Oberflächenwasser dient. Einer derartigen Maßnahme hätte es bei fehlendem Zufluss von Oberflächenwasser nicht bedurft. Sie wird ferner bestätigt durch die fachtechnische Stellungnahme des Beklagten vom 03.08.2004, wonach von dem ursprünglich vorhandenen verdichteten Schotterweg - dasselbe gelte bei einem Ausbau des Weges mit Schotteroberbau - wegen der äußerst geringen Versickerungsleistung nur unwesentlich weniger Oberflächenwasser auf die klägerischen Grundstücke gelangt ist. Hinsichtlich der Durchführung von Entwässerungsmaßnahmen bestimmt § 44 Abs. 3 Satz 3 FlurbG, dass die erforderliche Vorflut, soweit möglich, zu schaffen ist. Aus dieser Formulierung wird ersichtlich, dass der Herstellung von Vorflutanlagen sowohl von den örtlichen Gegebenheiten als auch von den finanziellen Möglichkeiten Grenzen gezogen sein können. Diesen Anforderungen ist die Beklagte bei dem Ausbau des Weges Nr. 63 unter Berücksichtigung der entstehenden Kosten für eine aufwendige Entwässerung und der hierdurch nur geringfügigen Entlastung der klägerischen Grundstücke gerecht geworden. Bei einem Holzabfuhrweg und einem Fahrweg zur Erschließung der Feldmark, bei dem nur für wenige Wohnbaugrundstücke ein Benutzungsrecht mit Kraftfahrzeugen eingeräumt worden ist, besteht zur Ableitung von Oberflächenwasser kein Anspruch auf einen Kanalanschluss mit Gully. Dies hier schon deshalb nicht, weil nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben des Bürgermeisters in der mündlichen Verhandlung die wasserbehördliche Auflage besteht, den Fremdwasseranteil (Oberflächen- und Drainagewasser) im Kanalnetz, der teilweise über 200 % betrage, zu reduzieren. Deshalb verhilft es der Klage auch nicht zum Erfolg, dass in dem streitbefangenen Wegestück bereits ein gemeindlicher Abwasserkanal verlegt ist.