Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 23.04.2012 - 13 A 09.1420 (Lieferung 2013)

Aktenzeichen 13 A 09.1420 Entscheidung Urteil Datum 23.04.2012
Gericht Flurbereinigungsgericht München Veröffentlichungen Lieferung 2013

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Bei der Änderung des Flurbereinigungsplans nach § 144 Satz 1 Alternative 1 FlurbG ist das Gericht nicht wie im sonstigen Verwaltungsprozess nach § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO auf die Aufhebung und Verpflichtung zur Entscheidung beschränkt, sondern darüber hinaus zur umfassenden Neugestaltung befugt. Auf der rechnerischen Wertgleichheit im Sinn des § 44 Abs. 1 FlurbG aufbauend hat das Gericht alle gleichwertigkeitsbestimmenden Faktoren bei der Abfindung zu erfassen und zu berücksichtigen.

Aus den Gründen

19    Gemäß § 144 Satz 1 Alternative 1 FlurbG kann das Gericht den angefochtenen Verwaltungsakt – hier den Flurbereinigungsplan – durch Urteil ändern. Das Gericht ist damit nicht wie im sonstigen Verwaltungsprozess nach § 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO auf die Aufhebung und Verpflichtung zur Entscheidung beschränkt, sondern darüber hinaus zur umfassenden Neugestaltung befugt (BVerwG vom 10.5.2007 RdL 2007, 221 <= RzF - 21 - zu § 144 FlurbG>; Wingerter in Schwantag/Wingerter, FlurbG, 8. Auflage 2008, RdNr. 1 zu § 144). Die Gleichwertigkeit der Abfindung bemisst sich nach § 44 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 FlurbG. Danach ist jeder Teilnehmer für seine Grundstücke unter Berücksichtigung der nach § 47 FlurbG vorgenommenen Abzüge mit Land von gleichem Wert abzufinden. Bei der Landabfindung sind die betriebswirtschaftlichen Verhältnisse aller Teilnehmer gegeneinander abzuwägen und alle Umstände zu berücksichtigen, die auf den Ertrag, die Benutzung und die Verwertung der Grundstücke wesentlichen Einfluss haben. Auf der rechnerischen Wertgleichheit im Sinn des § 44 Abs. 1 FlurbG aufbauend sind alle gleichwertigkeitsbestimmenden Faktoren (§ 44 Abs. 2 und 4 FlurbG) bei der Abfindung zu erfassen und berücksichtigen.

