Flurbereinigungsgericht Mannheim, Beschluss vom 10.09.2007 - 7 S 1978/07 (Lieferung 2009)

Aktenzeichen 7 S 1978/07 Entscheidung Beschluss Datum 10.09.2007
Gericht Flurbereinigungsgericht Mannheim Veröffentlichungen Lieferung 2009

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Einwände gegen den Planfeststellungsbeschluss können im Verfahren wegen einer vorläufigen Besitzregelung nach §§ 88 Nr. 3, § 36 FlurbG nicht mehr gehört werden. Dies gilt auch für einen nachträglichen Mangel des Planfeststellungsverfahrens.
2. Die Besitzregelungskarte muss nicht den gleichen Maßstab wie die Flächenbedarfskarte des Planfeststellungsbeschlusses haben.
3. Weicht das Grunderwerbsverzeichnis des Planfeststellungsbeschlusses vom dortigen Flächenbedarfsplan ab, so ist die zeichnerische Darstellung im Flächenbedarfsplan maßgeblich.

Aus den Gründen

I.

Mit Beschluss vom 22.11.2002 stellte das Eisenbahn-Bundesamt - AußensteIle Karlsruhe/Stuttgart - den Plan für den Ausbau der Eisenbahnstrecke ... fest.


Mit Beschluss vom 11.11.2003 ordnete das Landesamt für Flurneuordnung und Landentwicklung Baden-Württemberg die Flurbereinigung gemäß § 87 FlurbG an;...


Am 13.08.2007 beantragte das Eisenbahn-Bundesamt beim Landratsamt L., die Beigeladene <Anm. d. Redaktion: DB-Netz AG> als Vorhabensträgerin in den Besitz bestimmter Flächen, die in vorgelegten Flächenbedarfsplänen als zu erwerbend oder vorübergehend in Anspruch zu nehmend ausgewiesen seien, einzuweisen. ...


Die Antragstellerin sprach sich gegen die beantragte Besitzregelung aus. Sie machte geltend, dass der Maßnahme die planungsrechtliche Grundlage fehle. Der Planfeststellungsbeschluss schreibe zwingend vor, die Aushubmassen aus der freien Strecke - um die es vorliegend gehe - in den Steinbruch K. zu verbringen. Dieses Entsorgungskonzept könne indes nicht mehr realisiert werden, da der Steinbruch K., wie allen Beteiligten bekannt sei, nicht mehr aufnahmefähig sei. Vor Beginn der Bauarbeiten in der freien Strecke müsse daher ein ersatzweises Entsorgungskonzept planerisch gesichert werden. Außerdem seien Art und Umfang der verfahrensgegenständlichen Flächen nicht hinreichend bestimmt. Insbesondere lasse das vorgelegte "Verzeichnis der beanspruchten Flächen" jeden Bezug zum planfestgestellten Grunderwerbsverzeichnis vermissen. ...


II.

Der gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zulässige Antrag ist nicht begründet. Die vom Landratsamt L. - Untere Flurbereinigungsbehörde - verfügte Anordnung der sofortigen Vollziehung der vorläufigen Anordnung gemäß §§ 88 Nr. 3, § 36 FlurbG begegnet keinen durchgreifenden Bedenken.
...


Die vorläufige Anordnung begegnet zunächst unter dem Gesichtspunkt der hinreichenden Bestimmtheit der Bezeichnung der von der Entziehung von Besitz und Nutzung betroffenen Grundstückflächen der Antragstellerin (§ 37 Abs. 1 L VwVfG) keinen formell-rechtlichen Bedenken. Im Textteil wird unter der Nr. 1.1 ausdrücklich auf die Besitzregelungskarte vom 14.08.2007 Bezug genommen, in der die beanspruchten Flächen farbig dargestellt sind. Der Umfang dieser Flächen ergibt sich zudem im Einzelnen aus dem "Verzeichnis der beanspruchten Flächen", das ebenfalls Bestandteil der vorläufigen Anordnung ist. Für die Antragstellerin ist damit ihre Betroffenheit durch die angegriffene Entscheidung hinreichend erkennbar.
...


