Finanzgericht Brandenburg, Beschluss vom 20.04.1999 - 3 V 2575/98 GE = EFG 1999, 792

Aktenzeichen 3 V 2575/98 GE Entscheidung Beschluss Datum 20.04.1999
Gericht Finanzgericht Brandenburg Veröffentlichungen EFG 1999, 792  Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Unter die Befreiungsvorschrift des § 67 LwAnpG fallen sämtliche zur Durchführung des LwAnpG vorgenommenen Handlungen, also auch Vorbereitungsmaßnahmen zur Durchführung der Neuordnung von Boden- und Gebäudeeigentum.
2. Eine solche Vorbereitungsmaßnahme kann ein infolge Tauschplans folgenlos gebliebener Kaufvertrag sein.

Aus den Gründen

Unter die Befreiungsvorschrift des § 67 LwAnpG fallen nach einer in der Literatur vertretenen Auffassung sämtliche zur Durchführung des LwAnpG vorgenommenen Handlungen (vgl. Pahlke/Franz, Kommentar zum GrEStG, 1995, § 4 Tz. 56; Nies in Rechtshandbuch Vermögen und Investitionen in der ehemaligen DDR, Band 1, Stand: März 1993, Teil B, § 67 LwAnpG Tz. 1), und zwar auch die Veräußerung einzelner Wirtschaftsgüter (Pahlke/Franz, a.a.O., Tz. 57).

Aus dem glaubhaft gemachten Vorbringen des Antragstellers ergibt sich, dass die Agrargenossenschaft durch den Verkauf des Gebäudes an den Antragsteller liquide Mittel erhalten sollte, um die vermögensrechtliche Auseinandersetzung mit den aus der LPG ausgeschiedenen Mitgliedern zu führen. Außerdem sollte durch den Verkauf des betreffenden Reihenhauses eine bessere Verhandlungsposition gegenüber der damaligen Grundstückseigentümerin sowie eine Zusammenführung von Gebäudeeigentum und Grund und Boden über das Amt für Agrarordnung N... erreicht werden.

Handelt es sich danach um eine - jedenfalls in erster Linie - zur Durchführung des LwAnpG vorgenommene Handlung, so steht dem nicht entscheidend entgegen, dass es sich bei den oben genannten Maßnahmen nur um Vorbereitungsmaßnahmen zur Durchführung der Auseinandersetzung und der Neuordnung von Boden und Gebäudeeigentum gehandelt hat. Der Verkauf des streitigen Eigenheimes an den Antragsteller war nämlich für die Zusammenführung nach § 64 LwAnpG nicht notwendig, da die Agrargenossenschaft als Eigentümerin des betreffenden Gebäudes ebenso die entsprechende Neuordnung beantragen und erreichen konnte, wie dies bei den übrigen Reihenhäusern ausweislich des Tauschplanes auch der Fall war. Der gesonderte - schuldrechtliche - Verkauf eines Gebäudes ist zudem zulässig und wird von § 64 LwAnpG nicht erfasst (vgl. Rädler in Rädler/Raupach/Bezzenberger (Herausgeber), Vermögen in der ehemaligen DDR, Band III Teil 3 C, § 64 Tz. 325).

Allerdings wird es als problematisch angesehen, ob § 67 LwAnpG auch von der Umsatzsteuerpflicht befreit, wenn die LPG ihren Betrieb oder Betriebsteile veräußert (vgl. Rädler a.a.O., § 67 Tz. 342). Dies gilt hier aber nicht für die Frage der Befreiung von der Grunderwerbsteuer, weil die Besonderheit des vorliegenden Falles, die für die Anwendbarkeit von § 67 LwAnpG spricht, darin besteht, dass der Antragsteller als Hauptbeteiligter an dem Tauschverfahren - unter Umständen zu Recht - teilgenommen und dass er vor allem das Eigentum an dem Gebäude nicht unmittelbar aufgrund des zudem erst 1998 nach der GVO genehmigten und dann erst wirksam gewordenen Kaufvertrages vom 15.12.1993, sondern im Zuge des Tauschverfahrens durch Hoheitsakt erworben hat. Zwar hat die Agrargenossenschaft auf ihr dingliches Eigentum an dem Reihenhaus Nr. 58 durch die in dem genannten Kaufvertrag erklärte Auflassung nicht verzichtet, weil sie ihr Eigentumsrecht nicht aufgeben, sondern übertragen wollte, im Übrigen es an der Einreichung einer notariell beurkundeten Aufgabeerklärung beim Grundbuchamt - zumindest nach Lage der Akten - fehlt (vgl. dazu Artikel 233 § 4 Abs. 5 EGBGB in der Neufassung durch das 2. Vermögensrechtsänderungsgesetz). Weiterhin kann offen bleiben, ob die Aufgabe des Gebäudeeigentums tatsächlich in der von dem Antragsteller erwähnten, aber nicht vorgelegten Anlage III zum Tauschplan erklärt worden ist, obwohl in Ziff. 3.1 (Seite 4) des Tauschplanes der Antragsteller als Eigentümer des fraglichen Reihenhauses aufgeführt ist.

