Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 10.11.1993 - 11 C 22.92 = RdL 1994, 95= AgrarR 1995 S. 71
Aktenzeichen | 11 C 22.92 | Entscheidung | Urteil | Datum | 10.11.1993 |
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Gericht | Bundesverwaltungsgericht | Veröffentlichungen | = RdL 1994, 95 = AgrarR 1995 S. 71 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Die in § 52 Abs. 1 FlurbG vorgesehene Zustimmung zur Abfindung in Geld statt in Land ist auch dann wirksam und unwiderruflich, wenn sie vor der Zuziehung der Grundstücke des verzichtenden Eigentümers zum Flurbereinigungsverfahren abgegeben und in eine Verhandlungsniederschrift aufgenommen worden ist. In einem solchen Fall entsteht das Verfügungsverbot nach § 52 Abs. 3 Satz 1 FlurbG jedoch erst mit der Zuziehung. |
2. | Der Konkursverwalter muß eine Erklärung auf Landverzicht nach § 52 FlurbG auch dann gegen sich gelten lassen, wenn die betreffenden Grundstücke zur Konkurseröffnung noch nicht zum Flurbereinigungsgebiet gehören. |
Aus den Gründen
Die zulässige Revision ist unbegründet, so daß sie zurückzuweisen ist (§ 144 Abs. 2 VwGO). Die Annahme des Flurbereinigungsgerichts, das Verfügungsverbot sei wirksam geworden und der Kläger könne deshalb ein Grundbuchberichtigungsersuchen des Beklagten nicht beanspruchen, verletzt Bundesrecht nicht (vgl. § 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).
Als Rechtsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Anspruch kommt nur eine entsprechende Anwendung des § 52 Abs. 3 Satz 2 FlurbG in Verbindung mit dem Gesichtspunkt der Folgenbeseitigung in Betracht. Das Verfügungsverbot, dessen Löschung der Kläger erstrebt, ist vor der Erstellung und Bekanntgabe des Flurbereinigungsplans auf Ersuchen des Beklagten gemäß § 52 Abs. 3 Satz 2 FlurbG i. V. m. § 38 GBO in das Grundbuch eingetragen worden. In einem solchen Fall trägt die ersuchende Behörde die Verantwortung für die Rechtmäßigkeit des Ersuchens (BGHZ 19, 355 (358), auch 106, 108 (110); Haegele/Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 10. Aufl., 1993, RdNr. 219, S. 101 f.). Der behördlichen Befugnis, eine Grundbucheintragung zu veranlassen, und der damit verbundenen Verantwortung für die materielle Richtigkeit des Grundbuchs korrespondiert das Recht und aufgrund des öffentlich-rechtlichen Folgenbeseitigungsanspruchs auch die Pflicht, gegebenenfalls zur Beseitigung eines fortdauernden rechtswidrigen Zustands um eine Berichtigung zu ersuchen (vgl. BVerwGE 80, 178 (179), 82, 76 (95); Horber/Demharter, GBO, 19. Aufl., 1991, § 38, Anm. 16). Weigert sich die Flurbereinigungsbehörde, ein solches Berichtigungsersuchen an das Grundbuchamt zu richten, so ist das auf eine entsprechende Verurteilung zielende Begehren des Betroffenen mit der allgemeinen Leistungsklage zu verfolgen. Für deren Beurteilung kommt es auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Tatsachengericht an.
Zu Recht hat das Flurbereinigungsgericht angenommen, daß im Zeitpunkt seiner Entscheidung dem Kläger kein Anspruch auf Herbeiführung einer Grundbuchberichtigung zustand, da alle Voraussetzungen für das Entstehen eines Verfügungsverbots erfüllt waren, die Grundbucheintragung also der materiellen Rechtslage entsprach. Grundsätzlich kann jeder Flurbereinigungsteilnehmer gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 FlurbG für seinen eingebrachten Grundbesitz unter Berücksichtigung der Abzüge nach § 47 FlurbG Land von gleichem Wert beanspruchen. Eine Ausnahme davon ermöglicht § 52 FlurbG, wonach ein Teilnehmer mit seiner Zustimmung statt in Land ganz oder teilweise in Geld abgefunden werden kann. Ist die Zustimmung unwiderruflich geworden, so darf der Teilnehmer das Grundstück, für das er in Geld abzufinden ist, nicht mehr veräußern oder belasten; das Verfügungsverbot ist auf Ersuchen der Flurbereinigungsbehörde für die Teilnehmergemeinschaft oder im Falle der Zustimmung zugunsten eines bestimmten Dritten für diesen in das Grundbuch einzutragen (§ 52 Abs. 3 Sätze 1 und 2 FlurbG).
