Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 13.06.1960 - I C 172/59 = Buchholz BVerwG 424.01 § 18 Abs. 2, §§ 91 ff. FlurbG Nr. 1= RdL 1960 S. 274

Aktenzeichen I C 172/59 Entscheidung Urteil Datum 13.06.1960
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen Buchholz BVerwG 424.01 § 18 Abs. 2, §§ 91 ff. FlurbG Nr. 1 = RdL 1960 S. 274  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Die Teilnehmergemeinschaft Flurbereinigung ist in Bayern befugt, den Zusammenlegungsplan zu erstellen.
2. Zur Frage, ob ein Verwaltungsakt, den die Teilnehmergemeinschaft statt der Flurbereinigungsbehörde erließ, nichtig oder lediglich anfechtbar ist.
3. Die Genehmigung ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung für den Flurbereinigungsplan.

Aus den Gründen

Die Behörde kann und darf ihre im Rechtsmittelverfahren zu treffende Entscheidung nicht mit der Genehmigung des Planes vorwegnehmen. Die Genehmigung des Flurbereinigungsplanes durch die Flurbereinigungsbehörde ist auch nicht Voraussetzung für die Wirksamkeit der Planabfindung des einzelnen Beteiligten. Sie wird nicht dem einzelnen Teilnehmer, sondern der Flurbereinigungsbehörde bzw. der Teilnehmergemeinschaft gegenüber erteilt. Eine Bekanntmachung an die Teilnehmer ist im Gesetz nicht vorgeschrieben. Im Verhältnis zu den Teilnehmern ist die Genehmigung daher kein Verwaltungsakt. Schon aus diesem Grunde kann die Genehmigung von einem Beteiligten nicht vor dem Flurbereinigungsgericht angefochten werden.

Das Flurbereinigungsgericht sieht den mit der Klage angefochtenen Zusammenlegungsplan als nichtig an, weil nicht die Teilnehmergemeinschaft, sondern die Flurbereinigungsbehörde zur Entscheidung zuständig gewesen sei. Selbst wenn dieser von Flurbereinigungsgericht erörterte Zuständigkeitsmangel vorläge, wäre es nicht unbedenklich, die Entscheidung der Teilnehmergemeinschaft ohne weiteres als nichtig und nicht nur als anfechtbar anzusehen. Die Flurbereinigung ist nach dem geltenden Recht nicht ein behördliches, sondern "ein behördlich geleitetes Verfahren", das "unter Mitwirkung der Gesamtheit der beteiligten Grundstückseigentümer" durchgeführt wird (vgl. § 2 Abs. 1, § 92 Abs. 1 FlurbG). Die Teilnehmergemeinschaft, also die zu einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zusammengeschlossene Gemeinschaft der Beteiligten, ist weitgehend Träger des Verfahrens. Ihr fallen die zur Ausführung der Flurbereinigung erforderlichen Aufwendungen zur Last (§ 105 FlurbG). Sie hat nicht nur den Beteiligten gegenüber Rechte und Pflichten, sondern auch gegenüber Weisungen und Entscheidungen der Flurbereinigungsbehörde ein Beschwerderecht (vgl. Art. 6 Satz 2 AGFlurbG, § 149 Abs. 1 Satz 3 FlurbG). Bei dieser rechtlichen Ausgestaltung des Verfahrens erscheint es zweifelhaft, ob einer Entscheidung der Teilnehmergemeinschaft, die die Billigung der Flurbereinigungsbehörde erhalten hat, bei einer Verletzung der Vorschriften über die Zuständigkeiten jegliche Wirksamkeit abgesprochen werden kann. Diese Frage bedarf jedoch im vorliegenden Verfahren keiner abschließenden Entscheidung, da die Teilnehmergemeinschaft für die Aufstellung des Zusammenlegungsplanes zuständig ist.

Das Flurbereinigungsgericht begründet seine Auffassung mit dem Wortlaut des Art. 3 des bayerischen Ausführungsgesetzes zum Flurbereinigungsgesetz, das nach der ständigen Rechtsprechung des Senats dem nichtrevisiblen Recht angehört. An dieser Auffassung ist festzuhalten. Die vom Flurbereinigungsgericht vorgenommene Auslegung beruht aber auf einer Verkennung des revisiblen Flurbereinigungsgesetzes des Bundes, nämlich des Verhältnisses des Fünften Teiles des Flurbereinigungsgesetzes zu seinem Dritten und Vierten Teil.

