Flurbereinigungsgericht Kassel, Urteil vom 30.04.1974 - III F 11/72 = RdL 1974 S. 296

Aktenzeichen III F 11/72 Entscheidung Urteil Datum 30.04.1974
Gericht Flurbereinigungsgericht Kassel Veröffentlichungen RdL 1974 S. 296  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Die Klage kann im Falle der Nichtbescheidung bereits vor Beginn der Dreimonatsfrist erhoben werden.
2. Zur Frage, in welchem Umfang in einem Einzelfall neben der Anfechtung der Schlußfeststellung auch noch der Flurbereinigungsplan zulässigerweise mit dem Ziel einer Änderung der Abfindung des Klägers angegriffen werden kann.
3. Zur Frage, wie sich das Fehlen einer auf die Klagemöglichkeit nach § 142 Abs. 3 FlurbG gerichteten Rechtsmittelbelehrung auswirkt.

Aus den Gründen

Die Klage ist zulässig.

Soweit sie sich gegen die Schlußfeststellung - Ziffer 1 des Klageantrags - wendet, ist sie nach dem erforderlichen Vorverfahren (§ 141 FlurbG) form- und fristgerecht erhoben.

Auch der Teil der Klage, der auf eine Änderung des Flurbereinigungsplanes abzielt - Ziffer 2 des Klageantrages - ist zulässig. Die unter Ziffer 2 des Klageantrages berücksichtigten Beschwerdepunkte, die auf eine Änderung des Flurbereinigungsplanes zielen, also die Aufnahme gewisser Verpflichtungen in den Flurbereinigungsplan und damit auch deren Erfüllung durchsetzen wollen, sind - was die Punkte a), b), d) und e) angeht, in der Beschwerdeschrift vom 25.1.1972 am 27.1.1972 beim HALK M. vorgebracht worden. Zwar hätte über sie nach der Regelung gemäß § 141 Abs. 4 FlurbG in Verbindung mit §§ 2 - 10 HessAG z. FlurbG die Spruchstelle für Flurbereinigung entscheiden müssen. Das Landeskulturamt Hessen als allgemein zuständige Obere Flurbereinigungsbehörde war nur soweit zur Entscheidung befugt, als die Beschwerdeschrift vom 25.1.1972 sich gegen die Schlußfeststellung wandte. Soweit darüber hinaus der Sache nach - wenn auch nicht ausdrücklich - noch zusätzlich die Abänderung des Flurbereinigungsplanes verlangt wurde, blieb dies der Spruchstelle vorbehalten. Diese hat jedenfalls bis zum 27.1.1973 nicht über die fraglichen Beschwerdepunkte entschieden, weil die Beschwerde im inneren Geschäftsverkehr nicht an die Obere Flurbereinigungsbehörde weitergegeben worden war. An der Zulässigkeit der Klage ändert sich aber nichts, weil die Beschwerde jedenfalls ordnungsgemäß durch Einlegung bei der Flurbereinigungsbehörde, die sie - wie alle Anträge und Beschwerden gegen von ihr erlassene Verwaltungsakte - entgegenzunehmen hatte, erhoben worden ist. Demzufolge war den Klägern vom 27.1.1973 an auf drei Monate gemäß § 142 Abs. 3 FlurbG die Anfechtungsklage eröffnet. Daß diese in der Tat schon am 19.4.1972 erhoben wurde, machte sie zu jenem Zeitpunkt noch unzulässig. Aber nach Ablauf der in § 142 Abs. 3 FlurbG genannten Jahresfrist seit Beschwerdeerhebung, der am 27.1.1973 eintrat, war dieser Mangel geheilt. Das Flurbereinigungsgesetz verlangt nicht, daß die Klageerhebung innerhalb der Dreimonatsfrist des § 142 Abs. 3 FlurbG erfolgt, sondern nur, daß sie vor Ablauf dieser letzteren Frist erfolgt ist.

