Flurbereinigungsgericht Greifswald, Urteil vom 22.02.2011 - 9 K 15/08 (Lieferung 2012)
Aktenzeichen | 9 K 15/08 | Entscheidung | Urteil | Datum | 22.02.2011 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Greifswald | Veröffentlichungen | Lieferung | 2012 |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Die förmliche Zustellung der Ladung zum Anhörungs- und Bekanntgabetermin ist nicht zwingend. Es genügt die öffentliche Bekanntmachung der Ladung. |
2. | Der fehlende Zugang eines Auszugs aus dem Bodenordnungsplan ist ein Verfahrensfehler, der sich aber nicht auf die Einhaltung der Ladungsfrist auswirkt und nicht so schwer wiegt, dass er zur Nichtigkeit des bekannt gegebenen Bodenordnungsplanes führen könnte. Der postalisch gemeldete aber abwesende Teilnehmer ist auch bei unterbliebener Übersendung des Auszugs aus dem Bodenordnungsplan aufgrund der öffentlich bekanntgemachten Ladung nicht gehindert, vorsorglich Widerspruch einzulegen. |
3. | Wird ein Widerspruch mehr als zwei Jahre nach Bekanntgabe des Bodenordnungsplanes eingelegt, ist das Ermessen der Behörde, Nachsicht zu gewähren, regelmäßig auf Null geschrumpft, so dass eine Nachsichtgewährung nicht mehr gerechtfertigt ist. |
Aus den Gründen
Die Klägerin hat entgegen der zwingenden Vorschrift des § 59 Abs. 2 Hs. 1 FlurbG den Widerspruch nicht im Anhörungstermin erhoben, sondern erst mehr als zwei Jahre später schriftlich. Der Widerspruch kann aber nur im Anhörungs- und Bekanntgabetermin eingelegt werden; eine spätere schriftliche Widerspruchserhebung hat keine rechtliche Bedeutung.
Voraussetzung dafür ist eine ordnungsgemäße Ladung zum Anhörungs- und Bekanntgabetermin. Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Allerdings ist eine förmliche individuelle Zustellung der Ladung, wie sie nach § 59 Abs. 3 Satz 1 und 2 FlurbG erfolgen kann und hier von der Beklagten angestrebt war, nicht nachweisbar und wird auch von der Beklagten nicht angenommen. Die Zustellung der Ladung ist durch § 59 FlurbG aber nicht zwingend vorgeschrieben. Sie ist eine Möglichkeit, um die Rechtzeitigkeit der Ladung nachzuweisen, doch kann die Ladung nach § 59 Abs. 3 Satz 3 Hs. 1 FlurbG auch durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen. In diesem Fall ist eine Zustellung der Ladung entbehrlich. Es widerspräche Sinn und Zweck der öffentlichen Bekanntmachung, wenn neben ihr wegen der Übersendung des Auszuges aus dem Bodenordnungsplan auch eine individuelle Zustellung der Ladung zu erfolgen hätte.
Eine solche öffentliche Bekanntmachung ist erfolgt. Dass sie entgegen der Bestimmung des § 110 FlurbG und damit fehlerhaft erfolgte, ist nicht ersichtlich und wird auch von der Klägerin nicht geltend gemacht. Dass die Beklagte neben der öffentlichen Bekanntmachung zugleich auch eine individuelle Bekanntgabe durch Zustellung bewirken wollte, macht die öffentliche Bekanntmachung nicht wirkungslos. Das Gesetz regelt eine solche Ausschlusswirkung der individuellen Zustellung nicht und auch aus rechtsstaatlichen Grundsätzen lässt sich eine solche Wirkung nicht ableiten. Die individuelle Zustellung schafft keinen Vertrauensschutz dergestalt, dass es allein auf sie ankommt. Vielmehr ist es eine bloße Begünstigung des Adressaten der Zustellung, wenn die Behörde eine solche neben der öffentlichen Bekanntmachung veranlasst. Zu diesem Vorgehen mag die Regelung des § 59 Abs. 3 Satz 3 FlurbG angeregt haben, aus der sich aber die Notwendigkeit einer Zustellung nicht ergibt.