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22    Auch die Vorschläge der beklagten Teilnehmergemeinschaft im Schreiben vom 7. September 2011 erfüllen die Anforderungen nicht. Die Variante 2a ist zweigeteilt und sieht vor, dass den Klägern bei ihrem Abfindungsflurstück 1645 das Abfindungsflurstück 1644 und bei Abfindungsflurstück 292 das Abfindungsflurstück 291 zugeteilt wird. Auch hiermit ist die Gleichwertigkeit der Abfindung mit der Einlage nicht gewährleistet, weil bei dieser Lösung eine Mehrung von Bachflächen vorläge. Für die Bemessung der Landabfindung sind gemäß § 44 Abs. 1 Satz 2 FlurbG die nach den §§ 27 bis § 33 FlurbG ermittelten Werte zugrundezulegen, die damit die rechnerische Grundlage für die wertgleiche Abfindung bilden. Diese grundsätzlichen Erfordernisse sind vorliegend zwar beachtet. Aufbauend auf der rechnerischen Gleichheit bedarf es allerdings der Berücksichtigung weiterer Umstände; für die Gleichwertigkeit der Abfindung genügt es nicht, dass die Wertverhältniszahlen von Einlage (minus Abzug) und Abfindung übereinstimmen. Denn die Bewertung ermittelt nur den landwirtschaftlichen Nutzungswert der einzelnen Grundstücke (grundstücksbezogene Merkmale), der nach allgemeinen Merkmalen festgestellt wird. Dort müssen lediglich die im Boden selbst liegenden Ertragsbedingungen und damit die generellen Faktoren der Fruchtbarkeit des Bodens Berücksichtigung finden, d.h. diejenigen, die sich für jeden Besitzer ergeben, nicht aber auch diejenigen, die sich aus der individuellen Bewirtschaftung des Bodens ergeben können (BVerwG vom 31.7.1970 RzF 24 zu § 138 I 2 <Anm. d. Red.: jetzt = RzF - 24 - zu § 138 Abs. 1 Satz 2>; Schwantag in Schwantag/Wingerter, a.a.O., RdNrn. 10 ff. zu § 44 m.w.N.). Den Gesamttauschwert bestimmen neben dem landwirtschaftlichen Nutzungswert der einzelnen Grundstücke noch weitere Merkmale. Dies sind die betriebsbezogenen Merkmale, also der Nutzwert für den konkreten Betrieb. Nach § 44 Abs. 2 2. Halbsatz FlurbG sind alle Umstände zu berücksichtigen, die auf den Ertrag, die Benutzung und die Verwertung der Grundstücke wesentlichen Einfluss haben. Wurden maßgebliche Wertumstände generell bei der Wertermittlung nicht oder nicht ausreichend erfasst, so muss sie der Flurbereinigungsplan berücksichtigen. Andererseits dürfen wertbestimmende Umstände, die die Wertermittlung durch Abschläge ausreichend berücksichtigt hat, bei der Abfindung nicht noch einmal angesetzt werden. Vorliegend würde Abfindungsflurstück 1645 durch Flächen vergrößert, die an einem Bach gelegen sind. Die Flächen des vorgesehenen Abfindungsflurstücks 1644 sind mit WZ 12 bis maximal 15 bewertet. Nässeabschläge nach Nr. 2.2 der am 6. Februar 2003 vom Vorstand der Beklagten nach § 33 FlurbG, Art. 8 AGFlurbG (vgl. Linke/Mayr, AGFlurbG, RdNr. 2 zu Art. 8) beschlossenen Grundsätze der Wertermittlung i.V.m. Buchstabe C) der Anlage (Grundsätze für Ab- und Zuschläge) wurden nicht vorgenommen. Über die rechnerisch vorhandene Gleichheit hinaus wären aber bei dieser Lösung für die Kläger Nachteile vorhanden. Ein maßgeblicher Umstand ist bei der Wertermittlung nicht ausreichend erfasst. Das Abfindungsflurstück 1644 grenzt im Gegensatz zu Abfindungsflurstück 1645 unmittelbar an einen Bach an. Damit würden im Vergleich zur Einlage die Bachrandlagen überwiegen, was die Gleichwertigkeit berührt. Zum einen haben die Kläger kaum Bachrandlagen eingelegt, zum anderen waren die an einen Bach angrenzenden Einlageflurstücke, im Wesentlichen die in der "B." gelegenen Flächen, Wiesen. Da das Abfindungsflurstück 1645 eine Ackerfläche darstellt, würde das Abfindungsflurstück 1644 bei der geplanten Einbeziehung als Acker genutzt. Neben einem Bach gelegene Ackerflächen sind aber mit Nachteilen verbunden, weil bei der Bewirtschaftung des Ackers Abstandsflächen zum Bach eingehalten werden müssen. Die Kläger hätten dadurch Bewirtschaftungserschwernisse hinzunehmen. Erschwerend kommt hinzu, dass die Bewirtschaftung des Abfindungsflurstücks 1644 wegen der geringen Bodenwertzahlen, bei denen im Vergleich zum Abfindungsflurstück 1645 ein Unterschied von über 10 WZ besteht, nicht uneingeschränkt möglich wäre. Die Gleichwertigkeit dieser zweigeteilten Abfindungslösung 2a ist damit schon wegen der aufgezeigten Nachteile von Abfindungsflurstück 1644 nicht gegeben. Vorteile, die dies ausgleichen könnten, sind nicht ersichtlich und auch von der Beklagten nicht genannt.