Flurbereinigungsgericht Magdeburg, Beschluss vom 20.02.2019 - 8 R 1/18 = Internetportal Landesrecht Sachsen-Anhalt: https://www.landesrecht.sachsen-anhalt.de/perma?d=JURE190008856 (Lieferung 2021)

Aktenzeichen 8 R 1/18 Entscheidung Beschluss Datum 20.02.2019
Gericht Flurbereinigungsgericht Magdeburg Veröffentlichungen = Internetportal Landesrecht Sachsen-Anhalt: https://www.landesrecht.sachsen-anhalt.de/perma?d=JURE190008856  Lieferung 2021

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. An die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung einer Ausführungsanordnung gemäß § 61 FlurbG sind nur geringe Anforderungen zu stellen. (Rn 14) (Amtlicher Leitsatz)

Aus den Gründen

Aus den Gründen:


1    Die Antragstellerin richtete sich gegen die Ausführungsanordnung des Antragsgegners im Flurbereinigungsverfahren O 2.


2    Das Flurbereinigungsverfahren O 2 wurde mit Beschluss der oberen Flurbereinigungsbehörde vom 07. August 2000 angeordnet und betrifft einen Abschnitt des Neubaus der B 6n. Die Antragstellerin vertritt die Bundesrepublik Deutschland, die als Eigentümerin von Grundstücken im Flurbereinigungsgebiet Teilnehmerin des Verfahrens ist. Im Jahr 2017 wurde der vom Antragsgegner aufgestellte Flurbereinigungsplan bekanntgegeben. Im AnhoÌärungstermin vom 06.04.2017 legten 11 Teilnehmer Widerspruch ein. Soweit die Widersprüche nicht zurückgenommen wurden, wurde ihnen mit dem 1. Nachtrag zum Flurbereinigungsplan abgeholfen. Im AnhoÌärungstermin vom 13.04.2018 wurden keine Widersprüche gegen den 1. Nachtrag erhoben. Auch gegen den 2. Nachtrag, für den am 08.06.2018 ein AnhoÌärungstermin stattfand, wurden keine Widersprüche erhoben.


3    Mit Ausführungsanordnung vom 18.06.2018 ordnete der Antragsgegner die Ausführung des Flurbereinigungsplans einschließlich der Nachträge 1 und 2 im Flurbereinigungsverfahren O 2 für das gesamte Flurbereinigungsgebiet an. Als Zeitpunkt des Eintritts des neuen Rechtszustandes wurde der 01.08.2018 festgesetzt. Die sofortige Vollziehung dieser Ausführungsanordnung wurde angeordnet. ...


4    Am 09.08.2018 hat die Antragstellerin gegen die Ausführungsanordnung vom 18.06.2018 Widerspruch erhoben mit dem Begehren, den Flurbereinigungsplan gemäß § 64 FlurbG zu ändern, und zugleich beim beschließenden Gericht einen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestellt. ...


11    Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Ausführungsanordnung des Antragsgegners wiederherzustellen, hat keinen Erfolg.


