Flurbereinigungsgericht Magdeburg, Urteil vom 05.02.1998 - C 8 S 2.97

Aktenzeichen C 8 S 2.97 Entscheidung Urteil Datum 05.02.1998
Gericht Flurbereinigungsgericht Magdeburg Veröffentlichungen Lieferung N/A

Leitsätze[Quelltext bearbeiten]

1. Nach § 63 Abs. 2 LwAnpG in Verbindung mit § 5 Abs. 2 FlurbG ist eine Anhörung der dort genannten Stellen vor Anordnung eines Bodenordnungsverfahrens nach § 64 LwAnpG auch dann nicht entbehrlich, wenn es sich um bereits vermessene Grundstücke handelt, die in ihrer Abgrenzung unverändert bleiben. Ein diesbezüglicher Verfahrensmangel kann nach § 46 VwVfG-LSA geheilt werden.
2. Die Überschreitung der nach DDR-Recht vorgesehenen Grundfläche von 500 qm bei der Bereitstellung von Land zur Errichtung von Eigenheimen läßt das Nutzungsrecht ebenso wenig unwirksam werden wie das in seiner Ausübung entstandene selbständige Gebäudeeigentum.

Aus den Gründen

b)
Soweit der Kläger rügt, nicht in geeigneter Weise eingehend über das geplante Verfahren einschließlich der Kosten informiert worden zu sein, vermag er hiermit nicht durchzudringen. Ein Verfahrensfehler aufgrund mangelhafter Aufklärung liegt nicht vor.

Der nach § 63 Abs. 2 LwAnpG sinngemäß anwendbare § 5 Abs. 1 FlurbG schreibt vor, die voraussichtlich beteiligten Eigentümer in "geeigneter Weise" eingehend über das geplante Verfahren einschließlich der voraussichtlich entstehenden Kosten aufzuklären. Die nach dieser Bestimmung erforderliche Aufklärung obliegt der zuständigen Flurbereinigungsbehörde, der es jedoch freigestellt ist, in welcher Form sie die Aufklärung vornehmen will; sie muß nur geeignet sein, den Zweck zu erfüllen, die Beteiligten für das geplante Verfahren zu gewinnen und vor allem durch Erörterung mit den Betroffenen die notwendigen Unterlagen für die Beurteilung ihres Interesses zu erhalten BVerwG, Urt. v. 03. März 1959 - I C 142.56 -, BVerwGE 8, 197 <198>; Urt. v. 12. Januar 1984 - 5 C 107.83 -; BVerwGE 68, 290 <293>; Beschluß v. 09. Dezember 1992 - 11 B 5.92 -, RdL 1993, 95; Urt. v. 09. Juli 1997 - 11 C 2.97 -).
Aus der Niederschrift über die Aufklärungsveranstaltung in der Gemeinde "G." vom 01. März 1993, an der ausweislich der Anwesenheitsliste auch der Kläger teilgenommen hat, ergibt sich, daß die gesetzlichen Grundlagen, das Verfahren zum freiwilligen Landtausch, das Bodenordnungsverfahren sowie die Verfahrens- und Ausführungskosten erläutert wurden.
Der Beklagte ist damit seiner Pflicht zur Unterrichtung in ausreichender Weise nachgekommen. Er hat vor der Verfahrensanordnung die betroffenen Eigentümer über das Vorhaben, seine rechtlichen Voraussetzungen und tatsächlichen Grundlagen sowie über die voraussichtlich entstehenden Kosten, insbesondere die möglichen finanziellen Belastungen eingehend informiert. Mehr war nach den Umständen des konkreten Falls zur Information nicht geschuldet und auch nicht erforderlich.

