Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 26.08.2020 - 9 B 26.19 (Lieferung 2021)
Aktenzeichen | 9 B 26.19 | Entscheidung | Beschluss | Datum | 26.08.2020 |
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Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | Lieferung | 2021 |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Der Beschluss über die Einleitung eines Unternehmensflurbereinigungsverfahrens wird nicht durch bloßen Zeitablauf unwirksam. (Amtlicher Leitsatz) |
2. | Zur (teilweisen) Umstellung eines Unternehmensflurbereinigungsverfahrens auf ein vereinfachtes Flurbereinigungsverfahren nach § 87 Abs. 3 Satz 2 FlurbG. (Amtlicher Leitsatz) |
Aus den Gründen
Das Flurbereinigungsgesetz sieht keine Frist vor, nach deren Ablauf ein Beschluss über die Einleitung eines Unternehmensflurbereinigungsverfahrens unwirksam werden könnte. Welche Folgen es für die Unternehmensflurbereinigung hat, wenn das Unternehmen als Grundlage der Flurbereinigung entfällt, ist in § 87 Abs. 3 FlurbG geregelt. Danach bedarf es einer förmlichen behördlichen Entscheidung über die Einstellung oder - bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen - die Fortführung des Verfahrens als Regel- oder vereinfachtes Flurbereinigungsverfahren. Der zeitliche Faktor spielt dabei keine Rolle. Zwischen der bereits nach Einleitung des Planfeststellungs- oder eines entsprechenden Verfahrens zulässigen Anordnung der Flurbereinigung (§ 87 Abs. 2 Satz 1 FlurbG) und der ggf. erst nach Unanfechtbarkeit der Planfeststellung oder des entsprechenden Verwaltungsakts möglichen Bekanntgabe des Flurbereinigungsplans (§ 87 Abs. 2 Satz 2 FlurbG) können insbesondere dann, wenn gegen einen Planfeststellungsbeschluss Rechtsstreitigkeiten in mehreren Instanzen geführt werden, viele Jahre vergehen. Dies hat der Gesetzgeber gesehen (vgl. BT-Drs. 7/3020 S. 30) und damit, wie bereits das Oberverwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat (UA S. 20 <= RzF - 3 - zu § 87 Abs. 3>), bewusst eine unter Umständen sehr lange Dauer eines Unternehmensflurbereinigungsverfahrens in Kauf genommen.
Vor diesem Hintergrund fehlt es an einer planwidrigen Regelungslücke, so dass für eine analoge oder rechtsgedankliche Anwendung von § 75 Abs. 4 Satz 1 VwVfG kein Raum ist. Im Übrigen lässt sich aus dieser Vorschrift auch keine allgemeingültige Vorstellung über angemessene Fristen für das Außerkrafttreten von Plänen oder anderen relevanten Zulassungsentscheidungen entnehmen. Sie bestimmt zwar, dass der Plan, wenn mit seiner Durchführung nicht innerhalb von fünf Jahren nach Eintritt der Unanfechtbarkeit begonnen wird, außer Kraft tritt. Diverse Fachgesetze sehen aber abweichende Fristen oder Verlängerungsmöglichkeiten vor, so etwa § 17c Nr. 1 FStrG eine Frist von zehn Jahren für straßenrechtliche Planfeststellungsbeschlüsse (vgl. zu diversen Modifikationen etwa Uschkereit, in: Pautsch/Hoffmann, VwVfG, 2016, § 75 Rn. 68).
Die in § 87 Abs. 3 Satz 2 FlurbG vorgesehene Fortführung eines Unternehmensflurbereinigungsverfahrens als Regel- oder vereinfachte Flurbereinigung schließt an den vorhergehenden Satz 1 an und stellt sich als - an weitere Voraussetzungen gebundene - Alternative zu der dort geregelten Einstellung des Unternehmensflurbereinigungsverfahrens dar. Beide Entscheidungsmöglichkeiten knüpfen an dieselbe Ausgangssituation an, nämlich die Einstellung des Planfeststellungs- oder des entsprechenden Verfahrens. Dabei geht es nicht um das Unternehmen selbst, das Anlass für die Einleitung des Unternehmensflurbereinigungsverfahrens nach § 87 FlurbG war, sondern um dessen rechtliche Grundlage, die maßgeblich ist für die Zulässigkeit der Enteignung im Rahmen der Flurbereinigung. Fällt diese rechtliche Grundlage dauerhaft weg, was typischerweise in der Einstellung des jeweiligen Verfahrens zum Ausdruck kommt, fehlt es an einem zulässigen Anknüpfungspunkt für eine Unternehmensflurbereinigung, so dass dieses Verfahren zu beenden ist, indem es eingestellt oder - bei Vorliegen der entsprechenden weiteren Voraussetzungen - als ein anderes, gerade nicht mehr auf das Unternehmen bezogenes Flurbereinigungsverfahren fortgesetzt wird. Ein Zusammenhang mit dem Unternehmen selbst besteht nicht (mehr), so dass es für das Flurbereinigungsverfahren ohne Bedeutung ist, ob das Unternehmen realisiert wird und inwieweit dafür eine (neue) rechtliche Grundlage besteht.
Dieses aus Wortlaut und Systematik des Gesetzes folgende Ergebnis entspricht auch dem Gesetzeszweck. Die Gesetzesbegründung bei Einführung des § 87 Abs. 3 FlurbG verweist darauf, dass es bei Einstellung des Planfeststellungs- oder des entsprechenden Verfahrens einem praktischen Bedürfnis und insbesondere den allgemeinen Grundsätzen über eine sparsame Verwendung öffentlicher Mittel entspricht, ein begonnenes Verfahren, für das bereits personelle und materielle Aufwendungen erfolgt sind, nach Maßgabe der §§ 1 und § 37 oder des § 86 FlurbG durchzuführen, wenn die entsprechenden Voraussetzungen gegeben sind (BT-Drs. 7/3020 S. 30). Maßgebend für die Schaffung des § 87 Abs. 3 Satz 2 FlurbG waren somit vor allem verfahrensökonomische Gründe. Diese Gründe gelten unabhängig davon, ob das Unternehmen, das Anlass der Unternehmensflurbereinigung sein sollte, verwirklicht wird oder nicht.
Anmerkung
Vorgehend Flurbereinigungsgericht Lüneburg, Urteil vom 26.02.2019, 15 KF 45/17 = RzF - 3 - zu § 87 Abs. 3 FlurbG.