Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 20.04.2010 - 13 A 09.1463 = RdL 2010, 269-270 (Leitsatz und Gründe)= BayVBl 2010, 768-769 (Leitsatz und Gründe) (Lieferung 2011)

Aktenzeichen 13 A 09.1463 Entscheidung Urteil Datum 20.04.2010
Gericht Flurbereinigungsgericht München Veröffentlichungen RdL 2010, 269-270 (Leitsatz und Gründe) = BayVBl 2010, 768-769 (Leitsatz und Gründe)  Lieferung 2011

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Wenn im Flurbereinigungsverfahren ein Teilnehmer den mit dem Ziel der Verbesserung der Abfindung eingelegten Widerspruch unter Hintanstellung weitergehender Beanstandungen für erledigt erklärt, sobald die Wertgleichheit der Abfindung durch nachträgliche Änderung des Flurbereinigungsplans erreicht ist, entspricht es in der Regel der Billigkeit, der Teilnehmergemeinschaft die Kosten des erledigten Vorverfahrens nach Art. 80 Abs. 1 Satz 5 BayVwVfG aufzuerlegen.

Aus den Gründen

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Die Kostenentscheidung im Bescheid vom 10. Juni 2009 entspricht nicht dem Billigkeitsgebot des Art. 80 Abs. 1 Satz 5 BayVwVfG. Der strittige Kostenaufhebungsausspruch bedeutet, dass der Kläger insbesondere seine Rechtsanwaltskosten selbst zu tragen hat (BayVGH vom 22.8.1983 BayVBl 1984, 691/692 zu § 155 Abs. 1 Satz 2 VwGO) und die Verfahrenskosten jeder Partei zur Hälfte zur Last fallen. Da nach § 147 Abs. 4 und Abs. 3 Satz 2 FlurbG im Fall der Hauptsacheerledigung im Widerspruchsverfahren keine Verwaltungsgebühr anfällt und Auslagen vom Spruchausschuss nicht erhoben wurden, kommt die hälftige Lastenteilung hinsichtlich der Verfahrenskosten hier ohnehin nicht zum Tragen.


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Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 5 BayVwVfG wird bei Erledigung des Widerspruchs "auf andere Weise" über die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sachstands entschieden. Hierbei kommt es grundsätzlich darauf an, wer die Kosten hätte tragen müssen, wenn sich der Widerspruch nicht erledigt hätte. Kostenpflichtig ist in der Regel diejenige Seite, die im Rechtsstreit voraussichtlich unterlegen wäre. War der Ausgang des Verfahrens jedoch offen, so ist es angezeigt, die Kosten zu quoteln oder gegeneinander aufzuheben (Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, RdNrn. 16 und 17 zu § 161; BVerwG vom 28.10.1992 Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 98). Im vorliegenden Fall waren die Erfolgsaussichten des Widerspruchs im Hauptpunkt (Landabfindung) weder als ungünstig noch als offen einzustufen. Bezüglich des Begehrens nach einer zusätzlichen Landzuteilung zwecks Zuteilung einer wertgleichen Abfindung (§ 44 Abs. 1 FlurbG) wäre der Widerspruch als begründet zu erachten gewesen. Da es gemäß der Erkenntnis des Spruchausschusses nach der ursprünglichen Fassung des Flurbereinigungsplans ein Abfindungsdefizit im Umfang von 4182 WVZ gab, ist die wertgleiche Abfindung erst durch die Planänderung in Folge des Widerspruchs eingetreten. Somit wäre der erledigte Widerspruch insoweit erfolgreich gewesen.


