Flurbereinigungsgericht Koblenz, Urteil vom 01.04.1970 - 3 C 75/69 = IK 1971 S. 143
Aktenzeichen | 3 C 75/69 | Entscheidung | Urteil | Datum | 01.04.1970 |
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Gericht | Flurbereinigungsgericht Koblenz | Veröffentlichungen | = IK 1971 S. 143 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Die Mitwirkungsrechte der Teilnehmergemeinschaft während der Durchführung eines Flurbereinigungsverfahrens ergeben sich aus der ihr vom Flurbereinigungsgesetz ausdrücklich oder dem Sinn des Gesetzes nach eingeräumten Stellung. |
2. | Die Verwertung von Land im Sinne von § 54 Abs. 2 FlurbG ist unter Einschluß der Verwertung eventuellen Masselandes ausschließliche Angelegenheit der Flurbereinigungsbehörde. |
Aus den Gründen
Die Teilnehmergemeinschaft, die mit dem Flurbereinigungsbeschluß als Körperschaft des öffentlichen Rechts entsteht (§ 10 FlurbG), hat im Rahmen des Flurbereinigungsverfahrens wichtige Aufgaben zu erfüllen. Ihre Mitwirkungsrechte und -pflichten, die sich vom bloßen Recht auf Anhörung bis zum Recht auf selbständiges - allerdings unter der Aufsicht der Flurbereinigungsbehörde stehendes - Handeln erstrecken können, sind teilweise im Gesetz ausdrücklich geregelt (z.B. § 25 Abs. 2, § 31, § 41, § 50 Abs. 2, § 51 Abs. 2, 19 FlurbG), teilweise ergeben sie sich aus der Generalklausel des § 18 Abs. 1 Satz 1 FlurbG und der damit der Teilnehmergemeinschaft nach der Gesamtkonzeption des Flurbereinigungsgesetzes eingeräumten Stellung. Das Recht und die Pflicht der Teilnehmergemeinschaft, die gemeinschaftlichen Angelegenheiten der Teilnehmer wahrzunehmen, umfaßt jedoch weder ein Mitsprache- noch ein Beschwerde- oder Klagerecht im Rahmen der Gestaltung der einzelnen Abfindungen und bei der Verwertung von Restflächen, ganz gleich, ob letztere aus Abzügen gem. § 47 FlurbG stammen oder durch Geldabfindungen gem. § 52 FlurbG erworben wurden.
Das Flurbereinigungsgesetz sieht eine Mitwirkung der Teilnehmergemeinschaft bei der Gestaltung der Abfindung der einzelnen Teilnehmer grundsätzlich nicht vor, sondern erklärt die Flurbereinigung zum behördlichen Verfahren (§ 2 FlurbG), in dem die Abfindung von der Behörde nach bestimmten, objektiven Grundsätzen zu ermitteln ist (§ 44 FlurbG). Eine Mitwirkung bei der Gestaltung der Abfindung (die lediglich das bayerische Ausführungsgesetz zum Flurbereinigungsgesetz vorsieht) setzt notwendigerweise eine besondere Zusammensetzung des Vorstandes voraus (vgl. Art. 7 BayAGFlurbG), da die Mitglieder eines lediglich nach § 21 Abs. 2 FlurbG gewählten Vorstandes normalerweise sowohl von der Sache her, als auch aus persönlichen Gründen bei dieser Aufgabe überfordert wären. Der nach den Vorschriften des Flurbereinigungsgesetzes gewählte Vorstand besteht in aller Regel aus Personen, die seIbst Verfahrensteilnehmer sind und regelmäßig auch nicht die Sachkenntnis mitbringen, die zur Bestimmung einer Abfindung erforderlich ist. Bei einem nicht besonders zusammengesetzten und fachkundig geleiteten Vorstand wäre ein Einfließen von subjektiven und damit nicht mehr sachgerechten Überlegungen nicht auszuschließen.
Ähnliches gilt für die Ermittlung des Flächenbeitrags nach § 47 FlurbG. Hier spielen zwar subjektive Momente bei den einzelnen Vorstandsmitgliedern weniger eine Rolle, da der einmal gefundene Maßstab grundsätzlich für alle gilt. Es ist aber dem Vorstand der Teilnehmergemeinschaft normalerweise von der Sache her nicht möglich, die teilweise komplizierte Rechnung nachzuvollziehen. Außerdem fehlt dem einzelnen Vorstandsmitglied in der Regel der ÜberbIick dafür, wie hoch der von den Teilnehmern aufzubringende Anteil für unvorhergesehene Zwecke, für Mißformen und zum Ausgleich erhöht werden muß, um die Basis für die Gestaltung wertgleicher Abfindung zu schaffen.