Erste Voraussetzung für das Entstehen eines Verfügungsverbots ist danach die Unwiderruflichkeit der Zustimmung zur Abfindung in Geld. Eine entsprechende Erklärung hat der Gemeinschuldner in der Verhandlung zugunsten der Beigeladenen abgegeben. Sie ist nach § 52 Abs. 2 Satz 2 FlurbG unwiderruflich geworden, nachdem sie in die Verhandlungsniederschrift aufgenommen und als Verzicht auf Landabfindung vom Leiter des Beklagten angenommen worden ist (vgl. zur Annahme der Verzichtserklärung BFHE 111, 538 (540)). Daß der Kläger in diesem Zeitpunkt nicht Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens (§ 10 Nr. 1 FlurbG) war, weil seine Grundstücke noch nicht zum Flurbereinigungsverfahren zugezogen waren, ändert daran nichts; denn § 52 FlurbG besagt nicht, nur Teilnehmer könnten eine unwiderrufliche Zustimmungserklärung im Sinne des Absatzes 2 abgeben. Willigt - wie hier - ein Nichtteilnehmer in eine Geldabfindung gemäß § 52 Abs. 2 FlurbG ein, so geschieht dies zwar in der Erwartung, daß er demnächst Teilnehmer wird und einen Abfindungsanspruch erlangt; die vorherige Zustimmung ist aber nicht etwa unzulässig oder unwirksam, sondern allenfalls, dann nämlich, wenn sich die Erwartung nicht erfüllt, gegenstandslos (vgl. auch § 183 BGB).
Diese mit dem Gesetzeswortlaut vereinbare weite Auslegung des § 52 Abs. 2 FlurbG entspricht, wie im angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt ist, der Interessenlage: Die nachträgliche Zuziehung einzelner Grundstücke zum Flurbereinigungsverfahren ist häufig deswegen geboten, weil zusätzliche Flächen, z. B. für die Landabfindung von Teilnehmern, die Grundstücke für öffentliche Zwecke verlieren, benötigt werden. Soll die parzellare Zuziehung diesem Ziel dienen, so ist es zweckmäßig, sie erst dann zu vollziehen, wenn der Eigentümer der zuzuziehenden Grundstücke seinerseits unwiderruflich auf Landabfindung verzichtet und einer Geldabfindung zugestimmt hat.
Die Unwiderruflichkeit der Zustimmung eines Nichtteilnehmers allein reicht jedoch nicht aus, um ein Verfügungsverbot gemäß § 52 Abs. 3 Satz 1 FlurbG entstehen zu lassen. Aus dem Wortlaut der genannten Vorschrift ergibt sich vielmehr, daß das Verfügungsverbot nur einen Teilnehmer im Sinne des § 10 Nr. 1 FlurbG, also nur den Eigentümer eines zum Flurbereinigungsgebiet gehörenden Grundstücks, treffen kann. Dies ist, wie das Flurbereinigungsgericht zu Recht darlegt, auch von der Sache her einleuchtend: Das flurbereinigungsrechtliche Verfügungsverbot und die Ermächtigung der Flurbereinigungsbehörde, das Grundbuchamt gemäß § 52 Abs. 3 Satz 2 FlurbG um Eintragung zu ersuchen, sollen sich nicht auf Grundstücke erstrecken, die außerhalb des Flurbereinigungsgebietes und damit außerhalb des Aufgabenbereichs der Flurbereinigungsbehörde (vgl. § 2 Abs. 1 FlurbG) liegen. Die oben gekennzeichnete Interessenlage fordert nichts anderes.
Im Zeitpunkt der Entscheidung des Flurbereinigungsgerichts war auch diese Voraussetzung für die Entstehung des Verfügungsverbots erfüllt; denn mit dem Änderungsbeschluß zum Flurbereinigungsverfahren hat der Beklagte die hier im Streit befindlichen Grundstücke des Gemeinschuldners gemäß § 8 FlurbG zum Verfahren zugezogen. Der Gemeinschuldner ist damit Teilnehmer des Flurbereinigungsverfahrens geworden. Gegen die Wirksamkeit des Zuziehungsbeschlusses bestehen keine rechtlichen Bedenken. Er ist, wie die Vorinstanz festgestellt hat, ordnungsgemäß öffentlich bekanntgemacht worden. Daß diese Form der Bekanntgabe auch bei geringfügigen Änderungen des Flurbereinigungsgebietes im Sinne des § 8 FlurbG zulässig und ausreichend ist (vgl. § 111 Abs. 1 Satz 2 FlurbG), hat das BVerwG (Beschluß vom 10.06.1970 - BVerwG IV B 57.70 -, RzF - 5 - zu § 8 Abs. 1 FlurbG) bereits entschieden; daran wird festgehalten. Der Zuziehungsbeschluß ist dem Gemeinschuldner und dem Kläger gegenüber bestandskräftig geworden, da der Gemeinschuldner in der Verhandlung wirksam darauf verzichtet hat, die bevorstehende Zuziehung seiner Grundstücke anzufechten. Dies hat das Flurbereinigungsgericht im einzelnen ausgeführt. Wegen der Bestandskraft sind dem Kläger Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit des Zuziehungsbeschlusses abgeschnitten. Anhaltspunkte für eine Nichtigkeit dieses Verwaltungsaktes bestehen nicht.