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Aus der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zum Streitgegenstand bei einem Klagebegehren nach weitergehender Verbesserung der im bereits geänderten Flurbereinigungsplan ausgewiesenen Abfindung ergibt sich keine andere Einschätzung. Bei der Bestimmung des Streitgegenstands ist davon auszugehen, dass nur die Gesamtabfindung, nicht aber die Zuteilung eines einzelnen Grundstücks im Streit sein kann (BVerwG vom 5.6.1961 RdL 1961, 240/241 <= RzF - 12 - zu § 44 Abs. 1 FlurbG>). Der den Streitgegenstand bildende prozessuale Anspruch (vgl. Kopp/Schenke, a.a.O., RdNr. 7 zu § 90) geht im Abfindungsstreit auf die Zuteilung einer verbesserten Abfindung, wobei der materielle Anspruch auf wertgleiche Abfindung unteilbar ist. Hierbei kommt es darauf an, ob sich der Klage- bzw. Rechtsbehelfsanspruch auf die Zuteilung einer wertgleichen Abfindung beschränkt oder bei kritischer Würdigung darüber hinaus geht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. Urteil vom 12.9.1973 RzF 9 zu § 147 Abs. 5 <= RzF - 9 - zu § 147 Abs. 5 FlurbG>; vom 20.10.1988 RzF 12 zu § 147 Abs. 4 <= RzF - 12 - zu § 147 Abs. 4 FlurbG>; vom 28.10.1993 RzF 95 zu § 44 Abs. 2 <= RzF - 95 - zu § 44 Abs. 2 FlurbG>) kommt der Erledigung von Einzelbeanstandungen im Rahmen des Widerspruchsverfahrens kostenrechtlich keine Bedeutung nach Art. 80 Abs. 1 Satz 3 BayVwVfG (Kostenverteilung) zu, wenn der Kläger trotz der im Widerspruchsverfahren erreichten angemessenen "Teilabhilfe" an dem Begehren nach weitergehender Abfindung festhält und hiermit unterliegt. In diesem Fall ist ausgehend von der Bescheidsfassung, die der Flurbereinigungsplan als Verwaltungsakt durch das Widerspruchsverfahren gefunden hat, das Klagebegehren auf weitergehende Abfindung unbegründet, wenn bereits die geänderte Fassung dem Gebot der wertgleichen Abfindung genügt. Die daraus folgende Kostentragungspflicht nach § 154 Abs. 1 VwGO gilt wegen § 162 Abs. 1 VwGO auch für die Kosten des Vorverfahrens. Ein Teilnehmer hat also im Fall einer Klage oder eines Widerspruchs zwecks Verbesserung der Abfindung nur dann einen Kostenvorteil bei nachträglicher, die Wertgleichheit der Abfindung bewirkender Änderung des Flurbereinigungsplans, wenn er das Rechtsbehelfsverfahren nach der Planänderung für erledigt erklärt und damit von der Nachprüfung seiner Abfindung hinsichtlich der übrigen Beanstandungen Abstand nimmt (vgl. hierzu auch TOP 2 der Ergebnisniederschrift der Dienstbesprechung der Juristen der Ämter für Ländliche Entwicklung vom 18. und 19.10.2006 in Würzburg). In der vorliegenden Fallkonstellation hat sich der Kläger durch seine Erledigungserklärung vom 9. Juni 2009 mit der Änderungsfassung des Flurbereinigungsplans unter Hintanstellung der übrigen anfänglich erhobenen Beanstandungen einverstanden erklärt. Im Ergebnis war sein Rechtsbehelf somit erfolgreich, weil er die angestrebte Wertgleichheit der Abfindung erreicht hat. Im Unterschied zum vorliegenden Fall lag den im Einstellungsbescheid zitierten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofs vom 12. September 1973 und 28. Oktober 1993 die Fallkonstellation zugrunde, dass die damaligen Kläger die Rechtsbehelfe mit dem Ziel der Verbesserung der Abfindung trotz "Teilabhilfe" ohne Erfolg fortführten.


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Soweit der Kläger ursprünglich noch einen Ausgleich für den entgangenen Gewinn aus bisherigen Pachtflächen und eine Entschädigung für den durch den Wegebau eingetretenen Ernteverlust geltend machte, entspricht es hingegen der Billigkeit, ihm hierfür die Kosten aufzuerlegen. Da der Kläger seinen Widerspruch insgesamt für erledigt erklärt hatte, obwohl ihm seitens der Beigeladenen nur 25 % des geltend gemachten Ernteverlustes von 600 Euro zugestanden und der entgangene Gewinn überhaupt nicht ausgeglichen wurde, kommt die Erledigungserklärung insoweit einer Rücknahme gleich. Der Anspruch aus § 51 FlurbG, der hierbei inmitten stand, ist von dem Anspruch auf Landabfindung nach § 44 FlurbG unabhängig (BVerwG vom 3.12.1959 RdL 1960, 78 = RzF 1 zu § 28 Abs. 1 <= RzF - 1 - zu § 28 Abs. 1 FlurbG>) und deshalb kostenrechtlich gesondert zu würdigen.


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Der Senat hält bezüglich des Vorverfahrens einen Gegenstandswert von 10.000,- Euro für den Flurbereinigungsplan und einen solchen von 2.000,- Euro für die geltend gemachten finanziellen Nachteile für angemessen. Hieraus ergibt sich eine Kostenquotelung bezüglich des Vorverfahrens von fünf Sechsteln zu Lasten der Teilnehmergemeinschaft und einem Sechstel zu Lasten des Widerspruchsführers.