12    Es ist bereits fraglich, ob der Antrag zulässig ist. Zwar ist er gemäß § 138 Abs. 1 Satz 2 FlurbG i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft, da es sich bei der Ausführungsanordnung gemäß § 61 FlurbG um einen Verwaltungsakt handelt (vgl. SächsOVG, Urt. v. 14.06.2013 - F 7 C 19.11 -, juris RdNr. 12; Wingerter/Mayr, FlurbG, 10. Aufl., § 61 RdNr. 2). Allerdings wird durch die Ausführungsanordnung nur der Zeitpunkt bestimmt, zu dem die Regelungen des Flurbereinigungsplans in Kraft treten. Sie regelt lediglich den Stichtag für den Eintritt des neuen Rechtszustandes für das Flurbereinigungsgebiet (vgl. SächsOVG, Urt. v. 14.06.2013 - F 7 C 19.11 -, a.a.O., RdNr. 12; Wingerter/Mayr, a.a.O., § 61 RdNr. 2). Vor diesem Hintergrund ist fraglich, ob die Antragstellerin für das vorliegende Verfahren entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO antragbefugt ist. Antragsbefugt ist in Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO im Hinblick auf die Akzessorietät des vorläufigen Rechtsschutzes nur derjenige, der im Hauptsacheverfahren gemäß § 42 Abs. 2 VwGO wegen der MoÌäglichkeit einer Rechtsverletzung klagebefugt ist (vgl. OVG SH, Beschl. v. 18.02.2010 - 10 MR 1/09 -, juris RdNr. 17). Daran koÌännte es hier fehlen, da eine Beschwer der Antragstellerin durch den Zeitpunkt des Eintritts des neuen Rechtszustandes nicht ohne weiteres ersichtlich ist. Nimmt man jedoch an, dass die MoÌäglichkeit einer Rechtsverletzung darin zu sehen ist, dass zu dem bestimmten Zeitpunkt der neue Rechtszustand gemäß § 61 Satz 2 FlurbG an die Stelle des bisherigen tritt, so scheint die MoÌäglichkeit einer Rechtsverletzung nicht von vornherein ausgeschlossen zu sein (vgl. SächsOVG, Urt. v. 06.09.2013 - F 7 C 13.12 -, juris RdNr. 18).


13    2. Der Antrag ist jedenfalls unbegründet.


14    a) Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist hinreichend begründet. Gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat ein Widerspruch grundsätzlich aufschiebende Wirkung, so dass der Verwaltungsakt nicht vollziehbar ist. Die BehoÌärde kann jedoch gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung im oÌäffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten anordnen. Nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen, wobei dieses Interesse in der Regel über das allgemeine Interesse am Vollzug des betreffenden Verwaltungsakts hinausgehen muss. Der Umfang der Begründung hängt allerdings von den Einzelfallumständen ab (vgl. BayVGH, Beschl. V. 30.03.2004 - 13 AS 04.12 -, juris RdNr. 18). Soweit einzelnen Vorschriften des Flurbereinigungsgesetzes bereits ein besonderes Vollzugsinteresse innewohnt, bedarf es keiner weitausholenden Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung. So liegt es bei § 61 FlurbG. Hier erfordert das dieser Bestimmung immanente Vollzugsinteresse grundsätzlich, dass die die Gesamtheit der Teilnehmer betreffende Ausführungsanordnung als ein besonderer Abschnitt des Flurbereinigungsverfahrens sofort vollzogen wird, zumal bei § 61 FlurbG - anders als bei der vorzeitigen Ausführungsanordnung gemäß § 63 FlurbG (vgl. BVerwG, Beschl. V. 21.03.1978 - 5 CB 60.75 -, = RzF - 11 - zu § 63 Abs. 1 FlurbG) - auf Grund der Bestandskraft des Flurbereinigungsplans die moÌägliche Begründetheit noch offener Widersprüche und die hieraus moÌäglicherweise folgende Erforderlichkeit, den Flurbereinigungsplan noch einmal zu ändern, nicht in Betracht gezogen werden muss. Wenn in diesen Fällen die FlurbereinigungsbehoÌärde nach pflichtgemäßer Ausübung ihres Ermessens zu dem Ergebnis kommt, dass der entsprechende Verwaltungsakt zu erlassen ist, kann eine nur knappe Begründung für die gleichzeitige Anordnung des sofortigen Vollzugs eben dieses Verwaltungsaktes daher nicht der Grund für die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung eines dagegen eingelegten Rechtsbehelfs sein (vgl. BayVGH, Beschl. V. 04.01.1982 - 13 AS 81 A. 1266/A. 1268 -, = RzF - 4 - zu § 61 FlurbG). Gemessen daran begegnet die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ausführungsanordnung des Antragsgegners vom 18.06.2018 keinen rechtlichen Bedenken. Der Antragsgegner hat insoweit auf die erhebliche Erschwerung des Grundstücksverkehrs durch die aufschiebende Wirkung gegebenenfalls eingelegter Rechtsbehelfe sowie darauf hingewiesen, dass aufgrund der Anordnung der aufschiebenden Wirkung sofort um die Berichtigung der oÌäffentlichen Bücher ersucht werden koÌänne. Diese Begründung trägt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO angesichts des in § 61 FlurbG enthaltenen Vollzugsinteresses hinreichend Rechnung.