Die im Fünften Teil des Flurbereinigungsgesetzes geregelte beschleunigte Zusammenlegung ist eine besondere Form der Flurbereinigung, die dazu bestimmt ist, den mit der Flurbereinigung erstrebten betriebswirtschaftlichen Erfolg möglichst rasch herbeizuführen. Das Ziel dieses Verfahrens besteht darin, auf einfache und schnelle Weise unter Zurückstellung der übrigen in der Flurbereinigung durchzuführenden Aufgaben eine starke Zusammenlegung zersplitterten landwirtschaftlichen Grundbesitzes zu ermöglichen. Abgesehen von dieser Aufgabenbeschränkung liegt der Unterschied zur gewöhnlichen Flurbereinigung darin, daß für die Anordnung und die Durchführung den Besonderheiten des Verfahrens angepaßte Vorschriften aufgestellt sind. Der Tatsache, daß der Gesetzgeber diese Vorschriften in einem besonderen Teil des Gesetzes zusammengefaßt hat, kommt lediglich gesetzestechnische Bedeutung zu. Sie besagt aber nicht, daß die beschleunigte Zusammenlegung etwas grundlegend anderes sein soll als die Flurbereinigung. Die beschleunigte Zusammenlegung ist ein vereinfachtes Flurbereinigungsverfahren. Folgerichtig bestimmt daher das Gesetz, daß im übrigen - soweit keine Sondervorschriften bestehen - die Vorschriften über die Flurbereinigung sinngemäß anzuwenden sind. Diese bilden, soweit im Fünften Teil des Gesetzes keine Regelung getroffen ist, die gesetzliche Grundlage für die behördliche Tätigkeit; sie bestimmen den Umfang der behördlichen Befugnisse sowie die Rechte und Pflichten der Beteiligten. Hiernach ergibt sich die Befugnis und die Pflicht der Flurbereinigungsbehörde, das Zusammenlegungsgebiet neu zu ordnen und den Zusammenlegungsplan aufzustellen, aus den § 37 Abs. 1 und § 58 Abs. 1 Satz 1 FlurbG, also aus Vorschriften des Dritten und nicht des Fünften Teiles des Flurbereinigungsgesetzes.

