Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 20.05.2020 - 7 B 13/19 (Lieferung 2021)

Aktenzeichen 7 B 13/19 Entscheidung Beschluss Datum 20.05.2020
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen Lieferung 2021

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Ein Planfeststellungsverfahren, das sich auf das Gebiet eines Flurbereinigungsplans und die danach geschaffenen Einrichtungen auswirkt, unterliegt weder den Verfahrensanforderungen des § 58 Abs. 4 Satz 2 FlurbG, noch ist das geplante Vorhaben an den materiell-rechtlichen Vorgaben für die Bewertung eines Interesses am Fortbestand des flurbereinigungsrechtlichen Sonderregimes zu messen. (Amtlicher Leitsatz) (Rn 14 f.)

Aus den Gründen

6    Die auf sämtliche Revisionszulassungsgründe nach § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt erfolglos.


7    1. Die Revision ist nicht deshalb zuzulassen, weil das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).


...


9    1.1 Die von den Klägern zur Darlegung einer Divergenz zitierte Passage aus den Entscheidungsgründen des Urteils des Oberverwaltungsgerichts


-    "Durch den Planfeststellungsbeschluss wird nicht der Flurbereinigungsplan geändert, sondern werden die räumlichen Gegebenheiten verändert, die in dem durch die Schlussfeststellung abgeschlossenen Flurbereinigungsverfahren (§ 149 FlurbG) geschaffen worden sind. Der Sache nach wird der Flurbereinigungsplan nach Beendigung des Flurbereinigungsverfahrens inhaltlich teilweise durch den Planfeststellungsbeschluss überholt. Das unterfällt, was die auf der Grundlage des Flurbereinigungsplans entstandenen örtlichen Verhältnisse angeht, den einschlägigen Regelungen des jeweiligen Fachrechts, hier also des Wasserhaushaltsrechts."


-    enthält keinen abstrakten, der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts widersprechenden Rechtssatz. Das Oberverwaltungsgericht geht davon aus, dass als Ergebnis der Planfeststellung auch die tatsächlichen Verhältnisse, wie sie durch das Flurbereinigungsverfahren geschaffen worden sind, verändert werden können. Das steht nicht im Widerspruch zu den vom Oberverwaltungsgericht zitierten Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, auf die auch die Kläger Bezug nehmen. Das Bundesverwaltungsgericht führt darin aus, dass das Ergebnis des Flurbereinigungsplans und damit die darin neu geordneten Grundstücks- und die vorhandenen tatsächlichen Verhältnisse dem Planfeststellungsverfahren zugrunde zu legen sind (Beschlüsse vom 2. September 2010 - 9 B 11.10 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 211 Rn. 22 und vom 13. März 2015 - 7 B 16.14 - Buchholz 445.5 § 7 WaStrG Nr. 2 Rn. 28). Entgegen der Auffassung der Kläger ist diese Aussage nicht so zu verstehen, dass die tatsächlichen Verhältnisse nach dem Flurbereinigungsplan der Planfeststellung vorgegeben und durch diese nicht - jedenfalls nicht im Sinne einer Verschlechterung einer vorteilhaften Situation - überwindbar sind. Vielmehr sind die gegebenen Verhältnisse nicht dem Planfeststellungsbeschluss, sondern dem Planfeststellungsverfahren zugrunde zu legen und demnach gegebenenfalls bei der gebotenen planerischen Abwägung zu berücksichtigen. Auf dieser Grundlage sind die durch das Planvorhaben verursachten Probleme im Planfeststellungsbeschluss zu bewältigen (BVerwG, Beschluss vom 13. März 2015 a.a.O. Rn. 28).


10    1.2 Mit dem Rechtssatz, wonach Festsetzungen im Flurbereinigungsplan nur dann die Wirkungen nach § 58 Abs. 4 FlurbG entfalten, wenn sie im Plan selbst als solche festgelegt/bezeichnet sind, weicht das Oberverwaltungsgericht auch nicht vom Urteil vom 18. November 2002 - 9 CN 1.02 - (BVerwGE 117, 209) <= RzF - 14 - zu § 58 Abs. 4 FlurbG> ab. Das Bundesverwaltungsgericht führt - wie von den Klägern zitiert - unter Wiederholung des Gesetzeswortlauts zwar aus, dass die im gemeinschaftlichen Interesse der Beteiligten oder im öffentlichen Interesse getroffenen Festsetzungen des Flurbereinigungsplans nach § 58 Abs. 4 Satz 1 FlurbG die Wirkung von Gemeindesatzungen haben (BVerwG, Urteil vom 18. November 2002 a.a.O. <214> <= RzF - 14 - zu § 58 Abs. 4 FlurbG>). Dieser Formulierung ist indessen keine Aussage dazu zu entnehmen, ob der mit der getroffenen Festsetzung verbundene besondere Schutz einer ausdrücklichen Verlautbarung im Flurbereinigungsplan bedarf oder nicht. Ob die in den folgenden Ausführungen enthaltene Betonung der von der Flurbereinigungsbehörde mit den Festsetzungen verfolgten Belangen für das Erfordernis einer solchen Verlautbarung spricht (siehe BVerwG, Urteil vom 18. November 2002 a.a.O. <214 f.> <= RzF - 14 - zu § 58 Abs. 4 FlurbG>), kann dahinstehen. Denn für das Bundesverwaltungsgericht bestand ersichtlich keine Notwendigkeit, sich insoweit festzulegen; nach den im Sachverhalt wiedergegebenen Feststellungen war nämlich im Flurbereinigungsplan Teil II unter Abschnitt O ausdrücklich festgehalten, dass die Festsetzungen in den Abschnitten M und N - darunter auch die im Verfahren maßgebliche - nach § 58 Abs. 4 FlurbG die Wirkung von Gemeindesatzungen haben (BVerwG, Urteil vom 18. November 2002 - 9 CN 1.02 - juris Rn. 17 f., insoweit in BVerwGE 117, 209 nicht abgedruckt <Anm. der Schriftleitung: wiedergegeben in = RzF - 14 - zu § 58 Abs. 4 FlurbG>).


