Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 28.11.1990 - 7 K 2215/90 = EFG 1991 S. 644
Aktenzeichen | 7 K 2215/90 | Entscheidung | Urteil | Datum | 28.11.1990 |
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Gericht | Finanzgericht Rheinland-Pfalz | Veröffentlichungen | = EFG 1991 S. 644 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Erklärt ein Grundstückseigentümer zugunsten der Teilnehmergemeinschaft in einem Flurbereinigungsverfahren die Zustimmung zur Geldabfindung gemäß § 52 FlurbG, ist - im Sinne des Steuerrechts - wirtschaftliches Eigentum bereits vor einer vorläufigen Besitzeinweisung gemäß § 65 FlurbG möglich. |
Aus den Gründen
§ 39 AO geht zunächst von dem Grundsatz aus, Wirtschaftsgüter (WG) dem Eigentümer zuzurechnen. Für den Fall, daß ein anderer als der Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über das WG in der Weise ausübt, daß er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das WG wirtschaftlich ausschließen kann, ist ihm das WG zuzurechnen (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO). Dabei handelt es sich um keinen vom privatrechtlichen Eigentumsbegriff abweichenden, selbständigen steuerrechtlichen Eigentumsbegriff, vielmehr sind der privatrechtliche und steuerrechtliche Eigentumsbegriff identisch. Der Begriff "wirtschaftliches Eigentum" umschreibt lediglich verallgemeinernd die Abweichung von der durch das Privatrecht vorgegebenen Regelzurechnung für steuerliche Zwecke (Tipke/Kruse, AO,13. Aufl., § 39 Tz. 10). Daraus folgt, daß auch in steuerlicher Hinsicht in erster Linie die zivilrechtliche Gestaltung maßgebend ist, von ihr kann nur bei Vorliegen gewichtiger Gründe abgewichen werden (Kühn/Kutter/Hofmann, AO, 14. Aufl., § 39 RdNr. 2 a). Solche gewichtige Gründe liegen hier vor.
Die Frage des wirtschaftlichen Eigentums stellt sich in dem hier zur Entscheidung stehenden Fall bereits in dem Stadium des Flurbereinigungsverfahrens vor einer vorläufigen Besitzeinweisung gem. § 65 FlurbG. Der im Flurbereinigungsplan vorgesehene neue Besitzstand tritt nach den § 61 bis § 63 FlurbG grundsätzlich erst mit dem Eigentumswechsel ein, weswegen es im Verlaufe des Flurbereinigungsverfahrens zur Vermeidung von Nachteilen angezeigt sein kann, Beteiligte in den Besitz der neuen Grundstücke vorläufig einzuweisen (Seehusen/Schwede, Komm. zum FlurbG, 4. Aufl., § 65 RdNr. 1). Nach verbreiteter Ansicht ist der so eingewiesene neue Besitzer wirtschaftlicher Eigentümer i. S. d. Steuerrechts (Seehusen/Schwede, a.a.O., § 66 RdNr. 3; Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, 3. Aufl., B 206), was damit begründet werden kann, daß gewissermaßen ein wirtschaftlich vorgezogener Eigentumsübergang stattgefunden hat oder der Übergang des Eigentums endgültig und konkret beschlossen ist (Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, 9. Aufl., § 39 RdNr. 56; FG Rheinland-Pfalz, EFG 1990, 512).