Aus dem Vorstehenden ergibt sich, daß die Entstehungsvoraussetzungen für das Verfügungsverbot mit einem zeitlichen Zwischenraum von gut zwei Jahren erfüllt worden sind. Zwar muß es in aller Regel das Bestreben der Flurbereinigungsbehörde sein, die Zuziehung zeitgleich oder so schnell wie möglich nach der Zustimmung zur Geldabfindung durchzuführen, weil erst dann das Verfügungsverbot wirksam wird, eingetragen und in der Folge die Geldabfindung nach § 53 Abs. 1 Satz 1 FlurbG ausgezahlt werden kann. Rechtlich jedoch macht es für die Wirksamkeit der Zustimmung des - zukünftigen - Teilnehmers keinen Unterschied, wie groß der zeitliche Abstand zwischen Zustimmungserklärung und Annahme einerseits sowie der Zuziehung andererseits ist. Im vorliegenden Fall ist das Verfügungsverbot schon vor der Zuziehung der Grundstücke des Gemeinschuldners und damit zu früh im Grundbuch eingetragen worden. Seit Erlaß des Zuziehungsbeschlusses ist die Eintragung aber richtig.
Daß über das Vermögen des Gemeinschuldners zeitlich zwischen Zustimmung und Annahme einerseits und Zuziehung andererseits das Konkursverfahren eröffnet worden ist, konnte das nachträgliche Wirksamwerden des verfrüht eingetragenen Verfügungsverbots nicht verhindern.
Dies gilt zunächst für die vom Kläger in den Vordergrund gerückte Vorschrift des § 13 KO. Wenn danach ein gegen den Gemeinschuldner bestehendes Veräußerungsverbot der in den §§ 135, 136 BGB bezeichneten Art den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam ist, so betrifft diese relative Wirksamkeitseinschränkung nicht die Frage, ob hier aus flurbereinigungsrechtlichen Gründen ein Verfügungsverbot entstanden ist. Für das in das Grundbuch eingetragene Verfügungsverbot gilt folglich § 13 KO uneingeschränkt, ohne daß daraus der geltend gemachte Anspruch auf ein Löschungsersuchen herzuleiten wäre. Im übrigen hindert dies nicht eine Anwendung des § 15 Satz 1 FlurbG, wonach der Erwerber eines der Grundstücke des Gemeinschuldners dessen Landverzichtsabfindungserklärung und die Auszahlung der Geldabfindung gegen sich gelten lassen müßte.
Ebensowenig kann § 7 Abs. 1 Satz 1 KO den Anspruch des Klägers stützen. Danach sind Rechtshandlungen, welche der Gemeinschuldner nach der Eröffnung des Verfahrens vorgenommen hat, den Konkursgläubigern gegenüber unwirksam. In bezug auf das Flurbereinigungsverfahren hat der Gemeinschuldner am oder nach dem 02.10.1989 keine Willenserklärungen abgegeben. Daß seine verbindliche Verzichtserklärung erst mit der Zuziehung der Grundstücke vom Dezember 1990 zum Entstehen des Verfügungsverbots führte, steht der Vornahme einer Rechtshandlung in dem vorgenannten Sinne nicht gleich. Vor allem berechtigt dieser Umstand nicht zu der Annahme, die Erklärung hätte, um überhaupt wirksam zu werden, mehr als nur ihrer Abgabe bedurft und deshalb sei § 7 Abs. 1 Satz 1 KO tangiert (vgl. zum Meinungsstand hinsichtlich der Frage, wann eine Willenserklärung nach Konkursverfahrenseröffnung vorgenommen ist, Kuhn/Uhlenbrock, KO,10. Aufl., 1986, § 7, RdNr. 17 ff.).
Schließlich kann der Kläger seinen Anspruch nicht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben herleiten. Auch dies hat das Flurbereinigungsgericht im Ergebnis zutreffend ausgeführt. Als Konkursverwalter muß der Kläger die Vermögensdispositionen, die der Gemeinschuldner bis zur Konkurseröffnung getroffen hatte, gegen sich gelten lassen. Dazu gehört auch, daß der Gemeinschuldner die streitbefangenen Grundstücke durch Zustimmung zum "Eintritt" in das Flurbereinigungsverfahren, die Erklärung des Landverzichts und die Annahme der Geldabfindung vor der Konkurseröffnung wirtschaftlich bereits verwertet hat. Treu und Glauben gebieten deshalb entgegen der Ansicht der Revision keine Korrektur des - richtigen - Grundbuchinhalts.