Die auf die beschleunigte Zusammenlegung anzuwendenden Vorschriften über die Flurbereinigung umfassen auch die Bestimmungen, die den Landesgesetzgeber zu abweichenden Regelungen ermächtigen. Von der in den § 18 Abs. 2, § 33 FlurbG erteilten Ermächtigung hat Bayern in mehreren Artikeln des bayerischen Ausführungsgesetzes zum Flurbereinigungsgesetz Gebrauch gemacht. In Art. 3 Abs. 1 hat das Land alle Befugnisse und Aufgaben der Flurbereinigungsbehörde, die ihr nach dem Dritten und Vierten Teil des Flurbereinigungsgesetzes zukommen, der Teilnehmergemeinschaft übertragen; in Abs. 2 sind dagegen die Aufgaben und Befugnisse einzeln aufgezählt, die von der Übertragung ausgenommen sein sollen. Nach der amtlichen Begründung zu Art. 3 AGFlurbG ist diese gesetzestechnische Methode gewählt worden, weil bei Anwendung des Enumerationsprinzips die Gefahr bestehen würde, "daß Aufgaben des Vorstandes, die ihm nach dem Sachzusammenhang zukommen, nicht in die Liste aufgenommen sind". Das Gesetz will somit eine umfassende Übertragung von behördlichen Zuständigkeiten auf die Teilnehmergemeinschaft sicherstellen. Die Übertragung soll die Regel sein. Da sich die behördliche Befugnis bei der Neugestaltung des Zusammenlegungsgebietes aus Vorschriften des Dritten Teiles des Gesetzes ergibt, hätte es also einer ausdrücklichen Ausnahme von dieser Regel für das Zusammenlegungsverfahren bedurft. Eine solche kann nicht darin gesehen werden, daß in Art. 3 Abs. 1 AGFlurbG nur auf den Dritten und Vierten Teil des Gesetzes verwiesen wird. Demnach stehen die Befugnisse aus den § 37 Abs. 1 und § 58 Abs. 1 Satz 1 FlurbG, soweit sie die rechtliche Grundlage für die behördliche Tätigkeit im Zusammenlegungsverfahren bilden, der Teilnehmergemeinschaft zu. Dieses Ergebnis wird durch folgende Erwägungen unterstützt: Die Auffassung des Flurbereinigungsgerichtes würde zu einer Aufgabenteilung zwischen Teilnehmergemeinschaft und Behörde führen, die mit dem Flurbereinigungsgesetz nicht vereinbar wäre. Die im Flurbereinigungsgesetz dem Landesgesetzgeber eingeräumte Befugnis, Aufgaben der Flurbereinigungsbehörde auf die Teilnehmergemeinschaft zu übertragen, beruht u. a. auf dem Gesichtspunkt, die im Gesetz ausdrücklich ausgesprochene Mitwirkung der Beteiligten zu aktualisieren. Wird von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, so muß im Interesse eines rechtsstaatlich geregelten Verfahrens der Sachzusammenhang der einzelnen Verfahrensabschnitte gewahrt bleiben. Auf der Berücksichtigung dieses Gesichtspunktes beruht, wie die bereits wiedergegebene amtliche Begründung zeigt, Art. 3 AGFlurbG. Die Ansicht des Flurbereinigungsgerichts würde aber zu einer sinnwidrigen Zerreißung des gesamten Verfahrensablaufs führen. Nach § 33 FlurbG in Verbindung mit Art. 16 und 17 Satz 2 AGFlurbG obliegt dem Vorstand der Teilnehmergemeinschaft die Schätzung und die Feststellung des Schätzungsergebnisses, also die Schaffung der entscheidenden Grundlage für die Abfindung der Beteiligten und für die Neueinteilung des Gebietes. Dagegen wäre nach der Auffassung des Flurbereinigungsgerichts die auf dieser Grundlage durchzuführende Neueinteilung selbst eine Angelegenheit der Flurbereinigungsbehörde. Das erscheint sinnwidrig. Mit Recht weisen die Beklagten auch darauf hin, daß es als widerspruchsvoll angesehen werden muß, wenn im normalen und erheblich schwierigeren Flurbereinigungsverfahren die Aufgaben der Behörde weitgehend der Teilnehmergemeinschaft übertragen werden sollen, dies aber im vereinfachten Zusammenlegungsverfahren nicht der Fall sein soll. Die Auffassung des Klägers, daß im Zusammenlegungsverfahren zur Wahrung der Rechte der Beteiligten eine stärkere Einschaltung des Staates aus rechtsstaatlichen Gründen notwendig sei, ist durch keinen sachlichen Gesichtspunkt gerechtfertigt. Die Teilnehmergemeinschaft ist in gleicher Weise an das Gesetz gebunden wie die Behörde.

Schließlich kann der Auffassung des Flurbereinigungsgerichts, die Entwicklung des neuen Flurbereinigungsrechts und seine Einführung in Bayern sprächen gegen eine erweiterte Übertragung behördlicher Befugnisse auf die Teilnehmergemeinschaft, nicht gefolgt werden. Das Gegenteil ist der Fall. Die im Flurbereinigungsgesetz enthaltenen Ermächtigungsnormen zur Übertragung von Befugnissen der Behörde auf die Teilnehmergemeinschaft bedeuten eine Abkehr des teilweise im außerbayerischen Recht früher geltenden Grundsatzes, daß das Verfahren ausschließlich von der Behörde durchgeführt werden solle. Die Tendenz des Flurbereinigungsgesetzes geht gerade dahin, den am Verfahren Beteiligten nicht nur ein starkes Mitspracherecht einzuräumen, sondern ihnen eine Mitwirkungspflicht aufzuerlegen. Dieser Grundsatz ist in § 92 Abs. 1 FlurbG auch für das Zusammenlegungsverfahren ausdrücklich ausgesprochen.

Anmerkung

Vgl. Lurz, Das beschleunigte Zusammenlegungsverfahren in Bayern, RdL 1959 S. 34