Unstreitig ist der Klägerin ein Auszug aus dem Bodenordnungsplan entgegen § 59 Abs. 3 FlurbG nicht zugestellt worden oder sonst wie zugegangen. Dies ist aber ohne Einfluss auf die Einhaltung der Ladungsfrist. Die Übersendung des Auszuges ist, wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 59 Abs. 3 FlurbG ergibt, nicht Teil des Ladungsvorganges, sondern erfolgt selbstständig, wie insbesondere § 59 Abs. 3 Satz 2 FlurbG zu entnehmen ist. Der Systematik des § 59 Abs. 3 FlurbG lässt sich entnehmen, dass das Gesetz zwischen der Ladung und der Übersendung der Auszüge aus dem Flurbereinigungsplan trennt. Dies ergibt sich aus dem Regelungszusammenhang der Bekanntgabe der Ladung und der Übersendung der Auszüge. Sie werden getrennt geregelt: die Auszüge sind zuzustellen und sollen der Ladung beigefügt werden. Auch aus dem Verhältnis der Abs. 2 und 3 des § 59 FlurbG ergibt sich eine Trennung zwischen Ladung und Auszügen: Abs. 2 regelt die Notwendigkeit der Ladung und zugleich ihren notwendigen Inhalt, zu dem die Auszüge gerade nicht zählen. Diese werden gesondert in Abs. 3 geregelt. Dass ihnen eine gesteigerte Bedeutung zukommt, ergibt sich aus der sie betreffenden gesetzlichen Regelung, aber dass sie als Teil der Ladung anzusehen sind, lässt sich aus der Systematik des § 59 FlurbG nicht entnehmen. Dies ist auch der Hintergrund des § 59 Abs. 3 Satz 3 FlurbG, der bei der öffentlichen Bekanntmachung der Ladung die Übersendung, nicht Zustellung, der Auszüge regelt und insoweit mit der Soll-Vorschrift allein eine zeitliche Vorgabe macht, nicht aber eine Verbindung zwischen den Voraussetzungen der ordnungsgemäßen Ladung und der Übersendung der Auszüge herstellt. Insoweit koordiniert § 59 Abs. 3 Satz 3 FlurbG nur die zeitlichen Vorgaben, nicht aber formuliert er inhaltliche Vorgaben an die Ordnungsgemäßheit einer Ladung. Dies lässt sich weiter mit der Überlegung begründen, dass die Übersendung der Auszüge einen speziellen, nicht an die Bekanntgabe der Ladung anknüpfenden Zweck hat, nämlich die Vorabinformation der Teilnehmer und damit im Ergebnis der Beschleunigung des Verfahrens dient (vgl. bereits VGH München Bescheid vom 26.11.1970 - 19 VII 70 -, = RzF - 3 - zu § 59 Abs. 3 FlurbG). In Kenntnis der geplanten Regelung kann ein Teilnehmer im Anhörungs- und Bekanntgabetermin besser argumentieren und möglicherweise in diesem Termin bereits eine einvernehmliche Regelung finden, als wenn er unvorbereitet mit den Ergebnissen der Planung konfrontiert wird. Das ist ein anderer Zweck als die mit der rechtzeitigen Ladung verbundene Information über den Anhörungs- und Bekanntgabetermin und die allein dort bestehende Möglichkeit der Einlegung des Widerspruchs. In der Übersendung der Auszüge liegt ein Element der Anhörung, das mit der Information über den Rechtsbehelf und seine Formalitäten nichts zu tun hat. Die Ladung wird daher nicht fehlerhaft, wenn sich die Übersendung des Auszuges aus dem Bodenordnungsplan als fehlerhaft herausstellt.
