Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 21.03.2019 - 13 A 18.1676 (Lieferung 2021)

Aktenzeichen 13 A 18.1676 Entscheidung Urteil Datum 21.03.2019
Gericht Flurbereinigungsgericht München Veröffentlichungen Lieferung 2021

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Der wirksame Abschluss eines Prozessvergleichs setzt eine Einigung über die wesentlichen Bestandteile der Vereinbarung voraus, d.h. es darf kein Dissens vorliegen. (Amtlicher Leitsatz) (Rn 27)
2. Ein Prozessvergleich kann den Flurbereinigungsplan unmittelbar ändern. Insoweit stellen für den Fall des Verzichts auf ein Einlage- oder Abfindungsflurstück zu Gunsten eines Dritten die §§ 52, § 53 FlurbG ein spezielles Verfahren zur Verfügung, das gerade nicht die Beachtung der sonst für die Änderung des Flurbereinigungsplans zu beachtenden Förmlichkeiten voraussetzt. (Redaktioneller Leitsatz) (Rn 41)
3. Eine im Schriftsatz auf Fortsetzung des Verfahrens enthaltene Anfechtungserklärung wird nicht schon mit Eingang beim Gericht, sondern erst mit Zugang beim Anfechtungsgegner wirksam. (Amtlicher Leitsatz) (Rn 49f.)

Aus den Gründen

25    Der Kläger hat keinen Anspruch auf Fortführung des Verwaltungsstreitverfahrens 13 A 16.2500, da dieses durch den in der mündlichen Verhandlung am 26. September 2017 geschlossenen gerichtlichen Vergleich wirksam beendet worden ist. Der Vergleich vom 26. September 2017 ist wirksam zustande gekommen, insbesondere liegt kein Dissens vor (nachstehend unter I.). Er ist auch nicht wegen einer Anfechtung gemäß Art. 62 Satz 2 BayVwVfG i.V.m. § 142 Abs. 1 BGB rückwirkend unwirksam geworden (nachstehend unter II.). Schließlich kann die Frage, ob seine prozessbeendende Wirkung aufgrund eines Rücktritts oder wegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nachträglich entfallen ist, nicht im Rahmen des Antrags auf Fortführung des Verwaltungsstreitverfahrens 13 A 16.674 berücksichtigt bzw. geprüft werden (nachstehend unter III.). Dementsprechend war der gestellte Antrag auf Fortsetzung des Verwaltungsstreitverfahrens abzulehnen und festzustellen, dass das Verfahren durch den gerichtlichen Vergleich beendet ist.


26    I. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat in dem Fall, dass sich ein Beteiligter mit einem Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens auf die von Anfang an bestehende oder im Wege der Anfechtung rückwirkend herbeigeführte Nichtigkeit eines Prozessvergleichs beruft, das bisher mit der Sache befasste Gericht hierüber und, wenn es die Nichtigkeit als gegeben ansieht, in dem dann anhängig gebliebenen Rechtsstreit auch über die Berechtigung der von dem Kläger ursprünglich geltend gemachten Ansprüche zu entscheiden (BVerwG, U.v. 10.3.2010 - 6 C 15.09 - NJW 2010, 3048 = juris Rn. 10; B.v. 27.10.1993 - 4 B 175.93 - Buchholz 310 § 106 VwGO Nr. 17 S. 12; B.v. 14.12.1967 - 8 B 146.67 - BVerwGE 28, 332; U.v. 27.9.1961 - 1 C 93.58 - Buchholz 310 § 106 VwGO Nr. 2 S. 2).


