Bundesgerichtshof, Urteil vom 15.05.1986 - III ZR 241/84 = NJW 1987 S. 491= AgrarR 1987 S. 52= RdL 1986 S. 262= DVBl. 1986 S. 1266
Aktenzeichen | III ZR 241/84 | Entscheidung | Urteil | Datum | 15.05.1986 |
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Gericht | Bundesgerichtshof | Veröffentlichungen | = NJW 1987 S. 491 = AgrarR 1987 S. 52 = RdL 1986 S. 262 = DVBl. 1986 S. 1266 | Lieferung | N/A |
Leitsätze[Quelltext bearbeiten]
1. | Dem Teilnehmer eines Flurbereinigungsverfahrens steht kein Wahlrecht derart zu, daß er im Flurbereinigungsverfahren von einer Anfechtung ihn rechtswidrig belastender Maßnahmen folgenlos absehen und sich auf einen Schadensersatzanspruch wegen Amtspflichtverletzung beschränken darf. |
2. | Ein Teilnehmer kann im Wege der Amtshaftungsklage nicht Ersatz von Aufwendungen für die Wiederherstellung eines aufgrund falscher Planung abgerutschten Weinbergs verlangen. |
Aus den Gründen
Die Zielsetzung des Flurbereinigungsgesetzes und die umfassende rechtsgestaltende Wirkung, die das Gesetz dem Flurbereinigungsplan beilegt, schließen es aus, daß ein Beteiligter von der Anfechtung einer ihn belastenden Maßnahme mit den im Flurbereinigungsgesetz vorgesehenen Rechtsmitteln in dem dort geregelten Verfahren absehen und die Rechtmäßigkeit der Maßnahme - ungeachtet ihrer Unanfechtbarkeit nach dem Flurbereinigungsgesetz - im Rahmen einer Amtshaftungsklage vor dem ordentlichen Gericht zur Nachprüfung stellen kann.
Die Beseitigung der Felsrippe ist in Ausführung des Flurbereinigungsplans vorgenommen worden. Dieser Annahme steht nicht entgegen, daß die Maßnahme nicht konkret im Flurbereinigungsplan angesprochen worden ist. Die zur Ausführung des Flurbereinigungsplans erforderlichen technischen Maßnahmen brauchen nicht bereits in dem Plan selbst in allen Einzelheiten festgelegt zu werden; sie zu bestimmen kann der für die Herstellung der gemeinschaftlichen Anlagen zuständigen Teilnehmergemeinschaft im Rahmen der Planausführung überlassen werden (BVerwGE 57, 31).
Der Plan faßt eine Vielzahl von einzelnen Verwaltungsakten, die gegen eine Vielzahl von Beteiligten ergehen, zusammen. Soweit ein Beteiligter durch einen dieser Verwaltungsakte betroffen wird, steht ihm ein Beschwerderecht zu (BVerwG, RdL 1960, S. 189; Seehusen-Schwede, FlurbG, § 58 RdNr. 2).
