Flurbereinigungsgericht Greifswald, Urteil vom 28.05.2013 - 9 K 3/10 (Lieferung 2018)

Aktenzeichen 9 K 3/10 Entscheidung Urteil Datum 28.05.2013
Gericht Flurbereinigungsgericht Greifswald Veröffentlichungen Lieferung 2018

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Für eine die Gleichwertigkeitsprüfung ergänzende Abwägungskontrolle, die auch den Abwägungsvorgang und die ordnungsgemäße Berücksichtigung aller einzelnen wertbildenden Faktoren in den Blick nimmt, ist im flurbereinigungsrechtlichen Verfahren angesichts des fehlenden subjektivrechtlichen Schutzes dieser Faktoren als solcher kein Raum. Ein qualifizierter Planwunsch gewährt einen subjektivrechtlichen Schutz, der über den strikten Anspruch auf wertgleiche Abfindung hinausgehen kann.

Aus den Gründen

Die Klage bleibt auch erfolglos, soweit die Klägerin einen Ermessensfehler des Beklagten bei Ausübung seiner Planungshoheit und daraus folgend einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Zuteilung der Abfindungsgrundstücke geltend macht. Die Klägerin begehrt die Zuteilung der Flächen (Fl.St. 75/2, Flur 3 südlich von Fl.St. 39, Flur 4), die der ursprüngliche Bodenordnungsplan für ihre Abfindung (vgl. Abfindungsnachweis v. 20.10.2004) vorgesehen hatte, die aber aufgrund des Nachtrages I der Ordnungsnummer 33 zugeteilt wurden (s. Nachtrag I unter Punkt 4.). Nunmehr solle - so die Vorstellung der Klägerin - der Beklagte zu seiner ursprünglichen Planung zurückkehren, der Nachtrag I habe seine Erforderlichkeit verloren.


Ein derartiger Anspruch besteht nach der vom Senat geteilten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht. Danach gilt, dass zwar dem aus dem planungsrechtlichen Abwägungsgebot erwachsenden Recht des Planbetroffenen auf gerechte Abwägung grundsätzlich eine gerichtliche Abwägungskontrolle korrespondiert. Die spezifische Verknüpfung der planerischen Abwägung nach § 44 Abs. 2 Halbs. 1 FlurbG mit dem Gebot wertgleicher Abfindung nach § 44 Abs. 1 Satz 1 FlurbG lässt für eine gesonderte Abwägungskontrolle aber keinen Raum, soweit es um die Berücksichtigung gleichwertigkeitsbestimmender Faktoren in der Abwägung geht. Eine wertgleiche Abfindung ist wesentlichstes Ziel und zugleich bindende Vorgabe für die Abwägung. Werden bei der Gestaltung der Landabfindung wertbildende Faktoren außer Acht gelassen oder fehlgewichtet, so schlägt sich dies, sofern nicht ausnahmsweise durch eine zu starke Gewichtung anderer wertbildender Faktoren eine Kompensation eintritt, in Abfindungsdefiziten nieder, die im Rahmen der Gleichwertigkeitsprüfung erfasst werden. Umgekehrt ist dem Interesse des Teilnehmers an der Wertsicherung seiner Einlage Rechnung getragen, wenn er eine wertgleiche Abfindung erhält. In diesem Bereich besteht deshalb kein Bedürfnis für eine gesonderte Abwägungskontrolle.


Für eine die Gleichwertigkeitsprüfung ergänzende Abwägungskontrolle, die entsprechend den im Bau- und Fachplanungsrecht geltenden Grundsätzen zusätzlich zum Abwägungsergebnis den Abwägungsvorgang in den Blick nähme und die ordnungsgemäße Berücksichtigung aller einzelnen wertbildenden Faktoren prüfte, ist im Flurbereinigungsverfahren angesichts des fehlenden subjektivrechtlichen Schutzes dieser Faktoren als solcher kein Raum. Nichts anderes gilt, wenn man daneben den so genannten "Anspruch ... auf eine ... zweckmäßig gestaltete Abfindung" betrachtet. Dieser ist in der Weise mit dem Anspruch auf wertgleiche Abfindung untrennbar verbunden, dass es unzulässig wäre, den Planungsakt der Flurbereinigungsbehörde bezüglich der wertbestimmenden Faktoren einerseits in Anwendung von § 44 Abs. 1 Satz 1 FlurbG einer Gleichwertigkeitskontrolle und andererseits in Anwendung von § 44 Abs. 2 Halbs. 1 FlurbG einer Zweckmäßigkeitskontrolle zu unterwerfen. Soweit der Teilnehmer nicht - in den zuvor angeführten Ausnahmefällen - einen "qualifizierten" Planwunsch anmeldet, der mit einem Anspruch auf eine bestimmte Abfindungsgestaltung einhergeht, versagt ihm das Flurbereinigungsrecht auch unter dem Aspekt der zweckmäßigen Gestaltung seiner Abfindung einen subjektivrechtlichen Schutz, der über den strikten Anspruch auf wertgleiche Abfindung hinausreicht. "Einfache" Planwünsche lösen somit keine Abwägungskontrolle nach dem Muster des Bau- und Fachplanungsrechts aus. Dies ist dem Umstand geschuldet, dass das Flurbereinigungsrecht vom eigentumsrechtlichen "Postulat der Bestandssicherung" mit der Folge geprägt ist, dass dem Teilnehmer, dem mit dem Anspruch auf wertgleiche Abfindung ein zwingender Rechtssatz zur Seite steht, ein Recht auf weiterreichende Abwägungskontrolle versagt bleibt, soweit es um die Sicherung des Bestandes geht. Dementsprechend hat die Rechtsprechung stets betont, dass in Anbetracht der Verschiedenartigkeit der Verhältnisse die überhaupt mögliche Gleichbehandlung der Teilnehmer erreicht sei, wenn der Flurbereinigungsplan die dem jeweiligen Teilnehmer zustehende wertgleiche Abfindung gewährleiste. Kein Teilnehmer hat hingegen einen Anspruch auf Zuteilung von Grundstücken mit bestimmten Eigenschaften, geschweige denn auf Zuteilung seines Altbesitzes oder sonst auf Zuteilung bestimmter Grundstücke. Durch welche Gestaltung erreicht wird, dass die Landabfindung dem Gebot der Wertgleichheit gerecht wird, ist mithin der - außer durch das Willkürverbot - nicht weiter gebundenen Gestaltungsfreiheit der Flurbereinigungsbehörden überantwortet (so BVerwG, Urt. v. 23.08.2006 - 10 C 4/05 -, juris, Rn. 25 <= RzF - 102 - zu § 44 Abs. 1 FlurbG>; Urt. v. 17.01.2007 - 10 C 1/06 -, juris, Rn. 37 <= RzF - 105 - zu § 44 Abs. 1 FlurbG>).

Anmerkung


In gleicher Sache siehe = RzF - 17 - zu § 27 FlurbG
Zur Abwägungskontrolle siehe auch = RzF - 107 - zu § 44 Abs. 2 FlurbG