27    Der Vergleich ist sowohl prozessual als auch inhaltlich wirksam zustande gekommen, insbesondere liegt entgegen der klägerischen Ansicht kein Dissens vor. Im Hinblick auf die Doppelnatur eines Prozessvergleichs nach § 106 VwGO, der sowohl eine Prozesshandlung als auch ein materiell-rechtliches Rechtsgeschäft in Form eines Vergleichsvertrags darstellt, gelten für sein Zustandekommen die §§ 145 bis 156 BGB und bedarf es inhaltlich übereinstimmender Willenserklärungen der Beteiligten. Aufgrund der Doppelnatur des Prozessvergleichs ist er sowohl Prozesshandlung, deren Wirksamkeit sich nach den Grundsätzen des Prozessrechts richtet, als auch öffentlich-rechtlicher Vertrag, für den die materiellrechtlichen Vorschriften der Art. 54 ff. BayVwVfG gelten (BVerwG, U.v. 18.7.2012 - 8 C 4.11 - juris Rn. 42). Als Prozesshandlung führt er zur Prozessbeendigung, als materiellrechtlicher Vertrag zur Streitbeendigung (vgl. BVerwG, U.v. 10.3.2010 - 6 C 15.09 - NJW 2010, 3048 = juris Rn. 12 m.w.N.). Der prozessuale und der materiellrechtliche Vertrag beeinflussen sich in ihrer Wirksamkeit wechselseitig, wenn auch in unterschiedlicher Weise. Ist die Vergleichsvereinbarung materiell unwirksam, verliert auch die Prozesshandlung ihre Wirksamkeit, da sie nur die Begleitform für den materiellrechtlichen Vergleich ist. Entbehrt der Vergleich der sachlich-rechtlichen Grundlage, geht ihm auch die verfahrensrechtliche Wirkung der Prozessbeendigung ab. Im umgekehrten Fall gilt dies nicht in gleicher Weise. Auch ein prozessual unwirksamer Vergleich kann als materiellrechtliche Vereinbarung eine von der Rechtsordnung anerkannte Funktion erfüllen. Ob er als außergerichtliches Rechtsgeschäft Bestand haben kann, richtet sich nach dem hypothetischen Willen der Beteiligten (BVerwG, U.v. 10.3.2010 - 6 C 15.09 - NJW 2010, 3048 = juris Rn. 12; B.v. 27.10.1993 - 4 B 175.93 - Buchholz 310 § 106 VwGO Nr. 17 S. 9 f.).


28    Der in der mündlichen Verhandlung am 26. September 2018 vor dem Senat geschlossene Vergleich ist formell unter Beachtung der prozessualen Formvorschriften zustande gekommen. Er wurde gemäß § 105 VwGO i.V.m. § 160 Abs. 3 Nr. 1 ZPO ordnungsgemäß protokolliert. In der Niederschrift über die mündliche Verhandlung wurde auch entsprechend § 105 VwGO i.V.m. § 162 Abs. 1 Sätze 1 und 3 ZPO vermerkt, dass der Vergleich vorgelesen und von den Beteiligten genehmigt wurde ("v.u.g.", vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 106 Rn. 11).


29    Damit der Vergleich vom 26. September 2017 auch als Vergleichsvertrag wirksam zustande gekommen ist, müssen sich die Willenserklärungen aller Vertragsparteien, vorliegend des Klägers, der Beklagten sowie der Beigeladenen, inhaltlich hinsichtlich der wesentlichen Vertragsbestandteile, der sog. essentialia negotii, vollständig gedeckt haben und darf kein offener oder versteckter Einigungsmangel vorliegen (vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Aufl. 2014, § 54 Rn. 18).


30    Ein offener Dissens im Sinne der Auslegungsregel des § 154 Abs. 1 Satz 1 BGB besteht, wenn sich die Parteien bewusst sind, dass sie sich noch nicht über alle Vertragspunkte einig geworden sind, über die nach der Erklärung auch nur einer Partei eine Vereinbarung getroffen werden soll (BGH, U.v. 10.6.2016 - V ZR 295/14 - juris Rn. 14; Busche in Münchener Kommentar, BGB, 8. Aufl. 2018, § 154 Rn. 4; Ellenberger in Palandt, BGB, 76. Aufl. 2017, § 154 Rn. 1). Eine solche Fallkonstellation liegt erkennbar nicht vor und wird auch vom Kläger nicht geltend gemacht.


31    Auch der allenfalls in Betracht kommende versteckte Einigungsmangel im Sinn von § 155 BGB liegt nicht vor. Dieser setzt allerdings voraus, dass die Erklärungen der Parteien in ihrem objektiven Erklärungsinhalt nicht übereinstimmen; es genügt nicht, dass eine Partei mit ihrer Erklärung einen von deren objektiven Inhalt abweichenden Sinn verbunden hat (BGH, U.v. 10.6.2016 - V ZR 295/14 - juris Rn. 14; U.v. 5.12.2002 - VII ZR 342/01 - NJW 2003, 743; U.v. 31.5.1961 - VIII ZR 28/60 - NJW 1961, 1668; Ellenberger a.a.O., § 155 Rn. 2). Allerdings kommen die Bestimmungen der §§ 154 und 155 BGB nur bei Einigungsmängeln zur Anwendung, die sich auf vertragliche Nebenpunkte beziehen (Busche a.a.O., § 154 Rn. 3, § 155 Rn. 2).


