Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 06.07.1989 - 5 C 13.86

Aktenzeichen 5 C 13.86 Entscheidung Urteil Datum 06.07.1989
Gericht Bundesverwaltungsgericht Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Der flurbereinigungsrechtliche Rechtsschutz verliert nicht an Effektivität im Sinne von Art. 19 Abs. 4 GG, wenn die mit der vorläufigen Besitzeinweisung verbundenen Wirkungen sich über die Dauer eines Jahres erstrecken und innerhalb Jahresfrist ein Anhörungstermin nach § 59 Abs. 2 FlurbG weder vorgesehen noch bekanntgemacht noch abgehalten wird.
2. Eine Begrenzung des Zeitrahmens zwischen Anordnung der vorläufigen Besitzeinweisung und Bekanntgabe des Flurbereinigungsplanes sowie Anhörungstermin auf ein Jahr ist unter dem Gesichtspunkt von Art. 14 GG nicht erforderlich, weil die vorläufige Besitzeinweisung keine enteignungsrechtlichen Vorwirkungen entfaltet (Fortführung der Rechtsprechung im Urteil vom 23.06.1988 - 5 C 1.86 = RzF - 33 - zu § 65 FlurbG).

Aus den Gründen

Die Effektivität des flurbereinigungsrechtlich gewährten Rechtsschutzes wird auch nicht durch die Nichteinhaltung der angeführten Jahresfrist zwischen der vorläufigen Besitzeinweisung und dem Anhörungstermin nach § 59 Abs. 2 FlurbG in Frage gestellt. Das Verfahrensgrundrecht des Art. 19 Abs. 4 GG garantiert nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern auch die Effektivität des Rechtsschutzes; der Bürger hat danach einen substantiellen Anspruch auf eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle (BVerfGE 35, 263 (274)). Die aufgezeigte flurbereinigungsgerichtliche Kontrolle verliert nicht dadurch an Effektivität, daß die mit der (gerichtlich bestätigten) vorläufigen Besitzeinweisung verbundenen Wirkungen sich über die Dauer eines Jahres erstrecken, wenn innerhalb dieser Spanne - vom Ergehen der vorläufigen Besitzeinweisung an gerechnet - ein Anhörungstermin nach § 59 Abs. 2 FlurbG weder vorgesehen noch bekanntgemacht ist noch abgehalten wird.

Damit stimmt überein, daß die gegen das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 23.06.1988 - BVerwG 5 C 1.86 - erhobene Verfassungsbeschwerde vom Bundesverfassungsgericht nicht zur Entscheidung angenommen worden ist (Beschluß vom 07.11.1988 - 1 BvR 1413/88).

Die gegen die vorläufige Besitzeinweisung weiter erhobene Rüge, daß die Gewährleistung des Grundrechts aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG vom Flurbereinigungsgericht nicht beachtet worden sei, greift ebenfalls nicht durch. Das Flurbereinigungsgericht hat unter Bezugnahme auf die angeführte Rechtsprechung (BVerwGE 8, 95/96; 69, 183/186; BGHZ 63, 81/84) bereits darauf hingewiesen, daß das streitgegenständliche Verfahren nach § 1, § 4 und § 37 FlurbG durchgeführt und bei richtiger Anwendung der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen der Tatbestand der Enteignung nicht verwirklicht wird. Dem ist beizupflichten (vgl. BVerwGE 80, 340 (341) m. w. N.). Wenn aber dem mit der Planverwirklichung einhergehenden Substanzaustausch nach § 68 Abs. 1 Satz 1 FlurbG keine enteignungsrechtliche Wirkung zukommt, dann kann die vorläufige Besitzeinweisung, deren rechtliche Wirkungen mit der Ausführung des Flurbereinigungsplanes (§ 61 und § 63 FlurbG) nach § 66 Abs. 3 FlurbG enden, auch keine enteignungsrechtlichen Vorwirkungen entfalten. Daß etwaige mit der vorläufigen Besitzeinweisung eintretende Nutzungsbeeinträchtigungen ausgeglichen werden müssen, insbesondere wenn es sich dabei um mit Mängeln behaftete Grundstücke handelt, die die Wertgleichheit der Abfindung vorübergehend berühren, ist in der Rechtsprechung des Senats anerkannt (BVerwGE 66, 47 (49 f.) m. w. N.). Derartige Nutzungsbeeinträchtigungen können deshalb enteignungsrechtlichen Vorwirkungen nicht gleichgesetzt werden. Von daher kann auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 14 GG nicht gefordert werden, den Zeitrahmen zwischen Anordnung der vorläufigen Besitzeinweisung und Bekanntgabe des Flurbereinigungsplanes sowie Anhörungstermin auf ein Jahr zu begrenzen, wie es der Klägerin vorschwebt.