Flurbereinigungsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 18.09.2012 - 7 S 625/12 (Lieferung 2014)

Aktenzeichen 7 S 625/12 Entscheidung Beschluss Datum 18.09.2012
Gericht Flurbereinigungsgericht Baden-Württemberg Veröffentlichungen Lieferung 2014

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Auch der Zufahrtsweg zu einer Biogasanlage kann eine gemeinschaftliche Anlage sein, selbst wenn es sich bei jener um einen Gewerbebetrieb handelt.

Aus den Gründen

a) Ein Vorausbau ist als dringlich und erforderlich in dem in § 36 Abs. 1 FlurbG vorausgesetzten Sinn anzuerkennen, wenn die Flurbereinigungsbehörde aufgrund des Verfahrensstandes und nach Abwägung aller erheblichen Umstände, insbesondere der Interessen der Teilnehmer, zu dem Ergebnis kommen darf, dass die vorgezogene Besitzregelung schon zu dem in der Anordnung festzusetzenden Zeitpunkt dem - beschleunigten - Erreichen des angestrebten Verfahrenszweckes dient.


b) Die genannten materiellen Voraussetzungen sind nach Aktenlage zumindest hinsichtlich des Weges Nr. 104 aller Voraussicht nach erfüllt. Für die Maßnahme Nr. 400 (Brücke über den K.bach) gilt dies jedoch wohl nicht. Sie ist nach Aktenlage schon nicht Gegenstand des Flurbereinigungsverfahrens. Für den Bau der Brücke wurde stattdessen ein wasserrechtliches Genehmigungsverfahren durchgeführt. In der im Rahmen des Flurbereinigungsverfahrens xxxxxxxxxxxxxxxx erstellten Wege- und Gewässerkarte ist die Brücke folgerichtig nur nachrichtlich erwähnt. Im Erläuterungsbericht zum Wege- und Gewässerplan wird unter Nr. 4.1 zudem ausdrücklich ausgeführt, dass die Genehmigung der Brücke außerhalb der Flurbereinigung durch ein selbständiges Wasserrechtsverfahren der Stadt xxxxxxxxxxx erfolge und die Brücke im Plan nur nachrichtlich dargestellt sei. Auch die Plangenehmigung des Landesamtes für Geoinformation und Landentwicklung vom 21.12.2010 erstreckt sich ausdrücklich nicht auf die nachrichtlich dargestellten, in der Wege- und Gewässerkarte besonders gekennzeichneten Maßnahmen, zu denen auch die Brücke zählt.


c) Der Weg Nr. 104 stellt dagegen ungeachtet dessen, dass ihm auch die Funktion einer Gemeindeverbindungsstraße zukommt, eine gemeinschaftliche Anlage im Sinne des § 39 Abs. 1 FlurbG dar, deren Vorausbau dringlich im Sinne des § 36 Abs. 1 FlurbG ist.


aa) Nach § 39 Abs. 1 FlurbG sind Wege als gemeinschaftliche Anlagen zu schaffen, soweit das Interesse der allgemeinen Landeskultur und das wirtschaftliche Bedürfnis der Teilnehmer es erfordern. Dabei ist der Begriff des "wirtschaftlichen Bedürfnisses" nicht auf rein landwirtschaftliche Zwecke beschränkt; es muss sich aber um wirtschaftliche Bedürfnisse der Teilnehmer handeln; wirtschaftliche Bedürfnisse der Gemeindeangehörigen oder Aufgaben, die der Gemeinde als öffentlicher Körperschaft obliegen, scheiden für die Anwendung des § 39 FlurbG aus. Auch öffentliche Wege stellen gemeinschaftliche Anlagen im Sinne des § 39 Abs. 1 FlurbG dar, falls ihre Schaffung im Interesse der allgemeinen Landeskultur und im wirtschaftlichen Interesse der Beteiligten erforderlich ist. Diese Voraussetzung liegt regelmäßig vor, wenn durch den öffentlichen Weg die Feldmark erschlossen oder eine Auflockerung der Ortslage erreicht wird. Der Wegebau muss also ein Mittel zur Stärkung der wirtschaftlichen Grundlagen der am Verfahren teilnehmenden Betriebe sein und der Förderung der allgemeinen Landeskultur dienen. Ist das der Fall, dann hält sich die Schaffung eines öffentlichen Weges im Rahmen der Ziele der Flurbereinigung (vgl. BVerwG, Urt. v. 25.10.1962 - I C 212.58 -, BVerwGE 15, 72 <= RzF - 1 - zu § 37 Abs. 1 FlurbG> sowie Senatsurt. vom 10.05.2012 - 7 S 1750/10 -, juris m.w.N. d. Rspr.).