Entgegen der Ansicht der Klin. kommt ein Übergang des wirtschaftlichen Eigentums schon in einem früheren Stadium vor einer Besitzeinweisung gem. § 65 FlurbG dann in Betracht, wenn der Fall des § 53 FlurbG gegeben ist. Die Vorschrift regelt die Geldabfindung der Flurbereinigungsteilnehmer anstelle der (üblichen) Landabfindung. Die Zustimmung des Teilnehmers zu einer solchen Geldabfindung kann nicht mehr widerrufen werden, wenn sie der Flurbereinigungsbehörde zugegangen ist (§ 52 Abs. 2 FlurbG). Im hier zur Entscheidung stehenden Fall wurden die Erklärungen im Jahre 1984 gegenüber dem Kulturamt als Flurbereinigungsbehörde abgegeben, mit der Folge des § 52 Abs. 3 FlurbG, wonach der Teilnehmer das betreffende Grundstück nicht mehr veräußern oder belasten darf. Von der Möglichkeit des § 52 Abs. 3 Satz 2 FlurbG, das Verfügungsverbot (§ 135 BGB) auf Ersuchen der Flurbereinigungsbehörde für die TG einzutragen, wurde hier Gebrauch gemacht, was allerdings nichts daran ändert, daß das Verfügungsgebot gem. § 135 BGB mit der Unwiderruflichkeit des Verzichtes bereits im Jahre 1984 entstanden war (Seehusen/Schwede, a.a.O., § 52 RdNr. 7). Nach der Regelung des § 135 BGB verbleibt es grundsätzlich bei der Eigentümerstellung der bisherigen Eigentümer, lediglich eine entgegen § 135 BGB vorgenommene Veräußerung wäre im Verhältnis zur Klin. unwirksam (Palandt, BGB, 49. Aufl., §§ 135, 136 RdNr. 3). Damit ist die Klin. wirtschaftliche Eigentümerin geworden, auf die nur noch formell fortbestehende zivilrechtliche Eigentümerstellung der bisherigen Eigentümer kommt es aus wirtschaftlicher Sicht nicht entscheidend an, sondern vielmehr darauf, daß mit dem Verzicht die nach dem bürgerlichen Recht Berechtigten durch eine andere Person - die Klin. und später den in den Besitz Eingewiesenen - von der Einwirkung auf das WG auf Dauer ausgeschlossen sind (Koch, AO, 3. Aufl., § 39 RdNr. 8). Im hier vorliegenden Fall haben die nach bürgerlichem Recht Berechtigten praktisch keine Einwirkungsmöglichkeit auf das WG, weil einem Herausgabeanspruch Einwendungen entgegenstehen (Gürsching/Stenger, BewG, § 2 RdNr. 13). Die Voraussetzungen wirtschaftlichen Eigentums, die tatsächliche, auf Dauer angelegte Herrschaft einer anderen Person als der des Eigentümers, sind damit gegeben (Schwarz, AO, § 39 RdNr. 3).
Der Klin. ist durchaus zuzugeben, daß sie als Trägerin eines sog. Durchgangserwerbs (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 01.04.1970 - 3 C 75/69, amtliche Slg. der OVG Rheinland-Pfalz und Saarland, Bd. 11, 370 = RzF - 4 - zu § 18 Abs. 1 FlurbG) von vorneherein nur für die Dauer des Flurbereinigungsverfahrens als Inhaber des wirtschaftlichen Eigentums in Betracht kommt, was allerdings auch Jahre dauern kann. Der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums erfolgt gerade nicht entsprechend den nach §§ 929 ff. BGB vorzunehmenden Übereignungen, sondern ist alleine dadurch gekennzeichnet, daß der (noch) zivilrechtliche Eigentümer von einem anderen - hier der Klin. - von der Einwirkung auf das WG ausgeschlossen werden kann. Auf die Einschränkung des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO, wonach der Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das WG ausgeschlossen wird, muß nicht weiter eingegangen werden, da Grundstücke einer Abnutzung nicht unterliegen. Der Regelfall des wirtschaftlichen Eigentums, daß wirtschaftlich bereits das vollzogen wird, was zivilrechtlich beschlossen, aber formell noch nicht ausgeführt ist, liegt bei einem zeitlich beschränkten - wenn auch Jahre andauernden - Flurbereinigungsverfahren zwar nicht vor, was aber andererseits kein Grund sein kann, von einer Eigentumszuordnung i. S. d. AO abzusehen, wenn die Voraussetzungen - wie hier - gegeben sind. Die Überlegung, daß bei dem hier vertretenen Ergebnis unvertretbar häufig weitere Fortschreibungen der EW, z. B. nach Beendigung des Flurbereinigungsverfahrens, vorgenommen werden müssen, ist nur eine Frage der Praktikabilität und entspricht im übrigen der Handhabung der Finanzverwaltung, die diesen höheren Verwaltungsaufwand in Kauf nimmt.