15    b) Das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegt auch nicht das oÌäffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung. Im Rahmen einer Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht eine Ermessensentscheidung zu treffen, die die Interessen des Antragstellers, einstweilen vom Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts verschont zu bleiben, mit den Interessen des Antragsgegners und der übrigen Betroffenen, dass der angefochtene Verwaltungsakt auch vor Bestandskraft vollzogen wird, abwägt. Dabei kommt den voraussichtlichen Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs, wie sie sich nach summarischer Beurteilung der Sach- und Rechtslage für das Gericht darstellen, entscheidende Bedeutung zu (vgl. OVG MV, Beschl. v. 17.11.2005 - 9 M 88/05 -, juris RdNr. 1 <Anm. der Schriftleitung: insoweit nicht in RzF - 16 - zu § 63 Abs. 1 FlurbG wiedergegeben>). Gemessen daran geht die vom Senat vorzunehmende Interessenabwägung zu Lasten der Antragstellerin aus. Der gegen die Ausführungsanordnung des Antragsgegners vom 18.06.2018 eingelegte Widerspruch der Antragstellerin vom 09.08.2018 hat keine Aussicht auf Erfolg. Die überprüfung der Sach- und Rechtslage ergibt, dass keine durchgreifenden Zweifel an deren Rechtmäßigkeit bestehen. Die Ausführungsanordnung gemäß § 61 FlurbG setzt allein die Unanfechtbarkeit des Flurbereinigungsplans voraus. Das ist - soweit ersichtlich - der Fall. Nach Aktenlage wurde den im AnhoÌärungstermin vom 06.04.2017 eingelegten Widersprüchen, soweit sie nicht zurückgenommen wurden, mit dem 1. Nachtrag zum Flurbereinigungsplan abgeholfen. Gegen den 1. Nachtrag wurde im AnhoÌärungstermin vom 13.04.2018 kein Widerspruch erhoben. Auch gegen den 2. Nachtrag, für den am 08.06.2018 ein AnhoÌärungstermin stattfand, wurde kein Widerspruch erhoben. Dies hat die Antragstellerin auch nicht in Abrede gestellt. Hiernach sind gegen den Flurbereinigungsplan keine Einwände mehr moÌäglich. Die Antragstellerin hätte ihre Einwände spätestens im AnhoÌärungstermin vom 13.04.2018 zum 1. Nachtrag vorbringen müssen. Die MoÌäglichkeit der änderung des Flurbereinigungsplans gemäß § 64 FlurbG ist für die Rechtmäßigkeit einer Ausführungsanordnung gemäß § 61 FlurbG ohne Belang. Mit der Ausführungsanordnung werden auch keine unabänderlichen Verhältnisse geschaffen. Vielmehr gilt gemäß § 64 Satz 2 Halbs. 2 FlurbG die Vorschrift des § 63 Abs. 2 FlurbG auch dann, wenn die Ausführung des Flurbereinigungsplanes gemäß § 61 Satz 1 FlurbG angeordnet war. Das bedeutet: wird der Flurbereinigungsplan gemäß § 64 FlurbG nach der Ausführungsanordnung (§ 61 FlurbG) unanfechtbar geändert oder ergänzt, so wirkt die änderung in rechtlicher Hinsicht auf den in der Ausführungsanordnung festgesetzten Tag zurück, wobei die FlurbereinigungsbehoÌärde die tatsächliche Ausführung der änderung durch überleitungsbestimmungen regelt. ...