Dass der Auszug aus dem Bodenordnungsplan der Klägerin nicht nachweislich zugegangen ist, dürfte mit Blick auf § 59 Abs. 3 Satz 3 Hs. 2 FlurbG ein Verfahrensfehler sein. Ob wegen der von der Beklagten vermuteten Briefkastenadresse der Klägerin an ihrem Firmensitz eine Ausnahme von der Sollvorschrift des § 59 Abs. 3 Satz 3 FlurbG vorliegt, ist zweifelhaft, denn der Tatbestand einer Briefkastenadresse ist weder ausermittelt noch endgültig nachweisbar, auch wenn das Verhalten des Geschäftsführers der Klägerin dafür spricht, der ausdrücklich die Versendung der an die Klägerin gerichteten Post an seine private Adresse fordert. Dies muss nicht abschließend geklärt werden, denn die Frage ist nicht entscheidungserheblich. Der Fehler wirkt sich zum einen nicht auf die Einhaltung der Ladungsfrist aus und zum anderen wiegt er auch nicht so schwer, dass er zur Nichtigkeit des bekannt gegebenen Bodenordnungsplanes führen könnte. In seiner Gewichtung entspricht er einer Verletzung des rechtlichen Gehörs durch Nichtanhörung vor Erlass eines belastenden Verwaltungsaktes, weil er dem Teilnehmer die Wahrnehmung seiner Rechte im Anhörungstermin nur erschwert, nicht aber verhindert. Der Teilnehmer ist auch bei unterbliebener Übersendung des Auszugs aus dem Bodenordnungsplan nicht gehindert, vorsorglich Widerspruch einzulegen, um die Ergebnisse des Bekanntgabetermins in Ruhe nachzubereiten und den Widerspruch zu begründen. Die fehlende Anhörung vor Bekanntgabe eines belastenden Verwaltungsaktes ist, wie sich aus § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG ergibt, kein Nichtigkeitsgrund. Dies muss dann auch für die unterbliebene Übersendung eines Auszuges aus dem Bodenordnungsplan gelten.
Ist damit der Widerspruch verfristet erhoben worden, stellt sich die Frage eines Anspruchs der Klägerin auf Nachsichtgewährung auf der Grundlage des § 134 FlurbG. Eine unverschuldete Versäumung der Einlegung des Widerspruchs im Anhörungstermin, die nach § 134 Abs. 2 Satz 2 FlurbG unter weiteren Voraussetzungen einen Anspruch auf Nachsicht begründet, vermag der Senat nicht zu erkennen. Die öffentliche Bekanntmachung erfolgte korrekt und es liegt im Verantwortungsbereich des Teilnehmers eines Bodenordnungsverfahrens, sicherzustellen, dass er diese öffentlichen Bekanntmachungen zur Kenntnis nehmen kann. Dazu gehört auch die Pflicht eines Eigentümers eines im Bodenordnungsgebiet liegenden Grundstücks, sich über ein laufendes Bodenordnungsverfahren zu informieren. Der Klägerin als Eigentümerin des Flurstücks 17 oblag eine solche Pflicht. Dass sie erst im Laufe des Bodenordnungsverfahrens Eigentümerin dieses Flurstücks wurde, ist nach § 15 Satz 1 FlurbG für die Frage des Verschuldens unerheblich. Nach dieser Vorschrift muss der Erwerber eines Grundstücks im Flurbereinigungsgebiet das durchgeführte Verfahren bis zu seiner Eintragung gegen sich gelten lassen. Daraus lässt sich die Pflicht des Erwerbers entnehmen, sich über den Stand des Flurbereinigungsverfahrens zu informieren. Ob ihm dies im Rahmen des Abschlusses des Kaufvertrages durch den Verkäufer mitgeteilt wurde oder nicht, spielt dabei keine Rolle.
Erfolgte die Versäumung eines Termins wie hier verschuldet, steht nach § 134 Abs. 2 Satz 1 FlurbG die Zulassung im Ermessen der Flurbereinigungsbehörde. Wird der Widerspruch wie hier mehr als zwei Jahre nach Bekanntgabe des Bodenordnungsplanes eingelegt, kann Nachsicht grundsätzlich nicht mehr gewährt werden; das Ermessen der Behörde ist in diesem Fall regelmäßig auf Null geschrumpft, weil eine Nachsichtgewährung unter Berücksichtigung des Beschleunigungsgedankens des Flurbereinigungsrechts nicht mehr gerechtfertigt ist (vgl. BVerwG U.v. 07.05.1965 - IV C 78.65 - E 21,93 <= RzF - 4 - zu § 59 Abs. 2 FlurbG>; OVG Magdeburg U.v. 04.11.2003 - 8 K 1/03 -, RdL 2005,154; Schwantag/Wingerter FlurbG, 8. Aufl. 2008 § 134 Rn. 7). Anhaltspunkte für eine Ausnahme kann der Senat nicht erkennen.