32    Vorliegend macht der Kläger geltend, es liege ein Einigungsmangel über wesentliche Vertragspunkte vor, die zu den essentialia negotii gehören. Beim einem offenen oder versteckten "Totaldissens" fehlt es bereits an einer Einigung über einen Vertragspunkt, der zu den essentialia negotii gehört, womit ein Vertrag von vornherein nicht zustande kommen kann (Busche a.a.O., § 154 Rn. 3, § 155 Rn. 2). Ein derartiger Totaldissens liegt etwa vor, wenn eine Einigung über die Person der Vertragsparteien, über den Vertragsgegenstand und damit den Vertragstyp oder die Vergütung nicht feststellbar ist. Das ist hier nicht der Fall.


33    Nach dem klägerischen Vortrag soll der Totaldissens darin liegen, dass die am Vergleich Beteiligen eine unterschiedliche Vorstellung darüber gehabt hätten, ob die Beklagte die in Nr. I. des Vergleichs vorgesehene Änderung des Flurbereinigungsplans unmittelbar mit dem Abschluss des Vergleichs oder aber erst später, nachdem die Ausgleichsleistung erbracht worden ist, vornehmen sollte bzw. vorgenommen hat.


34    Damit ist jedoch zum einen kein wesentlicher Vertragspunkt betroffen, der zu den essentialia negotii gehört. Insoweit zeigt schon die Bestimmung des § 271 Abs. 1 BGB, dass die Leistungszeit im Regelfall - vorbehaltlich spezieller Verträge oder Regelungen - gerade keinen wesentlichen Vertragspunkt im Sinne der essentialia negotii darstellt, über den zwingend eine Einigung erfolgt sein muss, damit ein Vertrag zustande kommt. Nach dieser Regelung gilt für den Fall, dass eine Zeit für die Leistung weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen ist, dass der Gläubiger die Leistung sofort verlangen, der Schuldner sie sofort bewirken kann.


35    Zum andern fehlt es vorliegend an einem Dissens, der eine objektive Mehrdeutigkeit der abgegebenen Willenserklärungen bzw. der mit ihnen getroffenen Vereinbarung voraussetzen würde. Ein versteckter Einigungsmangel setzt voraus, dass die Erklärungen der Vertragsparteien in ihrem objektiven Erklärungsinhalt nicht übereinstimmen; es genügt nicht, dass eine Partei mit ihrer Erklärung einen von deren objektiven Inhalt abweichenden Sinn verbunden hat (zu § 155 BGB vgl. BGH, U.v. 10.6.2016 - V ZR 295/14 - juris Rn. 14; U.v. 5.12.2002 - VII ZR 342/01 - NJW 2003, 743; U.v. 31.5.1961 - VIII ZR 28/60 - NJW 1961, 1668; Ellenberger a.a.O., § 155 Rn. 2). Es müsste damit eine objektiv mehrdeutige Vereinbarung vorliegen, aufgrund derer auf Seiten der Vertragsparteien unterschiedliche Vorstellungen über die Bedeutung der getroffenen Vereinbarung bestehen.


36    Maßgeblich sind die in der Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 26. September 2017 beurkundeten Erklärungen der Parteien. Diese stimmen in ihrem objektiven Erklärungsgehalt überein.


37    Willenserklärungen und Verträge sind nach Art. 62 Satz 2 BayVwVfG i.V.m. §§ 133, 157 BGB auszulegen (vgl. Kopp/Ramsauer, a.a.O., § 62 Rn. 12). Insoweit ist die Anwendung dieser Bestimmungen auch im öffentlichen Recht, insbesondere bei öffentlich-rechtlichen Verträgen anerkannt, und kommt es für die Auslegung entscheidend darauf an, wie der Empfänger die Erklärung bei objektiver Würdigung verstehen durfte (vgl. Ellenberger a.a.O., § 133 Rn. 4). Maßgeblich ist dabei nicht der innere Wille des Erklärenden, sondern, wie der Erklärungsempfänger die Erklärung unter den jeweiligen Umständen bei objektiver Betrachtungsweise verstehen musste (vgl. BayVGH, B.v. 14.6.2013 - 10 C 13.710 - juris Rn. 5 unter Hinweis auf BVerwG, U.v. 18.12.2007 - 6 C 47.06 - juris Rn. 29 für Verwaltungsakte; U.v. 27.8.2008 - 6 C 32.07 - juris Rn. 23 für Prozesshandlungen; B.v. 22.9.2011 - 6 B 19.11 - juris Rn. 6 öffentlich-rechtliche Willenserklärungen).


