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Aktuelle Version vom 2. August 2021, 12:48 Uhr


Flurbereinigungsgericht München, Urteil vom 10.05.1972 - 42 XII 71

Aktenzeichen 42 XII 71 Entscheidung Urteil Datum 10.05.1972
Gericht Flurbereinigungsgericht München Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Im Rahmen des übertragenen Aufgabenkreises steht der Teilnehmergemeinschaft keine Klage gegen Planänderung durch den Spruchausschuß zu.
2. Ein Rechtsschutzbedürfnis der Teilnehmergemeinschaft besteht nur bei Flächen, die für die Herstellung gemeinschaftlicher Anlagen, also für Zwecke der Teilnehmer (§ 39 FlurbG), vorgesehen waren, nicht jedoch für Flächen, die im öffentlichen Interesse (§ 40 FlurbG) bereitgestellt wurden.
3. Zum Begriff des Masselandes.

Aus den Gründen

1. Die Teilnehmergemeinschaft ficht mit der Klage den auf die Beschwerde der Teilnehmer B. ergangenen Beschwerdebescheid des Spruchausschusses bei der Flurbereinigungsdirektion R, vom 15.2.1972 insoweit an, als darin das Reservegrundstück 285 durch Neuausweisung eines Flurstücks 287 verkleinert und dafür aus einem im Flurbereinigungsgebiet A. gelegenen Abfindungsgrundstück der Teilnehmer B. ein dem Wertverhältnis entsprechendes Reservegrundstück ausgewiesen wurde. Nach § 42 VwGO ist die Anfechtungsklage nur gegeben, wenn der Kläger geltend macht, durch den angefochtenen Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu werden. Das bedeutet, daß die in der Klage aufgestellten tatsächlichen Behauptungen nach Rechtslage eine Verletzung der Rechte des Klägers möglich erscheinen lassen müssen. Der Kläger muß einen Sachverhalt der gerichtlichen Nachprüfung unterbreiten, der eine Verletzung seiner Rechte durch den angefochtenen Verwaltungsakt ergeben kann (so BVerwG, Urteil vom 30.10.1963, DVBl. 1964/191). Es fragt sich also, ob die Verkleinerung oder Verlegung von Reserveland die rechtlichen Interessen der Teilnehmergemeinschaft beeinträchtigen kann.

2. Die Bezeichnung "Masseland" findet sich im Flurbereinigungsgesetz nicht. Es handelt sich um einen flurbereinigungstechnischen Ausdruck für Flächen aus der Verteilungsmasse, über deren Verwendung im Flurbereinigungsplan aus irgendeinem Grund zunächst nicht entschieden wurde, die daher im Plan vorläufig der Teilnehmergemeinschaft zugewiesen werden (vgl. Steuer: Anm. 7 zu § 54 FlurbG). Jedoch sind diese Flächen dadurch nicht zur freien Verfügung der Teilnehmergemeinschaft gestellt. Sie dienen nicht etwa dazu, um durch freihändige Veräußerung die der Teilnehmergemeinschaft zur Last fallenden Ausführungskosten zu senken. Da im Flurbereinigungsplan die Abfindung der Teilnehmer, die gemeinschaftlichen Anlagen, die öffentlichen Anlagen (§ 58 FlurbG) und auch die Verwendung des zur Abfindung "nicht benötigten Landes" nach § 54 Abs. 2 FlurbG aufzunehmen sind, werden regelmäßig als Rücklage (Reserve) nur geringfügige Flächen verbleiben, die aus der Erhöhung des Abzugs für unvorhergesehene Zwecke (§ 47 Abs. 1, letzter Satz) stammen. Ihre Belassung rechtfertigt sich dadurch, daß gerade nicht vorhersehbar ist, ob im Beschwerde- und im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht noch Land zur Abhilfe berechtigter Klagen benötigt wird. Auch was nach Erledigung der Rechtsmittelverfahren bleibt, kann nicht von der Teilnehmergemeinschaft beliebig verwendet werden. Vielmehr ist darüber in einer dem Zweck der Flurbereinigung entsprechenden Weise zu verfügen. Mangels ausdrücklicher Regelung durch den Gesetzgeber ist in entsprechender Anwendung der Vorschrift des § 54 Abs. 2 FlurbG zu verfahren, die einen gleichgelagerten Sachverhalt regelt (so auch Flurbereinigungsgericht Koblenz: Urteil vom 1.4.1970, IK 1971.143 = RzF - 4 - zu § 18 Abs. 1 FlurbG; Urteil vom 31.08.1961, RzF - 1 - zu § 54 Abs. 2 FlurbG). Die endgültige Bestimmung der Eigentümer der Reservegrundstücke erfolgt in einem Nachtrag zum Flurbereinigungsplan (Steuer: Anm. 9 zu § 54 FlurbG). Das Flurbereinigungsgesetz kennt keine andere Verfügungsmöglichkeit über die Verteilungsmasse, als durch Verwaltungsakt im Flurbereinigungsplan. Die Planänderungsbefugnis der oberen Flurbereinigungsbehörde nach § 64 FlurbG und des Flurbereinigungsgerichts nach § 144 FlurbG muß gerade auch in Bezug auf die Neuklage gewahrt bleiben, solange noch nicht alle Rechtsmittelverfahren abgeschlossen sind. Daraus folgt, daß die Teilnehmergemeinschaft regelmäßig kein Recht an den Reservegrundstücken hat, vielmehr verfügt über sie die "Flurbereinigungsbehörde" im Sinne des Flurbereinigungsgesetzes durch Verwaltungsakt. Planänderungen der oberen Flurbereinigungsbehörde, die die Neuklage betreffen, berühren keine rechtlich geschützten Interessen der Teilnehmergemeinschaft (ebenso Flurbereinigungsgericht Koblenz: Urteil vom 31.8.1961, a.a.O.).