Soweit die Antragstellerin geltend macht, dass die vorgenommene Besitzregelung vom Planfeststellungsbeschluss deshalb nicht (mehr) getragen werde, weil dieser zwingend die Verbringung der Aushubmassen in den Steinbruch "K." vorschreibe, dieser jedoch - wie seit Anfang 2007 bekannt sei - nicht mehr aufnahmefähig sei, vermag ihr der Senat nicht zu folgen. Hiermit werden nicht die Voraussetzungen einer vorläufigen Anordnung nach §§ 88 Nr. 3, § 36 FlurbG in Frage gestellt, sondern der Sache nach Einwände gegen die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses vom 22.11.2002 erhoben. Denn die Frage der Tunnel- und Erdaushubdeponierung war Gegenstand des Planfeststellungsverfahrens ... . Mit Einwänden gegen den Planfeststellungsbeschluss kann die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren jedoch schon deshalb nicht mehr gehört werden, weil der Beschluss vom 22.11.2002 - wie ausgeführt - unanfechtbar geworden ist. Dass der von der Antragstellerin behauptete (nachträgliche) Mangel des PIanfeststellungsbeschlusses etwa zu dessen Nichtigkeit führt, macht sie selbst nicht geltend; hierfür ist auch nichts ersichtlich. Der verfassungsrechtlich gebotene Rechtsschutz ist vielmehr insoweit im Planfeststellungsverfahren selbst mit seinen Anfechtungsmöglichkeiten - ggf. auch in einem Planänderungsverfahren - gewährleistet (vgl. den Senatsbeschluss vom 05.02.2003 - 7 S 1950/02 -m.w.N).


Entgegen der Auffassung der Antragstellerin fehlt der vorläufigen Anordnung auch nicht insoweit die planungsrechtliche Grundlage, als die Flächenangaben in dem in Bezug genommenen "Verzeichnis der beanspruchten Flächen" von denen im planfestgestellten Grunderwerbsverzeichnis teilweise abweichen. Die Angaben in der Besitzregelungskarte und im "Verzeichnis der beanspruchten Flächen", die beide einen Bestandteil der vorläufigen Anordnung bilden, stimmen jedenfalls mit den vom Antragsgegner vorgelegten pIanfestgestellten Flächenbedarfsplänen ... überein. Die Flächenbedarfspläne, die im Maßstab 1:1 000 gefertigt sind, sind bereits für sich geeignet, das Maß der Betroffenheit der Antragstellerin und den Gegenstand einer etwa erforderlichen Enteignung hinreichend deutlich erkennen zu lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 25.03.1988, NVwZ 1989, 252). Für die auf der Grundlage dieser Pläne erstellte und mit ihnen - entgegen der von der Antragstellerin pauschal geäußerten gegenteiligen Auffassung - übereinstimmende Besitzregelungskarte vom 14.08.2005 gilt nichts anderes. Allein durch die Verwendung eines anderen Maßstabes (1:2 500) wird die Funktion der Besitzregelungskarte - Umfang und Art der Betroffenheit der Antragstellerin durch die vorläufige Anordnung hinreichend bestimmt zu kennzeichnen - nicht in Frage gestellt. Unabhängig davon, dass es bei Unstimmigkeiten zwischen Grunderwerbsverzeichnis und Flächenbedarfsplan maßgeblich auf die zeichnerische Darstellung in diesem ankommen dürfte, weil er die Grundlage für die Erstellung des Grunderwerbsverzeichnisses bildet, sind inzwischen auch die im Grunderwerbsverzeichnis enthaltenen Werte berichtigt worden...; ...


Zu Recht weist die Antragstellerin allerdings darauf hin, dass sich der angefochtene Bescheid nicht zu einer etwa erforderlichen Beweissicherung des Zustandes der in Anspruch genommenen Grundstücke verhält (vgl. § 36 Abs. 2 FlurbG). Vielmehr werden in der vorläufigen Anordnung unter Nr. 3 lediglich Aufwuchs- und Nutzungsentschädigungen festgesetzt, um sie den Beteiligten alsbald auszahlen zu können und um Härten zu vermeiden. Die der Flurbereinigungsbehörde nach § 36 Abs. 2 FlurbG obliegende Verpflichtung zur Beweissicherung des Zustandes eines Grundstücks vor Beginn der vorläufigen Anordnung besteht jedoch nur, soweit sie für die Bemessung der zum Ausgleich von Härten vorgesehenen Entschädigung von Bedeutung ist, wenn also ernstlich zu besorgen ist, dass etwaige Grundstücksveränderungen für voraussehbare Nachteile ursächlich werden könnten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.12.1972, Buchholz 36 FlurbG Nr. 3). Dem Vorbringen der Antragstellerin lässt sich schon nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen für eine Pflicht der Behörde zur Beweissicherung aufgrund der besonderen örtlichen Verhältnisse gegeben sind. Unabhängig davon und darüber hinaus, dürfte die Erfüllung der Beweissicherungspflicht auch keine Rechtmäßigkeitsvoraussetzung für den Erlass einer vorläufigen Anordnung nach § 36 Abs. 1 S. 1 FlurbG sein. Denn sie dient nach dem Regelungszusammenhang zwischen § 36 Abs. 1 und Abs. 2 FlurbG allein dazu, den Beweis für den Umfang des Härteausgleichs bzw. eine noch durchzuführende Wertermittlung zu sichern (im Ergebnis ebenso Flurbereinigungsgericht Kassel, Urteil vom 16.02.2005 - 23 F 404/05 -, RdL 2005, 96 <= RzF - 64 - zu § 36 Abs. 1 FlurbG>).