Maßgeblich ist aber zum einen, dass der Antragsteller als Anwartschaftsberechtigter antragsberechtigt für das Verfahren nach § 64 LwAnpG gewesen wäre. § 53 LwAnpG betrifft unter anderem die Wiederherstellung der Einheit von selbständigem Eigentum an Gebäuden und dem Eigentum an Grund und Boden. Aus § 64 LwAnpG folgt ferner, dass unter anderem der Gebäudeeigentümer den Antrag auf Einleitung des Tauschverfahrens nach § 54 LwAnpG stellen und damit ein Verfahren im Sinne des § 53 LwAnpG in die Wege leiten kann. Dem Gebäudeeigentümer steht entsprechend § 10 Flurbereinigungsgesetz ein Anwartschaftsberechtigter gleich (Nies a.a.O. § 53 LwAnpG Tz. 16). Hier hatte der Antragsteller, wie er zutreffend dargelegt hat, wegen der fehlenden Anlegung eines Gebäudegrundbuchblattes noch kein Sondereigentum an dem streitigen Reihenhaus vor dem 18.01.1995 erworben (vgl. Artikel 231 § 4 EGBGB). Aufgrund der in dem notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 15.12.1993 erklärten Auflassung hinsichtlich des streitigen Gebäudes hatte der Antragsteller lediglich eine Anwartschaft auf Übereignung des streitigen Eigenheimes erworben, weil der genannte Vertrag noch der Genehmigung nach der GVO bedurfte, dies auch für das Erfüllungsgeschäft, das heißt die Auflassung, galt, somit der Vertrag insgesamt als schwebend unwirksam anzusehen war.

Dahinstehen kann, ob der Antragsteller unter diesen Umständen als Anwartschaftsberechtigter in dem oben genannten Sinne anzusehen ist, wofür die durch die Auflassung eingetretene Bindungswirkung im Sinne des § 873 Abs. 2 BGB sprechen kann. Ausschlaggebend ist jedenfalls für das vorliegende summarische Verfahren, dass der Antragsteller, selbst wenn er zu Unrecht als Hauptbeteiligter in das Tauschverfahren einbezogen worden ist, das Eigentum an dem Gebäude und an dem Grund und Boden durch Hoheitsakt des Amtes für Agrarordnung N... erworben hat. Dies folgt aus § 55 Abs. 3 LwAnpG in Verbindung mit den § 103b Abs. 1 Satz 1, § 61 Flurbereinigungsgesetz. Auch in dem freiwilligen Landtausch nach dem LwAnpG vollziehen sich die Übereignungen ohne notarielle Mitwirkung durch Hoheitsakt der zuständigen Flurneuordnungsbehörde (vgl. auch Nies a.a.O. § 54 LwAnpG Tz. 6). Für das vorliegende Tauschverfahren gemäß den § 64, § 54, § 53 Abs. 3 LwAnpG ist in Brandenburg - soweit es um die Region M. geht - das Amt für Agrarordnung N... zuständig (§ 53 Abs. 4 LwAnpG; vgl. Nies a.a.O. § 53 LwAnpG Tz. 24).

Auch wenn der Antragsteller in dem Tauschplan zu Unrecht als Eigentümer des streitigen Reihenhauses bezeichnet worden ist, hat er dennoch außerhalb des Grundbuchs aufgrund des genehmigten und unterschriebenen Tauschplanes mit der Ausführungsanordnung des Amtes für Agrarordnung N... das Eigentum an dem betreffenden Grundstück nebst Gebäude erworben (vgl. auch Rädler a.a.O. § 55 LwAnpG Tz. 311). Unerheblich ist, ob der Antragsteller ausdrücklich als neuer Eigentümer des Gebäudes in dem Tauschplan angegeben ist, wofür die von dem Antragsteller erwähnte, aber nicht vorgelegte Anlage III spricht. Maßgeblich ist, dass der Antragsteller als Eigentümer von Reihenhaus Nr. 58 und dem dazugehörigen Grund und Boden in dem Tauschplan festgestellt ist und dass durch die Ausführungsanordnung des genannten Amtes nach § 55 Abs. 2 LwAnpG (vgl. die von dem Antragsteller eingereichte Eintragungsmitteilung des Amtsgerichts Z..., Seite 3) die neue Rechtslage, Eigentum des Antragstellers an dem streitigen Grundstück einschließlich Gebäude, eingetreten ist. Die Berichtigung des Grundbuchs auf Ersuchen des Amtes für Agrarordnung (§ 55 Abs. 2 Satz 2 LwAnpG) hat demgegenüber nur deklaratorische Bedeutung (Nies, a.a.O., § 55 LwAnpG, Tz. 14).