38    Bei der gebotenen objektiven Betrachtungsweise ist die Formulierung in Teil I. des Vergleichs "Der Flurbereinigungsplan wird dahingehend geändert, dass die Abfindungsflurstücke 4677, 4682, 4681, 4679, 4686 und 4684 der Kläger der G. GmbH & Co. KG zugeteilt werden" nicht mehrdeutig. Nicht zuletzt wegen der gegenüber dem sonstigen Verwaltungsprozessrecht (vgl. § 114 Satz 1 VwGO) erweiterten Entscheidungskompetenz des Flurbereinigungsgerichts in § 144 Satz 1 Alt. 1 FlurbG, den Gestaltungsspielraum der TG bei Erlass des Flurbereinigungsplans nicht nur zu überprüfen, sondern den Gestaltungsspielraum auch selbst ausüben zu dürfen (vgl. Mayr in Wingerter/Mayr, FlurbG, 10. Aufl. 2018, § 144 Rn. 1), wird der Flurbereinigungsplan im gerichtlichen Verfahren vor dem Flurbereinigungsgericht regelmäßig unmittelbar geändert und erfolgt nicht nur eine Zusage der künftigen Änderung des Plans im Sinn von Art. 38 BayVwVfG. Daher ist die Formulierung in dem Sinne auszulegen, dass mit der Zustimmung der Beklagten und der Zustimmung des Klägers bzw. dessen Bevollmächtigten zu diesem Vergleich der Flurbereinigungsplan unmittelbar dahingehend geändert wurde, dass der Abfindungsanspruch des Klägers auf die der Beigeladenen zuzurechnende G. GmbH & Co. KG übertragen wurde und dem Kläger statt des Abfindungsanspruchs ein Zahlungsanspruch gegen die Beigeladene nach Teil II. des Vergleichs zusteht.


39    Mit der in Teil I. des Vergleichs getroffenen Vereinbarung wurde von Seiten des Klägers ein Verzicht auf Landabfindung gegen eine Abfindung in Geld zugunsten der Beigeladenen im Sinne des § 52 FlurbG erklärt. Die nach § 52 Abs. 2 Satz 1 FlurbG für die Zustimmung vorgeschriebene Schriftform wurde durch die Aufnahme in den protokollierten Prozessvergleich nach § 127a BGB gewahrt (vgl. Mayr in Wingerter/Mayr a.a.O., § 52 Rn. 2a). Von Seiten der Beklagten wurde mit ihrer Zustimmung zum Vergleich diese Willenserklärung des Klägers angenommen, wodurch die Beigeladene bzw. die mit dieser verbundene G. GmbH & Co. KG dessen Abfindungsanspruch erworben hat (vgl. Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 52 Rn. 3b). Gleichzeitig entstand mit dem Wirksamwerden der Annahme des Verzichts durch die Beklagte auf Seiten des Klägers der Anspruch auf die Geldabfindung (vgl. Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 52 Rn. 5). Insoweit wurde in Teil II. des Vergleichs abweichend vom Regelfall einer Verzichtserklärung nach den §§ 52, § 53 FlurbG vereinbart, dass die Geldabfindung außerhalb des Flurbereinigungsverfahrens unmittelbar zwischen dem Kläger und der Beigeladenen und in Höhe des von einem geeigneten Sachverständigen für die Bewertung von Kiesgrundstücken ermittelten Werts des Abfindungsflurstücks erfolgt. Die Höhe der Abfindung oder des "Kaufpreises" sollte damit durch einen Gutachter bestimmt werden, so dass insoweit eine Bestimmung der Leistung durch einen Dritten im Sinne von § 317 Abs. 1 BGB, eine sog. Schiedsgutachterabrede vereinbart wurde. Über die §§ 52, § 53 FlurbG können Teilnehmer eines Flurbereinigungsverfahrens ohne notarielle Verhandlung und ohne Auflassung (§ 925 BGB) rasch und billig Land abgeben (vgl. Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 52 Rn. 1). Insoweit ist anerkannt, dass der Verzicht auch in einer Abfindungsvereinbarung oder einem Vergleich erklärt werden kann (vgl. Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 52 Rn. 2a). Dabei ist nach der ausdrücklichen Regelung in § 52 Abs. 3 Satz 2 FlurbG ein Verzicht nicht nur zugunsten der Teilnehmergemeinschaft, sondern auch zugunsten Dritter zulässig (vgl. Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 52 Rn. 3). Schließlich kann der Verzicht auch noch nach Eintritt des neuen Rechtszustands nach den §§ 61, § 63 FlurbG erklärt werden und damit Abfindungsflurstücke erfassen (vgl. Mayr in Wingerter/Mayr, a.a.O., § 52 Rn. 6).