In welcher Weise die bei einem Flurbereinigungsverfahren aufkommenden Restflächen (das sog. Frei- oder Masseland) zu verwerten sind, ist, entgegen der Meinung der Klägerin, im Flurbereinigungsgesetz genau geregelt. Diese Regelung sieht ebenfalls keine Mitwirkung der Teilnehmergemeinschaft vor. Zwar nennt § 54 Abs. 2 FlurbG lediglich das infolge von Geldabfindungen und nach § 46 zur Abfindung der Teilnehmer nicht benötigte Land, weil das Gesetz grundsätzlich davon ausgeht, daß die Abzüge nach § 47 FlurbG für die dort beschriebenen Zwecke auch restlos verwendet wird. Es ergibt sich jedoch ohne weiteres aus der ratio legis, daß auch ein etwaiger Rückstand aus der nach § 47 gewonnenen Masse nach der Vorstellung des § 54 Abs. 2 zu verwerten ist. Wie das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluß vom 9. Juli 1964 (RdL 1964 S. 328) zu Recht entschieden hat, ist es unzulässig, daß die Flurbereinigungsbehörde den Flächenbeitrag ohne genaue Berechnungen willkürlich festsetzt oder einen gewissen Prozentsatz vorweg aus der Masse der in das Verfahren eingebrachten Flurstücke ausscheidet. Es ist vielmehr von dem für die Erschließung des Flurbereinigungsgebietes erforderlichen Bedarf auszugehen, wobei sich zwar der Flächenbedarf für die gemeinschaftlichen und öffentlichen Anlagen genau berechnen läßt. Andererseits wird sich jedoch der Bedarf für unvorhergesehene Zwecke für Mißformen und zum Ausgleich nicht mit der gleichen Genauigkeit ermitteln lassen. In der genannten Entscheidung geht daher auch das Bundesverwaltungsgericht davon aus, daß es vertretbar erscheine, den Flächenbeitrag "mäßig" zu erhöhen, damit Land zur Verfügung steht, um etwaigen Planbeschwerden leichter abhelfen zu können, da sich die Belastung des Teilnehmers durch diesen Abzug in der Regel immer noch im Rahmen der gesetzlich zulässigen Vorteilsausgleichung hält. Aufgrund dieses Umstandes wird sich daher in der Regel nicht ausschließen lassen, daß auch aus dem Aufkommen nach § 47 FlurbG gewisse Reste zurückbleiben, die ebenfalls "in einer dem Zweck der Flurbereinigung entsprechenden Weise oder für Siedlungszwecke" verwendet werden müssen. Die Klägerin hat im übrigen auch nicht das Vorhandensein von Masseland bemängelt, sondern im Gegenteil möglichst viel Masseland erhalten wollen, um - wie der Vorsitzende der Teilnehmergemeinschaft in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat - dieses zur Versteigerung zu bringen.
Aus der gesetzlichen Regelung des § 54 Abs. 2 FlurbG ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, daß eine Verwertung des Masselandes in einer dem Zweck der Flurbereinigung entsprechenden Weise oder für Siedlungszwecke ausschließlich Sache der Flurbereinigungsbehörde ist. Es gelten hier bezüglich einer Mitwirkung der Teilnehmergemeinschaft die gleichen Grundsätze, wie sie für die Gestaltung der Einzelabfindung und für die Errechnung des Flächenbeitrags beschrieben sind. Eine Mitwirkungsmöglichkeit und ein Mitwirkungsrecht entsteht für die Teilnehmergemeinschaft in diesem Zusammenhang nur insoweit, als die Flurbereinigungsbehörde für einzelne Reststücke keine Notwendigkeit oder keine Möglichkeit zu einer Verwendung im Sinne von § 54 Abs. 2 FlurbG sieht. In einem solchen Falle ist der Vorstand über die weitere Verwendung zu hören (§ 25 Abs. 2 FlurbG) und im Rahmen dieser weiteren Verwendung mit einzuschalten (§ 18 Abs. 1 Satz 1 FlurbG). In diesen Fällen kommt es dann in der Regel zu sog. Versteigerungen, die in Wirklichkeit lediglich eine besondere Art der Verteilung darstellen.
Im vorliegenden Falle hat die Flurbereinigungsbehörde mittels Inanspruchnahme von Masseland eine von ihr als begründet angesehene Beschwerde eines Verfahrensteilnehmers abgeholfen. Sie hat damit einen Teil dieses Masselandes in gesetzlich zulässiger Weise verwendet. Ob der Klägerin dadurch überhaupt ein finanzieller Schaden entstanden ist (die ihr als Ersatz gegebenen Austauschpläne können im Verfahren M. verwertet werden), mag dahinstehen, da der Teilnehmergemeinschaft auch eine durch Verlegung von Masseland bedingte Wertminderung zumutbar wäre, weil diese Wertminderung nichts anderes darstellen würde, als die Verwertung von Masseland zum Zwecke der Flurbereinigung. Die Verlegung in ein anderes, zeitlich parallel bearbeitetes Flurbereinigungsgebiet ist zulässig (§ 44 Abs.6 FlurbG).
Die Bedenken der Klägerin, daß im Falle einer Unzulässigkeit von Beschwerde und Klage keine ausreichende Kontrolle der behördlichen Tätigkeit gewährleistet sei, trifft nicht zu. Es ist nicht Aufgabe der Teilnehmergemeinschaft, die Wertgleichheit der einzelnen Abfindungen mitsichern zu helfen, weil es jeder einzelne Planempfänger in der Hand hat, seine Abfindung im Rechtsmittelverfahren auf ihre Wertgleichheit kontrollieren zu lassen. Das gleiche gilt für den Flächenabzug nach § 47 FlurbG. Auch hier ist es Sache des einzelnen Verfahrensteilnehmers, Bedenken gegen die Höhe des Flächenbeitrages vorzubringen. Hinsichtlich der Verwertung des Masselandes werden, soweit es sich um Flächen handelt, die gem. § 52 angekauft worden sind, die Rechte einzelner Teilnehmer und die Rechte der Teilnehmergemeinschaft als ganzes überhaupt nicht berührt. Letzteres jedenfalls dann nicht, wenn im Zuge der Verwertung mindestens die gleichen Preise erzielt werden, wie sie beim Erwerb gezahlt worden sind. Die Teilnehmergemeinschaft tritt insoweit lediglich als Trägerin des Durchgangserwerbs auf und erfüllt damit eine ihr vom Gesetz zugedachte Aufgabe.Anmerkung
Vgl. Flurbereinigungsgericht Kassel, Urteil vom 30.1.1973 - III F 315/69