c)
Die Anordnung des Bodenordnungsverfahrens ist auch nicht wegen Verstoßes gegen § 5 Abs. 2 FlurbG aufzuheben.
Nach § 5 Abs. 2 FlurbG (in Verbindung mit § 63 Abs. 2 LwAnpG) sollen die landwirtschaftliche Berufsvertretung, die zuständige Landesplanungsbehörde, die Gemeinde und der Gemeindeverband sowie die übrigen von der für die Landwirtschaft zuständigen obersten Landesbehörde zu bestimmenden Organisationen und Behörden gehört werden.
Aus dieser an die Flurbereinigungsbehörde gerichteten Aufforderung ergibt sich die Verpflichtung, im Regelfall die in § 5 Abs. 2 FlurbG genannten bzw. von den Ländern durch Rechts- oder Verwaltungsvorschrift zu bestimmenden Stellen vor der Anordnung des Bodenordnungsplanes anzuhören. Es bleibt also nicht der Entscheidung der Behörde überlassen, ob und in welchem Umfang sie die vom Gesetzgeber bestimmten im Wege der Anhörung zu beteiligenden Stellen auch tatsächlich anhört. Die Anhörungspflicht besteht auch im Bodenordnungsverfahren.
Zwar ist gem. § 63 Abs. 2 LwAnpG im Rahmen der Feststellung und Neuordnung der Eigentumsverhältnisse nach dem Landwirtschaftsanpassungsgesetz der § 5 Abs. 2 FlurbG (lediglich) "sinngemäß" anzuwenden. Eine entsprechende, d. h., eine an Sinn und Zweck der Anordnung von Bodenordnungsverfahren orientierte Anwendung des § 5 Abs. 2 FlurbG, führt jedoch zu keiner anderen rechtlichen Beurteilung. Denn selbst unter Berücksichtigung der besonderen Richtlinien des Bodenordnungsverfahrens, nämlich Gebäude- und Grundeigentum auf (überwiegend) landwirtschaftlich genutzten Flächen zusammenzuführen, behält eine vorherige Anhörung nach § 5 Abs. 2 FlurbG im Hinblick auf den Anordnungsbeschluß der Flurneuordnungsbehörde ihre Berechtigung. Es besteht zumindest die Möglichkeit, daß sich aus Äußerungen der anzuhörenden Stellen Gesichtspunkte agrarstruktureller, planerischer oder eigentumsrechtlicher Art ergeben, die die von der Flurneuordnungsbehörde zu treffende Entscheidung beeinflussen und im Ergebnis verändern können. Eine Anhörung der in § 5 Abs. 2 FlurbG genannten Stellen ist nicht ausnahmsweise deshalb entbehrlich, weil es sich im vorliegenden Fall bereits um vermessene Grundstücke handelte, die in ihrer Abgrenzung unverändert bleiben. Denn auch in diesen Fällen einer eng begrenzten Bodenneuordnung soll das Fachwissen der in § 5 Abs. 2 FlurbG genannten Stellen Eingang in das Verfahren finden.

Durch das Unterlassen der gebotenen Anhörung der in § 5 Abs. 2 FlurbG genannten Stellen hat der Beklagte eine ihm auferlegte Verfahrenspflicht verletzt; der von ihm erlassene Anordnungsbeschluß ist fehlerhaft und damit rechtswidrig, weil er nicht in der gesetzlich zwingend vorgeschriebenen Weise zustande gekommen ist.

Der Kläger bleibt mit seinem Begehren auf Aufhebung des - nicht nach § 44 VwVfG-LSA nichtigen Beschlusses - dennoch ohne Erfolg.
Denn die Aufhebung des Verwaltungsaktes kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung einer Verfahrensvorschrift zustande gekommen ist, wenn keine andere Entscheidung in der Sache hätte getroffen werden können (§ 46 VwVfG-LSA in der hier noch anwendbaren Gesetzesfassung vom 18. August 1993 (GVBl. S. 412) vgl. Art. 5 des Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften vom 21. November 1997 (GVBl. S. 1018)).
Hinsichtlich der Ermittlung des insofern bedeutsamen Kausalzusammenhanges ist dabei weder auf die zu weitgehende "abstrakte Möglichkeit" einer abweichenden Entscheidung abzustellen, noch in jedem Fall der in der Praxis so gut wie ausgeschlossene positive Nachweis zu verlangen, daß gerade wegen des in Rede stehenden Verfahrensmangels so und nicht anders entschieden worden sei. Der Kausalzusammenhang ist vielmehr zu bejahen, wenn nach den Umständen des jeweiligen Falles die konkrete Möglichkeit besteht, daß ohne den angenommenen Verfahrensmangel die Entscheidung anders ausgefallen wäre (BVerwG, Urt. v. 30. Mai 1984 - 4 C 58.81 -, BVerwGE 69, 256 <269 f.>).
Dies wäre vorliegend der Fall, wenn sich aufgrund erkennbarer oder naheliegender Umstände die Möglichkeit abzeichnete, daß im konkret zu beurteilenden Bodenordnungsverfahren der Beklagte im Hinblick auf seine Anordnungsentscheidung durch Stellungnahmen der gem. § 5 Abs. 2 FlurbG Anzuhörenden im Sinne einer anderen Entscheidung in der Sache hätte beeinflußt werden können.