40    Die Vereinbarung einer Schiedsgutachterabrede ist gemäß Art. 62 Satz 2 BayVwVfG i.V.m. § 319 Abs. 1 BGB nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch im öffentlichen Recht zulässig, wenn sich die Vertragsbeteiligten gleichgeordnet gegenüberstehen (vgl. BVerwG, U.v. 19.1.1990 - 4 C 21.89 - BVerwGE 84, 257 = juris Rn. 40; VGH BW, B.v. 11.2.2016 - 5 S 1098/15 - juris Rn. 15). Dies ist hier hinsichtlich der im Teil II. des Vergleichs enthaltenen Schiedsgutachterabrede zur Bestimmung der Höhe der Abfindung bei dem Kläger und der Beigeladenen der Fall. Ob eine Schiedsgutachterabrede vorliegt, hängt allein von dem Inhalt der Aufgabe ab, die in der Parteivereinbarung nach dem Willen der Parteien dem Dritten übertragen worden ist, ohne dass dabei der Bezeichnung in der Vereinbarung ein ausschlaggebendes Gewicht beigemessen werden kann (vgl. VGH BW, B.v. 11.2.2016 - 5 S 1098/15 - juris Rn. 15 m.w.N.). Nach Wortlaut, Systematik sowie erkennbarem Sinn und Zweck von Teil II. des Vergleichs sollte ein öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger den Wert der Abfindungsflurstücke und damit den von der Beigeladenen an den Kläger zu erbringenden Ausgleich als Gegenleistung für die Zuteilung der Abfindungsflurstücke an die G. GmbH & Co. KG festlegen, ohne an die bestandskräftige Feststellung der Ergebnisse der Wertermittlung gebunden zu sein. Nach ihrem Anwendungsbereich kommen die §§ 315 ff. BGB unmittelbar zur Anwendung, wenn die Parteien einem Dritten die Befugnis übertragen, die Leistung oder Leistungsmodalitäten zu übertragen oder zu bestimmen und dadurch den Vertragsinhalt rechtsgestaltend zu ergänzen (sog. Schiedsgutachten im weiteren Sinn, vgl. Grüneberg in Palandt, BGB, 76. Aufl. 2017, § 317 Rn. 3, 5). Sofern der Dritte die Aufgabe hat, Tatsachen oder Tatbestandsmerkmale für die Parteien verbindlich festzustellen, handelt es sich um ein Schiedsgutachten im engeren Sinne, auf das die §§ 315 ff. BGB entsprechend anwendbar sind (vgl. Grüneberg a.a.O., § 317 Rn. 3 und 6). Die Bestimmung bzw. Ermittlung des Verkehrswerts eines Grundstücks ist insoweit die verbindliche Feststellung einer Tatsache, so dass es sich bei der Abrede in Teil II. des Prozessvergleichs um ein Schiedsgutachten im engeren Sinne handelt.