Durch die Feststellung des Flurbereinigungsplans wird die Zulässigkeit des Vorhabens einschließlich der notwendigen Folgemaßnahmen an anderen Anlagen im Hinblick auf alle von ihm berührten öffentlichen Belange festgestellt; neben der Planfeststellung sind andere behördliche Entscheidungen, insbesondere öffentlich-rechtliche Genehmigungen, Verleihungen, Erlaubnisse, Bewilligungen, Zustimmungen und Planfeststellungen nicht erforderlich. Durch die Planfeststellung werden alle öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger des Vorhabens und den durch den Plan Betroffenen rechtsgestaltend geregelt. Das ist jetzt in § 41 Abs. 5 FlurbG n. F. ausdrücklich bestimmt; doch war dies schon unter der Geltung des früheren § 41 FlurbG - der für den Flurbereinigungsplan vom 21.11.1971 maßgebend war - anerkannt (Steuer, FlurbG, § 41 Anm. 1). Nachdem dieser Plan unanfechtbar geworden war, gab er die verbindliche Grundlage für seine Ausführung ab. Der Anspruch auf wertgleiche Abfindung nach Maßgabe des § 44 FlurbG wird für den Teilnehmer durch den Flurbereinigungsplan so konkretisiert, wie er sich aus dem Abzug ergibt, der die neuen Grundstücke nach Fläche und Wert sowie das Verhältnis seiner Gesamtabfindung zu dem von ihm Eingebrachten nachweist (§ 59 Abs. 3 FlurbG). Wird - wie hier - diese Planabfindung nicht beanstandet, dann ist der auf wertgleiche Abfindung gerichtete Anspruch verwirklicht und eine nachträgliche Abänderung oder Erweiterung grundsätzlich unzulässig (vgl. BVerwG, RzF - 8 - zu § 149 Abs. 1 FlurbG). Unanfechtbare behördliche Festsetzungen und Feststellungen in einem vorausgegangenen Verfahrensabschnitt sind im Flurbereinigungsverfahren den darauf aufbauenden Entscheidungen in den nachfolgenden Stadien als rechtswirksam und verbindlich zugrunde zu legen. Das bedeutet hier, da die Kl. weder den Flurbereinigungsplan noch die Ausführungsanordnung und ihre Durchführung oder die Schlußfeststellung angegriffen hat, daß das Flurbereinigungsverfahren für die Kl. dem Gesetz entsprechend sein Ende gefunden hat.
Die Kl. verlangt Ersatz der Aufwendungen für die Wiederherstellung des Weinbergs und für den Einbau von Stahlbetonpfählen, die ein erneutes Abrutschen des Weinbergs verhindern sollen, sowie die Erstattung von Gutachterkosten. Dieses Begehren kann sie jedoch nicht im Wege einer Amtshaftungsklage, sondern nur mit den im Flurbereinigungsverfahren vorgesehenen Rechtsbehelfen geltend machen.
Die Felsrippe ist in Ausführung des Wege- und Gewässerplans, der ein wesentlicher Bestandteil des Flurbereinigungsplans ist (§ 58 Abs. 1 Satz 2 FlurbG), als bodenverbessernde Maßnahme beseitigt worden. Daß auf die Beseitigung der Felsrippe - wie die Kl. annimmt - das Abrutschen ihres Weinbergs zurückzuführen sei, hat der gerichtliche Sachverständige bestätigt. Er hat in seinem Gutachten ausgeführt, infolge der Beseitigung der Felsrippe könne das Grundwasser jetzt der Fallinie der Böschung ungehindert folgen; das habe mit großer Wahrscheinlichkeit die Rutschung ausgelöst.
Danach hat es nicht an einer mangelhaften Ausführung des Plans gelegen, daß diese Ausbaumaßnahme nicht zu der erstrebten Bodenverbesserung (einer leichteren Bewirtschaftung eines abrutschfesten Weinbergs) geführt hat. Vielmehr ist die falsche Planung selbst, die eine Beseitigung der Rippe anordnet, für das Abrutschen des Weinbergs - und damit für den von der Kl. erlittenen Schaden - ursächlich gewesen.
Gegen die falsche Planung von Bodenverbesserungsmaßnahmen muß ein Bet. Widerspruch gegen den Wege- und Gewässerplan anbringen (§ 59 Abs. 2 FlurbG) und - notfalls im Wege der Klage vor dem Flurbereinigungsgericht - eine Änderung des Flurbereinigungsplans anstreben (BVerwGE 21, 93 (97); BVerwG, RdL 1965, S. 242 und 1979, S. 51; Seehusen-Schwede, FlurbG, § 61 RdNr. 9; Haselhoff, RdL 1986, 1). Wird der im - geänderten - Plan vorgesehene Ausbau dann nicht durchgeführt, so muß der Bet. eine Leistungsklage (sog. Ausbauklage) beim Flurbereinigungsgericht anbringen (BVerwGE 57, 31 (33); Seehusen-Schwede, § 61 RdNr. 10). Auch das Begehren der Kl., das letztlich auf die (Wieder-)Herstellung eines abrutschfesten Weinbergs abzielt, hätte im Flurbereinigungsverfahren verfolgt werden müssen.
