Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 08.03.2017 - 9 B 57.16 = BzAR 017, 250-254= AUR 2017, 216-217= NVwZ 2018, 675-677 (Lieferung 2020)
Aktenzeichen | 9 B 57.16 | Entscheidung | Urteil | Datum | 08.03.2017 |
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Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | = BzAR 017, 250-254 = AUR 2017, 216-217 = NVwZ 2018, 675-677 | Lieferung | 2020 |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Bei der Landabfindung findet eine gerichtliche Abwägungskontrolle (vgl. § 44 Abs. 2 Halbs. 1 FlurbG), in deren Rahmen sich die Berücksichtigung der Interessen von Teilnehmern mit bzw. ohne landwirtschaftlichen Betrieb als abwägungsfehlerhaft erweisen könnte, nur bei konkretisierten betrieblichen Entwicklungstendenzen statt, die sich einem Teilnehmer erst durch die Flurbereinigung eröffnen. Das Interesse eines Teilnehmers an der Sicherung seiner bestehenden betrieblichen Möglichkeiten wird hingegen durch das der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegende Gebot wertgleicher Abfindung (§ 44 Abs. 1 Satz 1 FlurbG) gewährleistet. (Amtlicher Leitsatz) |
Aus den Gründen
9 Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 FlurbG ist jeder Teilnehmer für seine Grundstücke mit Land von gleichem Wert abzufinden. Das Gebot wertgleicher Abfindung ist oberster Grundsatz des Flurbereinigungsverfahrens (BVerwG, Urteil vom 23. August 2006 - 10 C 4.05 - BVerwGE 126, 303 Rn. 14 m.w.N. <= RzF - 102 - zu § 44 Abs. 1 FlurbG>). Seine Einhaltung unterliegt der vollen gerichtlichen Überprüfung (BVerwG a.a.O. Rn. 25 <= RzF - 102 - zu § 44 Abs. 1 FlurbG>). Nach § 44 Abs. 2 Halbs. 1 FlurbG sind bei der Landabfindung die betriebswirtschaftlichen Verhältnisse aller Teilnehmer gegeneinander abzuwägen. Danach tritt neben die volle gerichtliche Überprüfung der Beachtung des Gebots wertgleicher Abfindung eine Abwägungskontrolle nach den Grundsätzen, die die Rechtsprechung für die gerichtliche Überprüfung von Planungsentscheidungen entwickelt hat. Diese beschränkt sich jedoch wegen der spezifischen Verknüpfung der planerischen Abwägung nach § 44 Abs. 2 Halbs. 1 FlurbG mit dem Gebot wertgleicher Abfindung auf solche Belange, die nicht die Wertsicherung des Bestands betreffen und deren ordnungsgemäße Berücksichtigung deshalb durch eine wertgleiche Abfindung noch nicht gewährleistet ist. Die Abwägungskontrolle richtet sich deshalb darauf, ob die Abfindungsgestaltung konkretisierte betriebliche Entwicklungstendenzen, die sich dem Teilnehmer erst durch die Flurbereinigung eröffnen und die deshalb für die Frage wertgleicher Abfindung unerheblich sind, abwägungsfehlerfrei berücksichtigt hat (BVerwG, Urteil vom 23. August 2006 - 10 C 4.05 - BVerwGE 126, 303 Rn. 17, 25, 29 f. <= RzF - 102 - zu § 44 Abs. 1 FlurbG>).
10 Anhand dieser Rechtsprechung ist die vom Kläger aufgeworfene Frage ohne Weiteres zu beantworten. Eine Abwägungskontrolle auf der Grundlage von § 44 Abs. 2 Halbs. 1 FlurbG findet nur bei konkretisierten betrieblichen Entwicklungstendenzen statt, die sich einem Teilnehmer erst durch die Flurbereinigung eröffnen. Geht es wie hier nur um die Sicherung der bestehenden betrieblichen Möglichkeiten, so erfolgt keine Abwägungskontrolle, in deren Rahmen sich die Berücksichtigung der Interessen von Teilnehmern ohne eigenen landwirtschaftlichen Betrieb als abwägungsfehlerhaft erweisen könnte. Die Belange des Landwirtschaftsbetriebs werden in einem solchen Fall bereits durch das Gebot wertgleicher Abfindung gewährleistet. Kein Teilnehmer hat dabei Anspruch auf Zuteilung von Grundstücken mit bestimmten Eigenschaften, geschweige denn auf Zuteilung seines Altbesitzes oder bestimmter Grundstücke (BVerwG, Urteil vom 23. August 2006 - 10 C 4.05 - BVerwGE 126, 303 Rn. 27 m.w.N. <= RzF - 102 - zu § 44 Abs. 1 FlurbG>).
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