Flurbereinigungsgericht Lüneburg, Urteil vom 24.05.2005 - 15 KF 6/04 (Lieferung 2006)

Aktenzeichen 15 KF 6/04 Entscheidung Urteil Datum 24.05.2005
Gericht Flurbereinigungsgericht Lüneburg Veröffentlichungen Lieferung 2006

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Der Lauf der Frist des § 142 Abs. 2 FlurbG wird nicht deshalb aufgehalten, weil die Behörde nicht in der Rechtsbehelfsbelehrung darüber belehrt hat.
2. Verhandlungen über den Widerspruch stellen nicht ohne weiteres ein Verhalten der Behörde dar, den Kläger von der Klage abzuhalten.

Aus den Gründen

Die Klage ist unzulässig.

Der Zulässigkeit der Klage gegen den Einleitungsbeschluss steht die Vorschrift des § 142 Abs. 2 Flurbereinigungsgesetz - FlurbG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. März 1976 (BGBl. I S. 546), zuletzt geändert durch Art. 5 des Gesetzes vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3987), entgegen (1.); die Klage gegen die erste Änderungsanordnung vom 5. April 2004 scheitert an der fehlenden Durchführung eines Widerspruchsverfahrens (2.).

1.) Nach § 142 Abs. 2 Satz 1 FlurbG ist die Klage ohne Vorverfahren zulässig, wenn über einen Widerspruch oder über einen Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsaktes innerhalb einer Frist von sechs Monaten, in den Fällen des § 59 Abs. 2 von einem Jahr, sachlich nicht entschieden worden ist; nach § 142 Abs. 2 Satz 2 FlurbG ist die Erhebung der Klage in diesen Fällen nur bis zum Ablauf von weiteren drei Monaten nach Ablauf der Jahresfrist zulässig. Mit dem Ablauf dieser Frist wird der zunächst angefochtene Verwaltungsakt unanfechtbar. Von diesem Zeitpunkt an fehlt es an einem durchsetzbaren Anspruch auf Aufhebung des Bescheides.

Im vorliegenden Fall hat die Bezirksregierung H. über den Widerspruch des Klägers vom 15. Januar 2003, der am 22. Januar 2003 bei dem Funktionsvorgänger der Beklagten eingegangen war, in der Sache nicht entschieden, da sie ebenso wie die Ausgangsbehörde auf eine unstreitige Beilegung des Rechtsbehelfs hinwirkte. Wegen des Ausbleibens der Widerspruchsentscheidung hätte der Kläger, wollte er die Klagemöglichkeit nicht verlieren, spätestens am 22. Oktober 2003 Klage gegen den Einleitungsbeschluss vom 2. Januar 2003 erheben müssen. Die am 13. April 2004 erhobene Klage wahrt die Frist des § 142 Abs. 2 Satz 2 FlurbG nicht, so dass die Anordnung des vereinfachten Flurbereinigungsverfahrens D. unanfechtbar geworden ist (vgl. Seehusen/Schwede, FlurbG, 7. Aufl.1997, § 142 Rn. 13; BVerwG, Urt. v. 16. August 1995 - BVerwG 11 C 2.95 -, Buchholz 424.01 § 142 FlurbG Nr. 4 = DVBl. 1996, 105 = RdL 1995, 332 <= RzF - 8 - zu § 142 Abs. 2 FlurbG>; ferner - zum früheren § 76 VwGO - BVerwG, Urt. v. 13. Dezember 1967 - BVerwG IV C 124.65 - BVerwGE 28, 305).

Der Lauf der Fristen des § 142 Abs. 2 Satz 1 und 2 FlurbG ist nicht deshalb aufgehalten worden, weil der Kläger darüber nicht belehrt worden ist, denn die Vorschrift des § 58 VwGO über die Rechtsbehelfsbelehrung betrifft die Klagefrist des § 142 Abs. 2 FlurbG ebenso wenig, wie sie für die Jahresfrist des früheren § 76 VwGO galt (vgl. BVerwG, a.a.O.). Die Erwägungen, die das Bundesverwaltungsgericht zu § 76 VwGO im Urteil vom 20. Januar 1967 - BVerwG VII C 4.66 (BVerwGE 26, 54,56) angestellt hat, treffen auch auf § 142 Abs. 2 FlurbG zu; auf sie wird verwiesen.