Hierfür bestehen nach Auffassung des Senates in dem zu entscheidenden Fall keine Anhaltspunkte. Sie sind im übrigen auch nicht vorgetragen. Die Eigentumsverhältnisse an Grund und Boden einerseits sowie am Gebäude andererseits waren durch entsprechende Grundbucheintragungen nachgewiesen, das Grundstück war vermessen, gemeindliche Planungsabsichten nicht bekannt und Kollisionen mit landwirtschaftlicher Nutzung aufgrund der Lage des Grundstücks nicht erkennbar.
Eine andere Entscheidung in der Sache, als die der Anordnung des Bodenordnungsverfahrens, das bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen gem. § 56 Abs. 1 LwAnpG durchzuführen ist, hätte demnach nicht getroffen werden können.

d)
Die Rüge der fehlerhaften Bekanntmachung bleibt ebenfalls ohne Erfolg.
Für die Bekanntmachung von Entscheidungen der Flurneuordnungsbehörden in Verfahren nach § 64 LwAnpG ist - wie bei der Bekanntmachung eines Beschlusses nach § 6 Abs. 2 und 3, § 100 FlurbG zu verlangen, daß der entscheidende Teil eines solchen Beschlusses vollständig, d. h. mit der Gebietskarte öffentlich bekannt gemacht wird. Die zur Begrenzung des Flurbereinigungsgebietes erstellte Gebietskarte gehört zum entscheidenden Teil des öffentlich bekannt zu machenden Beschlusses (Urteile vom 28. Oktober 1982 - BVerwG 5 C 46.81 und 5 C 9.82 <RdL 1983, 69 und 98>). Der entscheidende Teil des Flurbereinigungsbeschlusses ist nur dann in der Flurbereinigungsgemeinde verlautbart, wenn er vollständig, das heißt mit der Gebietskarte öffentlich bekannt gemacht wird.

e)
Dem Anordnungsbeschluß mangelt es ebenso wenig an inhaltlich hinreichender Bestimmtheit (§ 37 Abs. 1 VwVfG-LSA).

Die in ihm getroffene Behördenentscheidung, nämlich die Anordnung eines Bodenordnungsverfahrens u.a. für das klägerische Flurstück 40/4 der Flur 3 der Gemarkung K., ist hinreichend klar, verständlich und in sich widerspruchsfrei. Der Inhalt der Entscheidung ist nach Art und Umfang für den Kläger aus sich heraus erkennbar und verständlich.

f)
Der Einwand des Klägers, die Verleihung des Nutzungsrechtes über ein mehr als 500 qm großes Grundstück sei rechtswidrig, führt ebenfalls nicht zum Erfolg seiner Klage.
Nach § 1 der Verordnung über die Bereitstellung von genossenschaftlich genutzten Bodenflächen zur Errichtung von Eigenheimen auf dem Lande vom 09. September 1976 (GBl. DDR I, 426) konnten landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften geeignete Flächen zur Errichtung und persönlichen Nutzung von Eigenheimen zuweisen. Diese sollten gem. § 2 der Verordnung nicht größer als 500 qm sein. Eine vergleichbare Regelung traf § 7 der Verordnung über den Neubau, die Modernisierung und die Instandsetzung von Eigenheimen - DDR-Eigenheim-Verordnung - vom 31.08.1978 (GBl. DDR I, 425). Diese für Eigenheime genannte Grundfläche war lediglich eine Orientierungsgröße, wofür bereits die vom Verordnungsgeber gewählte Möglichkeitsform "sollten" spricht. Die Einhaltung war von der jeweiligen Grundstückssituation abhängig, mit der Folge, daß die zuständigen Stellen letztlich auch von ihr abweichen durften (so BVerwG, Beschluß vom 04. März 1997 - 7 B 247/96 - unter Hinweis auf Urteil vom 18. Januar 1996 - BVerwG 7 C 20.94 - Buchholz 428 § 4 VermG Nr. 25).

Die LPG "F." hat durch Urkunde vom 01. November 1977 von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht und den Rechtsvorgängern der Beigeladenen "an dem Flurstück in K. Ortsteil R., Flur 3, Flurstück 40/2 teilweise in Größe von 938 qm ein Nutzungsrecht" verliehen. Das Nutzungsrecht wurde nach dem Willen der LPG für das gesamte Grundstück verliehen. Allein die Tatsache, daß damit die Regelgröße von 500 qm überstiegen wird, läßt das Nutzungsrecht ebenso wenig unwirksam werden, wie das in seiner Ausübung entstandene selbständige Gebäudeeigentum. Die Voraussetzung zur Anordnung eines Bodenordnungsverfahrens nach § 64 LwAnpG bleibt in der Person der Beigeladenen als antragsbefugte Gebäudeeigentümerin somit erhalten. Inwieweit der 500 qm übersteigende Grundstücksteil Auswirkungen auf die spätere Abfindung und die Wertermittlung haben wird, bedarf hier keiner Entscheidung. Da diese Gesichtspunkte erst im Bodenneuordnungsverfahren zu berücksichtigen sind, berühren sie nicht die Rechtmäßigkeit des Anordnungsbeschlusses.