Das Flurbereinigungsverfahren steht unter dem Gebot größtmöglicher Beschleunigung der Verfahren. Diesem leitenden Grundsatz, der in verschiedenen Vorschriften des Gesetzes sowohl für das Verwaltungsverfahren als auch für das gerichtliche Verfahren seinen Niederschlag gefunden hat, dient u. a. die Durchführung des Verfahrens in einzelnen Verfahrensabschnitten. Sie werden jeweils durch entsprechende Entscheidungen abgeschlossen, gegen die den einzelnen Teilnehmern Rechtsmittel mit verhältnismäßig kurzen Rechtsmittelfristen zustehen. Diese Regelung soll im Interesse aller Bet. verhindern, daß die im Flurbereinigungsplan getroffene Neuordnung des Flurbereinigungsgebietes, die für die Bet. und die Behörden verbindlich ist, noch nach längerer Zeit wieder umgestoßen werden kann (BVerwGE 21, 93 (94 f.)). Durch den unanfechtbar gewordenen Flurbereinigungsplan werden alle öffentlich-rechtlichen Beziehungen zwischen dem Träger des Vorhabens und den durch den Plan Betr. rechtsgestaltend geregelt.
Wegen dieser Zielsetzung des Flurbereinigungsgesetzes und der umfassenden rechtsgestaltenden Wirkung, die das Gesetz dem Flurbereinigungsplan beilegt, kann daher kein Wahlrecht eines Bet. derart anerkannt werden, daß er im Flurbereinigungsverfahren ihn rechtswidrig belastende Maßnahmen folgenlos hinnehmen und sich auf einen Schadensersatz wegen Amtspflichtverletzung beschränken darf. Soweit das Flurbereinigungsgesetz dem Bet. die Möglichkeit eröffnet, ihn belastende Maßnahmen zu bekämpfen und bereits erlittene Nachteile beheben zu lassen, muß er davon in den vom Gesetz vorgesehenen verwaltungs- und flurbereinigungsgerichtlichen Verfahren Gebrauch machen.
Im Streitfall hat die Kl. den Wege- und Gewässerplan mit den im Flurbereinigungsgesetz vorgesehenen Rechtsbehelfen nicht angefochten. Sie hat sich auch nicht gegen die Schlußfeststellung vom 29.11.1979 gewandt. Nun ist allerdings der Weinberg erst Ende 1979 abgerutscht und erst danach hat die Kl. (durch Gutachten) erfahren, daß das Abrutschen auf die Beseitigung der Felsrippe zurückzuführen sei. Zu dieser Zeit war zwar die zweiwöchige Widerspruchsfrist (§ 141 Abs. 1 FlurbG) verstrichen. Gleichwohl wäre es der Kl. möglich gewesen, ihr Begehren - soweit es die Wiederherstellung des Weinbergs, die Durchführung von Sicherungsarbeiten und Gutachterkosten betrifft - im Flurbereinigungsverfahren geltend zu machen. Es entspricht einem allgemeinen - auch im Flurbereinigungsverfahren anerkannten - Rechtsgrundsatz, daß die Versäumung einer Ausschlußfrist sich dann nicht zum Nachteil des Säumigen auswirken darf, wenn dieser die Säumnis nicht zu vertreten hat. In einem solchen Fall ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand oder Nachsicht zu gewähren (vgl. § 134 Abs. 2 FlurbG; Binz, RdL 1962, 2). Allerdings muß der Säumige seine Einwendungen innerhalb einer angemessenen Frist nachholen (vgl. dazu BVerwGE 42, 92 (97)).
Die Kl. kann daher im Wege der Amtshaftungsklage Ersatz der Aufwendungen für die Wiederherstellung des Weinbergs auch für den Einbau von Eisenbetonpfählen sowie die Erstattung von Gutachterkosten nicht verlangen.