Dem Kläger kann auch keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO gewährt werden. Dabei mag offen bleiben, ob die Frist des § 142 Abs. 2 Satz 2 VwGO < Anmerkung der Redaktion: § 142 Abs. 2 Satz 2 VwGO lies § 142 Abs. 2 Satz 2 FlurbG > überhaupt als Frist im Sinne des § 60 Abs. 1 VwGO zu werten ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts war § 60 VwGO auf die Ausschlussfrist des früheren § 76 VwGO nicht anwendbar (vgl. Beschl. v. 5. Januar 1970 - BVerwG 5 B 42.69 - Buchholz 310 § 76 VwGO Nr. 7). Unabhängig davon scheitert die Wiedereinsetzung aber zumindest an einem entsprechenden Antrag und an § 60 Abs. 2 VwGO. Nach § 60 Abs. 1 VwGO ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten. Der Antrag ist gemäß § 60 Abs. 2 Satz 1 VwGO binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Innerhalb der Antragsfrist ist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen (§ 60 Abs. 2 Satz 1 und 3 VwGO). Mit Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung H. vom 17. März 2004, an den Kläger abgesandt am 18.03.2004, wäre hiernach vom Wegfall des Hindernisses auszugehen. Innerhalb einer Frist von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides hat der Kläger indes einen Wiedereinsetzungsantrag nicht gestellt. Dieser war auch nicht gemäß § 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO entbehrlich. Zwar kann nach dieser Vorschrift Wiedereinsetzung auch ohne Antrag gewährt werden, wenn die versäumte Rechtshandlung innerhalb der Antragsfrist nachgeholt wird. Da die Klageerhebung aber nicht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist für den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erfolgte, sondern erst am 13. April 2004, kommt dem Kläger § 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO nicht zugute. Da mit dem Widerspruchsbescheid eine Entscheidung in der Sache nicht erfolgte, der Widerspruch vielmehr wegen der zwischenzeitlich eingetretenen Bestandskraft des Einleitungsbeschlusses als unzulässig zurückgewiesen worden ist, ist der Klageweg auch nicht erneut eröffnet worden.

Selbst wenn die formellen Voraussetzungen für einen Wiedereinsetzungsantrag vorgelegen hätten und ungeachtet des Wortlauts des § 142 Abs. 2 Satz 2 FlurbG, der keine Ausnahme kennt, die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung für den Fall angenommen würde, wenn ein Beteiligter durch das Verhalten der Behörde davon abgehalten wird, fristgerecht zu klagen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 13. Juli 1981 - BVerwG 5 B 50.81 -; Buchholz 424.01 § 142 FlurbG Nr. 3), wäre für den Kläger nichts gewonnen. Denn es ist nichts dafür vorgetragen oder ersichtlich, dass der Kläger durch das Verhalten der Behörde von einer fristgerechten Klageerhebung abgehalten worden ist. Insbesondere rechtfertigt nichts die Annahme, dass die Behörde beim Kläger etwa den Eindruck erweckt hätte, er dürfe selbst mit einer Klage zuwarten, ohne die Klagemöglichkeit zu verlieren. Das Bestreben sowohl des Funktionsvorgängers der Beklagten als auch der Bezirksregierung H. war während der gesamten Dauer des Widerspruchsverfahrens allein darauf gerichtet, den Kläger zur Rücknahme seines Widerspruchs zu bewegen. Er ist wegen seines Abfindungsfragen betreffenden Vorbringens mehrfach auf den Grundsatz der Wertgleichheit der Abfindung des § 44FlurbG hingewiesen worden und man hat ihm gegenüber zur Vermeidung unnötiger Kosten Zugeständnisse gemacht. Dass sich diese Verhandlungen mit dem Kläger und seinem Vater als den beiden einzigen Rechtsbehelfsführern über die Frist des § 142 Abs. 2 FlurbG hinaus erstreckt haben, rechtfertigt es nicht, einen Ausnahmefall anzunehmen, bei dem § 60 VwGO auch auf eine Ausschlussfrist angewendet wird. Eine solche Ausnahme ist allenfalls denkbar, wenn ein Beteiligter durch das Verhalten der Behörde davon abgehalten wird, fristgerecht zu klagen. Angesichts der eindeutigen Formulierung in § 142 Abs. 2 FlurbG kann ein Durchbrechen der dort genannten Fristen aber nur in ganz engen Grenzen zulässig sein. Ein solcher Fall kann etwa dann vorliegen, wenn die Behörde dem Teilnehmer unter Angabe von Gründen mitteilt, dass eine Entscheidung über seinen Widerspruch nicht innerhalb der Frist des § 142 Abs. 2 Satz 1 FlurbG ergehen wird und sie den Teilnehmer gleichzeitig ausdrücklich auffordert, mit der Klageerhebung bis zum Erlass dieses Bescheides zu warten. Allerdings reicht es nicht aus, wenn die Behörde durch ihr Verhalten lediglich den Eindruck erweckt, sie wolle (irgendwann) über den Widerspruch entscheiden (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 15.08.1989 - 15 M 5/89 - n.v.). So liegt der Fall hier. Allein im Kosteninteresse des Klägers ist die Widerspruchsentscheidung mehrfach verschoben worden. Für eine ausnahmsweise zu gewährende Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist daher ungeachtet der nicht erfüllten formellen Voraussetzungen kein Raum. Das gilt auch im Hinblick auf die Vermittlungsbemühungen des Bürgermeisters der Gemeinde I., zu dessen Kompetenzbereich das Flurbereinigungsverfahren nicht gehört und der deshalb durch eventuelle Zusagen einen Vertrauenstatbestand im Hinblick auf den Lauf der Frist des § 142 Abs. 2 FlurbG nicht schaffen konnte.