11    2. Die Revision ist auch nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).


...


13    2.1 Die von den Klägern ausdrücklich als rechtsgrundsätzlich bedeutsam aufgeworfene Frage nach dem "Verhältnis zwischen den Festsetzungen des Flurbereinigungsplans und dem Anwendungsbereich der Fachgesetze" ist zwar zu weit und zu unbestimmt formuliert, als dass sie zur Zulassung der Revision führen könnte. Die Frage ist jedoch vor dem Hintergrund der Darlegungen der Kläger zur Divergenzrüge in der Weise konkretisiert zu fassen, dass sie sich auf den Umfang der inhaltlichen Bindungen des wasserrechtlichen Planfeststellungsverfahrens durch den Betroffenen begünstigende Festsetzungen in einem Flurbereinigungsplan bezieht. Auch die so verstandene Frage rechtfertigt indessen die Revisionszulassung nicht. Sie lässt sich auf der Grundlage vorhandener Rechtsprechung und mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesauslegung beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.


14    Nach § 68 Abs. 3 Nr. 2 WHG darf der Plan nur festgestellt werden, wenn andere Anforderungen nach diesem Gesetz oder sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften erfüllt werden. § 58 Abs. 4 FlurbG zählt nicht zu diesen Bestimmungen, die, falls sie nicht eingehalten werden, eine zwingende rechtliche Schranke für das beantragte Vorhaben bilden. Ein Planfeststellungsverfahren, das sich auf das Gebiet eines Flurbereinigungsplans und die danach geschaffenen Einrichtungen auswirkt, unterliegt weder den Verfahrensanforderungen des § 58 Abs. 4 Satz 2 FlurbG, noch ist das geplante Vorhaben an den in der Rechtsprechung herausgearbeiteten materiell-rechtlichen Vorgaben für die Bewertung eines Interesses am Fortbestand des flurbereinigungsrechtlichen Sonderregimes zu messen.


15    Die Verfahrensanforderungen des § 58 Abs. 4 FlurbG sind - auch ungeachtet der formellen Konzentrationswirkung des Planfeststellungsbeschlusses (§ 70 Abs. 1 Halbs. 2 WHG i.V.m. § 75 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG) - nicht einzuhalten, weil die Planfeststellung nicht auf eine Änderung des Flurbereinigungsplans abzielt. Nur insoweit ist im Interesse der Nachhaltigkeit der Flurbereinigung bei Vorliegen der Voraussetzung des § 58 Abs. 4 Satz 1 FlurbG die Rechtsform einer gemeindlichen (Änderungs-)Satzung und die Zustimmung der Gemeindeaufsichtsbehörde vorgesehen. Der Flurbereinigungsplan, der als Allgemeinverfügung ergeht (BVerwG, Urteil vom 20. Mai 1998 - 11 C 7.97 - Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 78 S. 12 <= RzF - 94 - zu § 44 Abs. 1 FlurbG>), soll im Interesse seiner Nachhaltigkeit nur unter erschwerten Voraussetzungen geändert werden können (BVerwG, Urteil vom 18. November 2002 - 9 CN 1.02 - BVerwGE 117, 209 <214 ff.> <= RzF - 14 - zu § 58 Abs. 4 FlurbG>). Davon unberührt bleibt aber die Bewältigung solcher Problemstellungen und Nutzungskonflikte, die sich durch ein neues planfeststellungsbedürftiges Vorhaben ergeben. Das Planfeststellungsverfahren findet die durch den Flurbereinigungsplan gestalteten Verhältnisse vor und muss auch diese in seine Abwägung einbeziehen (BVerwG, Beschluss vom 13. März 2015 - 7 B 16.14 - Buchholz 445.5 § 7 WaStrG Nr. 2 Rn. 28). Angesichts der neuen Situation können der Flurbereinigungsplan und die dort auch im individuellen Interesse getroffenen Festsetzungen nicht das diesen im Rahmen einer Entscheidung nach § 58 Abs. 4 Satz 2 FlurbG zukommende überragende Gewicht (siehe dazu BVerwG, Urteil vom 18. November 2002 a.a.O. <217> <= RzF - 14 - zu § 58 Abs. 4 FlurbG>) beanspruchen. Wenn dem von den Festsetzungen des Flurbereinigungsplans Begünstigten somit grundsätzlich die gleiche verfahrens- und materiell-rechtliche Stellung wie anderen vom Planvorhaben Betroffenen zugewiesen wird, liegt darin kein Verstoß gegen verfassungsrechtliche Garantien. Der vom Flurbereinigungsplan Begünstigte hat diese Position zwar wegen des Landabzugs nach § 47 Abs. 1 FlurbG nicht unentgeltlich erworben (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. November 2002 a.a.O. <213> <= RzF - 14 - zu § 58 Abs. 4 FlurbG>); in dieser Hinsicht unterscheidet er sich jedoch nicht grundsätzlich von anderen Betroffenen, die sich ebenfalls auf privatnützige Rechtspositionen berufen können. Die in dieser Weise geschützten Interessen und Belange müssen als solche jeweils mit ihrem besonderen Gewicht in die planerische Abwägung eingestellt werden, was das Oberverwaltungsgericht im Übrigen nicht verkannt hat.

Anmerkung


Vorgehend OVG Münster - 06.06.2019 - Az. OVG 20 D 33/18.AK