Ist nach alledem der Antragsteller infolge, der Ausführungsanordnung des Amtes für Agrarordnung N... Eigentümer des streitigen Reihenhauses geworden, so handelt es sich dabei um einen Erwerb im Rahmen des freiwilligen Landtausches und damit um eine Maßnahme zur Durchführung des LwAnpG. § 67 LwAnpG ist damit anwendbar, denn die durch diese Vorschrift geregelte Freistellung von Steuern soll gerade Maßnahmen der Bodenordnung erleichtern (vgl. auch Rädler, a.a.O., § 67, Tz. 343 unter Hinweis auf einen Beschluss des Bezirksgerichts Schwerin vom 29.04.1992).

Ohne Bedeutung ist schließlich, dass hier der Antragsteller und die Agrargenossenschaft zunächst unabhängig von einem Tauschverfahren den Kaufvertrag vom 15.12.1993 geschlossen haben, der wegen der noch fehlenden Genehmigung nach der GVO zunächst nur eine Anwartschaft auf die Übereignung des betreffenden Eigenheimes begründete. Eine isolierte grunderwerbsteuerliche Behandlung dieses Vorganges ist hier nicht möglich, weil der Kaufvertrag vom 15.12.1993 erst durch die Genehmigung im Jahre 1998 wirksam geworden ist, zu diesem Zeitpunkt aber aufgrund der bereits erfolgten Übereignung des Gebäudes infolge des Tauschplanes gegenstandslos war. Die Vereinigung von Anwartschaft auf das Eigentum an dem Gebäude und Eigentum selbst an dieser Sache in der Person des Antragstellers führt zum Erlöschen der oben beschriebenen Anwartschaft, weil diese nur darin besteht, dass während des Schwebezustandes gewisse "Vorwirkungen" eintreten. So sind die Parteien eines Kaufvertrages, der zu seiner Wirksamkeit noch einer behördlichen Genehmigung bedarf, bereits einander verpflichtet, alles Erforderliche zu tun, um diese Genehmigung herbeizuführen, und alles zu unterlassen, was die spätere Erfüllung des Vertrages verhindern müsste (siehe zum Beispiel Larenz, Allgemeiner Teil des Deutschen Bürgerlichen Rechts, 2. Auflage, § 23 VI Seite 404). Diese Vorwirkungen bestehen aber nur vorübergehend, das heißt bis zum Vollrechtserwerb. Um einen Fall der Konsolidation im Sinne des § 889 BGB handelt es sich nicht, weil die hier entstandene Anwartschaft (im weiteren Sinne) kein selbständiges dingliches Recht darstellt. Genauso wie das Anwartschaftsrecht mit dem Erstarken zum Vollrecht unstreitig erlischt, fällt die Anwartschaft auf das Vollrecht automatisch weg, wenn dieses auf andere Weise erworben wird. Außerdem kann dem Tauschplan eine stillschweigende Aufhebung des Kaufvertrages vom 15.12.1993 entnommen werden, wenn die Anlage 3 den von dem Antragsteller behaupteten Inhalt hat (vgl. oben). Jedenfalls ging die erst 1998 erteilte Genehmigung des Kaufvertrages ins Leere, da dessen Substrat, Übereignung kraft Kaufabrede, weggefallen war. Im Übrigen verstößt eine isolierte grunderwerbsteuerliche Behandlung des Kaufvertrages unabhängig davon, ob bereits auf die eigenständige (schuldrechtliche) Veräußerung eines einzelnen Wirtschaftsgutes als Vorbereitung eines Bodenneuordnungsverfahrens und einer Auseinandersetzung mit ehemaligen LPG-Mitgliedern § 67 LwAnpG anwendbar ist oder nicht (siehe oben), gegen Sinn und Zweck dieser Vorschrift, weil der Übergang des Eigentums an dem betreffenden Gebäude nicht aufgrund des Kaufvertrages, sondern infolge des genehmigten Tauschplanes und der Ausführungsanordnung eingetreten ist und es keinen Sinn macht, die sachliche Steuerbefreiung des § 67 LwAnpG zwar auf den Eigentumsübergang des Gebäudes, nicht aber auf die insoweit erfolgte, folgenlos gebliebene schuldrechtliche Kaufabrede zu erstrecken.