bb) Diese Voraussetzung liegt hier vor. Aus dem Erläuterungsbericht zum Wege- und Gewässerplan und der Begründung zur Anordnung der sofortigen Vollziehung vom 02.12.2011 ergibt sich, dass der Weg Nr. 104 insbesondere dazu dient, den Verkehr von und zur Biogasanlage sowie dem landwirtschaftlichen Betrieb aufzunehmen, die westlich der L 194 gelegen sind. Dadurch kann dieser Verkehr aus der Ortslage herausgenommen werden, der bislang mit dem Besucherverkehr des S.parks und dem Parksuchverkehr der angesiedelten Einzelhändler kollidiert ist. Nach der Begründung zur Anordnung der sofortigen Vollziehung kommen die landwirtschaftlichen Fahrzeuge nur schwer voran und bringen den Verkehr immer wieder zum Stocken.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Biogasanlage einen landwirtschaftlichen Betrieb darstellt. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 11.12.2008 - 7 C 6.08 -, BVerwGE 132, 372) handelt es sich zwar auch bei der Produktion von Biomasse um Landwirtschaft im Sinne von § 201 BauGB, weil deren Gewinnung durch Ackerbau erfolge, so dass eine unmittelbare Bodenertragsnutzung in Mitten stehe. Der dort entschiedene Fall betraf allerdings einen Landwirt, der eigene Erzeugnisse für die Gewinnung von Biomasse nutzt und darüber hinaus von Dritten beliefert wurde. Ob und inwieweit die Biogasanlage im Gebiet der streitbefangenen Flurbereinigung den eigenen Boden nutzt und inwieweit die Produktion von fremden Zulieferern abhängt, ist den Akten nicht zu entnehmen.


Selbst wenn es sich indessen bei der Biogasanlage mangels eigener Bodenertragsnutzung nicht um einen landwirtschaftlichen Betrieb, sondern um einen Gewerbebetrieb handelte, stellte der Weg Nr. 104 eine gemeinschaftliche Anlage im Sinne des § 39 Abs. 1 FlurbG dar, da sein Bau im wirtschaftlichen Interesse der Teilnehmergemeinschaft liegt. Denn es ist davon auszugehen, dass die Biogasanlage von den Landwirten mit Einsatzstoffen beschickt wird, die in der näheren Umgebung Felder besitzen, d.h. Teilnehmer der streitbefangenen Flurbereinigung sind, deren Gebiet nördlich an die Ortslage von xxxxxxxxxxxxxxx angrenzt. Diese Teilnehmer haben durch den Bau des Weges Nr. 104 einen wirtschaftlichen Vorteil, weil sie die Biogasanlage auf direktem Weg, ohne Umweg über die Ortslage anfahren können. Ihre Zahl dürfte auch so groß sein, dass noch von einer echten Entzerrung des landwirtschaftlichen und des innerstädtischen Verkehrs gesprochen werden kann. Ein solcher Vorteil dürfte ausreichen, um trotz der weitergehenden Funktionen des Weges für den öffentlichen Verkehr noch von einer gemeinschaftlichen Anlage im Sinne des § 39 Abs. 1 FlurbG auszugehen. In diesem Fall spricht auch nichts dafür, dass es letztlich nur um die kostengünstige Schaffung eines vom Zweck der Flurbereinigung tatsächlich nicht geforderten Weges ginge, zumal die Teilnehmergemeinschaft sich nur in Höhe von 30.000,-- € am Bau des Weges beteiligt und die aufzubringenden Mehrkosten für den breiteren Ausbau und für die Asphaltierung für hohe Beanspruchung ohnehin von der Stadt xxxxxxxxxxx übernommen werden, so dass die Teilnehmer insoweit nicht belastet werden.