Allerdings ist denkbar, daß die vorgesehene Zuweisung einer Fläche für eine gemeinschaftliche Anlage oder für eine öffentliche Anlage oder nach § 54 Abs. 2 FlurbG aus irgendwelchen Gründen bei Erlaß des Flurbereinigungsplans noch nicht bewerkstelligt werden kann, z.B. weil der Träger für eine öffentliche Anlage noch nicht feststeht. Auch solche Flächen mögen vorerst als Reserveland ausgewiesen werden, bis sie der beabsichtigten Verwendung zugeführt werden können. Ein rechtlich geschütztes Interesse der Teilnehmergemeinschaft daran, daß ihre Zweckbestimmung erhalten bleibt, könnte jedoch nur bei Flächen anerkannt werden, die für die Herstellung gemeinschaftlicher Anlagen, also für Zwecke der Teilnehmergemeinschaft, vorgesehen waren (§ 18 FlurbG). Ob die Bereitstellung für Anlagen des öffentlichen Interesses nach § 40 FlurbG aufrechterhalten bleiben soll, darüber entscheidet die Flurbereinigungsbehörde. Auch insoweit berühren Planänderungen der oberen Flurbereinigungsbehörde keine rechtlich geschützten Interessen der Teilnehmergemeinschaft.

3. Daß in Bayern durch Art. 3 AGFlurbG eine Reihe von Aufgaben der Flurbereinigungsbehörde, insbesondere die Erstellung des Flurbereinigungsplans, auf die Teilnehmergemeinschaft übertragen worden sind, ändert die Rechtslage nicht. Bei Ausführung dieser Aufgaben handelt der Vorstand der TeiInehmergemeinschaft als Behörde, nicht innerhalb des eigenen Aufgabenkreises, wie er sich vornehmlich aus § 18 Abs. 1, § 19 Abs. 1 FlurbG ergibt. Über die Beschwerden entscheidet die obere Flurbereinigungsbehörde gemäß § 141 Abs. 1 Satz 1 FlurbG, in Bayern gemäß Art. 29 AGFlurbG der Spruchausschuß, nicht die Flurbereinigungsbehörde gemäß § 18 Abs. 3 FlurbG. Im Rahmen des übertragenen Aufgabenkreises steht einer Körperschaft des öffentlichen Rechts keine Klage gegen den Widerspruchsbescheid der nächsthöheren Behörde zu.

4. Im vorliegenden Fall ist die Teilnehmergemeinschaft also zur Klageerhebung gegen den Beschwerdebescheid des Spruchausschusses selbst dann nicht befugt, wenn es sich bei der verlegten Fläche um nach § 40 FlurbG bereitgestelltes Land für Anlagen im öffentlichen Interesse gehandelt haben würde, wie behauptet wird. Daß die Fläche für eine noch zu erstellende gemeinschaftliche Anlage im Sinne der § 18, § 42 FlurbG ausgewiesen worden wäre, ist nicht vorgetragen. Die beabsichtigte Anlage eines Sportplatzes oder einer Liegewiese zählt zu diesen Anlagen nicht. Die Klage war daher mit der sich aus § 147 Abs. 1 FlurbG, § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzuweisen. Es erschien billig, die den Beigeladenen entstandenen Aufwendungen der unterlegenen Partei aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 VwGO).