Da die Spruchstelle für Flurbereinigung über die Anlegung eines Wegeseitengrabens durch ihren Bescheid nicht befunden hat, ist die Klagemöglichkeit gemäß § 142 Abs. 3 FlurbG für die Kläger noch zum Zeitpunkt der Klageerhebung offen gewesen. Sie ist jedenfalls nicht nach Ablauf von einem Jahr und weiteren drei Monaten (vgl. Fristen bei Planbeschwerden in § 142 Abs. 3) - also am 21.9.1969 - beseitigt gewesen. Für § 48 Abs. 2 MRVO, der eine gleichartige Regelung wie § 142 Abs. 3 FlurbG enthält, hat das BVerwG entschieden, daß die Frist zur Erhebung der Klage (= 6-Monatsfrist statt 3-Monatsfrist bei § 142 Abs. 3 FlurbG) nicht zu laufen beginnt, sofern es an einer entsprechenden Rechtsmittelbelehrung fehlt (BVerwGE 1, 88 ff.). Wenn das BVerwG später unter der Geltung der VwGO zu § 76 VwGO, der im flurbereinigungsgerichtlichen Verfahren nicht anzuwenden ist (vgl. BVerwG, Beschl. v. 1.6.1967 - IV C B 33.67 "RzF - 1 - zu § 142 Abs. 3 FlurbG"), zu der Rechtsauffassung kommt, daß die Jahresfrist des § 76 VwGO auch mit der Einlegung eines Widerspruchs zu laufen beginnt, sofern es an einer entsprechenden Rechtsmittelbelehrung fehlt (BVerwGE 26, 54 ff.), dann hat es dennoch eingeräumt, daß es bei Anwendung des § 48 Abs. 2 Satz 2 MRVO 165 und § 42 Abs. 2 Satz 2 VGG sich um eine andere Rechtslage handele, die zur Entscheidung BVerwGE 1, 88 geführt habe (vgl. BVerwGE 26, 54 ff. (57 letzter Absatz)). Damit bleibt es auch für den nach Inkrafttreten der VwGO unverändert gebliebenen § 142 Abs. 3 FlurbG dabei, daß es einer besonderen Rechtsmittelbelehrung bedurfte (so auch Seehusen Schwede-Nebe, FlurbG, 2. Aufl. § 142 Anm. 3). Damit konnte, weil den Klägern erst frühestens mit Bescheid vom 4.4.1972 wegen des fraglichen Beschwerdepunktes (= Klageantrag Ziff. 2 Buchst. c) eine Rechtsmittelbelehrung erteilt wurde, jedenfalls vor Ablauf derselben wegen dieses Beschwerdepunktes Anfechtungsklage zulässig erhoben werden.

Hinsichtlich des Klageantrages zu 2) fehlt es an der Zulässigkeit auch nicht, soweit die Frage nach der Zulässigkeit der Beschwerden als Klagevoraussetzung zu stellen ist. Die Beschwerde, die mit dem Klageantrag Nr. 2 c) und d) korrespondiert, ist ohnehin formgerecht bereits im Anhörungstermin nach § 59 FlurbG erhoben worden und hat ihre Zulässigkeitsvoraussetzungen seitdem nicht verloren. Die mit den Klageanträgen Nr. 2 a) und e) korrespondierenden Beschwerden gegen die Abfindung sind zwar nicht im Anhörungstermin, sondern im Zusammenhang mit der Beschwerde gegen die Schlußfeststellung letztmalig vorgebracht worden und wurden mit einem Schreiben des Prozeßbevollmächtigten der Kläger vom 31.7.1970 erstmalig vorgetragen. In dem von der Vorlage des Flurbereinigungsplans im Juli 1968 bis zu jenem Tage reichenden Zeitraum war den Klägern das Beschwerderecht aber nicht verlorengegangen. Der Senat ist nämlich der Auffassung, daß die Kläger insofern gemäß § 134 FlurbG Nachsichtgewährung beanspruchen konnten. Soweit die Sammlerleitung der Dränage im Grundstück Flur 2 Nr. 67 beanstandet wird, war es den Klägern erst von der durch die Planvorlage gesicherten Feststellung der ihnen zugedachten zukünftigen Eigentumsverhältnisse im Laufe einer gewissen Zeit möglich, die Auswirkung von Niederschlägen auf ihr Abfindungsgrundstück Flur 2 Nr. 67 zu beobachten. Daß die Kläger zweimal Schneeschmelze und Frühjahrsniederschläge abgewartet haben, entspricht unter diesen Umständen einer sachgerechten Wartezeit vor Erhebung der Beschwerde, die nicht durch das Verweisen der Kläger auf den § 59 FlurbG abgeschnitten werden kann. Gleiches gilt auch für die vom Kläger begehrte Befestigung des Weges Flur 4 Nr. 43, dessen praktische Erprobung bei Berücksichtigung der während der Ortsbesichtigung vorgefundenen wegen starker Hangneigung schwierigen Geländeverhältnisse erst voll in diesem Zeitraum stattfinden konnte.