41    Gegen die vorstehende Auslegung des Vergleichs und die damit unmittelbar herbeigeführte Änderung des Flurbereinigungsplans sprechen auch nicht die vom Kläger angeführten Verfahrensvorschriften des Flurbereinigungsgesetzes, die zwingend zu beachten seien. Insoweit stellen für den Fall des Verzichts auf ein Einlage- oder Abfindungsflurstück zu Gunsten eines Dritten die §§ 52, § 53 FlurbG ein spezielles Verfahren zur Verfügung, das gerade nicht die Beachtung der sonst für die Änderung des Flurbereinigungsplans zu beachtenden Förmlichkeiten voraussetzt. Letztendlich werden mit dem Verzicht auch keine weitergehenden inhaltlichen Änderungen des Flurbereinigungsplans vorgenommen, als die Person des Berechtigten hinsichtlich des Abfindungsflurstücks geändert wird, wobei der Dritte als Rechtsnachfolger gemäß § 15 Satz 1 FlurbG das durchgeführte Verfahren gegen sich gelten lassen muss.


49    Unabhängig von den vorstehenden Ausführungen hat der Kläger den geschlossenen Vergleichsvertrag auch deshalb nicht wirksam angefochten, weil er die Anfechtung nicht innerhalb der gesetzlichen Anfechtungsfrist nach Art. 62 Satz 2 BayVwVfG i.V.m. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB erklärt hat. Nach diesen Vorschriften muss die Anfechtung unverzüglich - das heißt ohne schuldhaftes Zögern - vorgenommen werden, nachdem der Anfechtungsberechtigte von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erlangt hat. Sie ist innerhalb einer den Umständen des Einzelfalls angepassten Prüfungs- und Überlegungsfrist zu erklären (vgl. BVerwG, U.v. 10.3.2010 - 6 C 15/09 - NJW 2010, 3048 = juris Rn. 21 unter Hinweis auf BGH, B.v. 15.3.2005 - VI ZB 74/04 - NJW 2005, 1869), wobei als Obergrenze überwiegend eine Frist von zwei Wochen angesehen wird (vgl. Ellenberger a.a.O., § 121 Rn. 3; Armbrüster in Münchener Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2018, § 121 Rn. 7). Für die Kenntnis kommt es auf die Person des Vertretenen an, der sich allerdings nach § 166 Abs. 1 BGB die Kenntnis des Vertreters zurechnen lassen muss, wenn dieser auch zur Anfechtung ermächtigt ist (vgl. BGH, U.v. 17.2.1965 - IV ZR 74/64 - MDR 1965, 646; Ellenberger a.a.O., § 121 Rn. 2). Für den Fristbeginn ist auf die positive Kenntnis vom Anfechtungsgrund abzustellen, wobei jedoch keine volle Überzeugung vom Bestehen des Anfechtungsrechts erforderlich ist. Ausreichend ist, dass der Anfechtungsberechtigte erkennt, dass sich sein Wille und die objektive Erklärung möglicherweise nicht decken, so dass zur Fristwahrung eine Eventualanfechtung geboten ist (Ellenberger a.a.O., § 121 Rn. 2). Nach Art. 62 Satz 2 BayVwVfG i.V.m. § 143 Abs. 1 BGB muss die Anfechtung dem Anfechtungsgegner gegenüber erklärt werden. Bei einem Vertrag ist Anfechtungsgegner nach § 62 Satz 2 BayVwVfG i.V.m. § 143 Abs. 2 BGB der andere Teil, bei einem mehrseitigen Vertrag sind es alle am Vertrag Beteiligten (Ellenberger a.a.O., § 143 Rn. 5). Wirksam wird die Anfechtung nach Art. 62 Satz 2 BayVwVfG i.V.m. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB mit dem Zugang der Anfechtungserklärung beim Anfechtungsgegner (Ellenberger a.a.O., § 121 Rn. 4).

Anmerkung


Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen durch Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 19.11.2020 - 9 B 43.19 (BeckRS 2020, 39555) mit der Bestätigung, dass zwar auch die nachträgliche Änderung des Flurbereinigungsplans der Genehmigung der oberen Flurbereinigungsbehörde bedarf, diese Genehmigung aber keine Voraussetzung für die Wirksamkeit der Planabfindung des einzelnen Teilnehmers ist, weshalb das Fehlen der Genehmigung den Flurbereinigungsplan gegenüber dem einzelnen Beteiligten nicht unwirksam macht (a.a.O. Rn 18; vgl. BVerwG Urteil v. 13. Juni 1960- 1 C 172.59 = RzF - 1 - zu § 58 Abs. 3 FlurbG und Mayr in Wingerter/Mayr, FlurbG, 10. Aufl. 2018, § 58 Rn. 20).